Die Elf Augen. B. L. Hach. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: B. L. Hach
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783741841088
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zerfledderte Abhandlung über Briefmarken als Landkarten und andere Nachrichtenwege. So ging es immer weiter, das ganze Regal entlang.

      Staunend drehten sich die Zwillinge in der Mitte des Zimmers im Kreis. Was hatte all das zu bedeuten? War ihr Vater ein heimlicher Bastler, ein Erfinder? Oder ein Historiker, der unbekannte Sprachen erforschte? Ein Sammler unbrauchbaren, alten Zeugs? Ein Zauberer? Oder einfach nur ein armer, alter Spinner?

      In der Zwischenzeit hatte Greta sich auf den Weg zum Schrank gemacht. Sie rüttelte an der Eisenkette. Wie lustig das rasselte! Und es übertönte das Pfeifen, das seit letzter Nacht beinahe schmerzhaft in ihren Ohren klang ... Wie gut, dass sie nun nicht mehr allein war. Ihre Geschwister würden sich schon um alles kümmern. Sonst gab es ja auch noch ihren Herr Schmidt, der ihr auch jetzt eifrig half. Wie es sich gehörte! Greta wusste, dass der Dackel sie besonders gern mochte. Immerhin war sie die Einzige, die ihn wirklich verstand. Manchmal versuchte sie für ihn sogar zu bellen. Mit seinen kleinen Zähnen zog Herr Schmidt an der Eisenkette. Dafür musste er sich auf die Hinterbeine stellen. Unpraktischerweise war er als Zwergdackel nicht groß genug, um problemlos an die Kette zu gelangen. »Was soll das?«, rief Agatha. »Wir lassen den Schrank lieber zu.«

      Arnold ignorierte den Einwand. Er begann ebenfalls an der Schranktür zu rütteln. »Geh schon auf, du blödes Ding«, murmelte er. Fast hätte er dagegentreten, als ihm etwas einfiel. Er hatte doch eben etwas von einem Schlüsseldienst-Roboter gelesen! Schnell griff er den Ordner und blätterte zur richtigen Stelle. Ja, genau. Wenn ihn nicht alles täuschte, ließ sich mit der goldgelben Maschine ganz oben im Regal problemlos jedes Schloss öffnen. Auch wenn das kaum zu glauben war: Die Maschine hatte eher Ähnlichkeit mit einer fliegenden Taschenlampe. Ohne lange zu überlegen, drückte Arnold den grünen Knopf an ihrem Schaft. Ein Lichtstrahl schoss hervor, strahlte durch das Zimmer und traf mitten auf das Schloss. Es zerschmolz wie Blei an Silvester.

      Knarrend öffnete sich der Schrank und gab den Blick auf sein Innenleben frei. Arnold rang nach Luft. Was er da sah, verwirrte ihn völlig. Mal ehrlich: All die Apparate in Leos Kämmerlein waren letztendlich nicht mehr als die Arbeiten eines verrückten Bastlers. Irgendwie süß, aber harmlos. Doch das, was sich da im Schrank befand, das war etwas völlig anderes: Wie von Geisterhand schob sich eine hochmoderne Steuerungszentrale in den Raum; ein blank polierter Metalltisch, der mit kleinen Lämpchen versehen war. Dazwischen befanden sich hauchdünne Bildschirme, auf denen Zahlenreihen und bunte Kurven aufleuchteten. Es summte und piepste, dann begann eine freundliche Computerstimme in unverständlicher Sprache zu reden.

      Vorsichtig näherte Agatha sich ihrem Bruder, der seinen Blick nicht von der Konsole wenden konnte.

      Die Lämpchen begannen hektisch zu blinken. Die Oberflächen auf den Bildschirmen wechselten immer schneller. Jetzt waren auch Satellitenaufnahmen und eine Art Radar zu sehen. Herr Schmidt, dem das Ganze gar nicht gefiel, bellte aufgeregt.

      »Meine Güte, Agatha! Was treibt Papa da bloß?«, rief Arnold. Schnell schob er den Tisch samt aller Geräte in den Schrank zurück. Die immer drängender werdende Computerstimme brachte ihn dazu, auch die Schranktür zuzuwerfen.

      Da kam auch schon die goldgelbe Maschine angeflogen. Zielgenau richtete sie ihren Lichtstrahl auf die Eisenkette. Die Kette bog sich fast anmutig und fügte sich zusammen. Damit war die Tür gesichert.

      Nachdem Arnold sich die Schweißperlen von der Stirn gewischt hatte, drehte er sich nach Greta um. Laut lachend schwenkte sie einen Briefumschlag in der Hand, um Herrn Schmidt damit zu ärgern. Der Dackel spielte gutmütig mit, schließlich war es seine geliebte Greta, die ihm da mit dem Umschlag auf den Kopf patschte. Brav versuchte er, danach zu schnappen. Ehrensache, dass er Greta gewinnen ließ.

      »Gib her«, verlangte Agatha. »Das ist doch der Brief, der mitten in der Nacht bei uns angekommen ist!« Agatha zögerte nur eine Sekunde, dann hatte sie den Umschlag auch schon aufgerissen. »Lieber Leo, liebe Thea«, las sie vor, »wie üblich findet unser Geheimtreffen am dritten April statt. Diesmal bei Agentin Alberta. Ihr kennt die Adresse und die erschwerten Umstände. Ich freue mich, Euch bald begrüßen zu dürfen. Viel Glück bis dahin und haltet durch. Es sind schwere Zeiten für uns alle.«

      Eine Unterschrift fehlte. Ratlos schaute Agatha ihren Bruder an. Der dritte April? Das war doch gestern gewesen – was hatte das zu bedeuten?

      Ein lautes Poltern ließ die Zwillinge zusammenschrecken. Sie zogen sie die Köpfe ein und hielten sich die Ohren zu. Sicherlich war auch das nächtliche Geschrei gleich zu hören, das schaurige Peitschenknallen ...

      Aber es waren nur Herr Schmidt und Greta, die diesen ohrenbetäubenden Lärm veranstalteten. Etwas peinlich berührt wechselten die Zwillinge einen schnellen Blick.

      Greta hatte ein loses Brett in der Wand entdeckt. Unter dem Einsatz ihrer ganzen Kraft und mit Herrn Schmidts Hilfe hatte sie es zur Seite geschoben. Seit einiger Zeit spielte sie am liebsten Verstecken und vielleicht war dahinter ja ein geeignetes Schlupfloch! Mit einem letzten Ruck war das Brett auf dem Boden gelandet und Greta auf ihrem gepolsterten Hintern.

      In der Wand war ein Loch zu sehen. Dahinter lag eine Art Hohlraum. Wie Greta gehofft hatte: Ein prima Versteck! Sie wollte schon durchkrabbeln, aber im letzten Moment hielt Arnold sie an der Windel zurück. Er entfernte ein zweites und ein drittes Brett und steckte selbst den Kopf durch die Öffnung.

      Greta drehte sich beleidigt um: Das war ihr Versteck! Aber Arnold bemerkte es nicht einmal.

      »Ich kann gar nichts sehen. Alles dunkel hier«, meinte er mit dumpfer Stimme.

      Agatha wurde ungeduldig. Sie schob ihren Kopf an Arnold vorbei, zwängte ihren rechten Arm hinterher. Schon hatte sie einen Lichtschalter ertastet. Als sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatten, staunten die Zwillinge nicht schlecht:

      Da, direkt vor ihnen, lag eine Wendeltreppe.

      4. Kapitel

      Gefahr im eigenen Haus

      Die Treppe sah nicht stabil aus. Sie führte steil hinab und es war nicht zu erkennen, wo sie endete. Agatha wollte es trotzdem darauf ankommen lassen: »Worauf warten wir noch?«, fragte sie.

      Ihr Bruder zögerte kurz, dann hievte er sich Greta auf den Rücken, die vor Aufregung auf seinen Kopf trommelte. Herr Schmidt kläffte ungeduldig im Takt dazu.

      Als erstes kletterte Agatha durch die Öffnung. Stufe um Stufe stieg sie nach unten, dicht gefolgt von den anderen. An der weiß getünchten Wand neben ihr hingen Fotografien in großen dunklen Rahmen. Auf einem der Fotos waren zwei große Männer mit zotteligem Haar zu sehen. Sie hielten zwei Babys in ihren Armen. Kein Zweifel: Das waren Agatha und Arnold mit ihren Patenonkeln Jamir und Jona! Ihre Eltern hatten ihnen oft erzählt, wie sie bei einem Besuch bei den beiden in den Bergen Kashondas geboren worden waren. Agatha spürte, wie sich das Amulett, das sie von Jamir und Jona zur Geburt bekommen hatte, an ihrem Handgelenk erwärmte. Sie blickte auf den grünen Turmalin, der von innen heraus leuchtete. Die fremden Schriftzeichen hoben sich deutlich hervor.

      Ein anderes Bild lenkte sie ab: Es zeigte Thea und Tante Cleo, wie sie sich voreinander verbeugten. Beide trugen schwarze Stoffanzüge, die an asiatische Kampfkleidung erinnerten. Das Foto daneben interessierte vor allem Arnold: eine Unterwasserlandschaft, in der gestreifte Fische schwammen.

      Auf den übrigen Bildern waren den Zwillingen unbekannte Menschen, Landschaften und Städte zu sehen. Beide waren fasziniert von der Aufnahme eines Waldes mit riesigen Bäumen. Direkt daneben hing eine scheinbar unendliche Wüstenlandschaft, in der sich ein Sturm zusammenbraute.

      Die Zwillinge konnten sich kaum satt sehen. Aber sie mussten weiter, durch die Eisentür, die sie am Ende der Treppe erwartete. Die schwere Tür ließ sich erst bewegen, als sie sich alle gemeinsam dagegen stemmten.

      Der Raum dahinter war ziemlich groß und roch nach Turnhalle. Der Boden war mit blauen Trainingsmatten ausgelegt. In einer Ecke standen Fitnessgeräte, ein Rudergerät und ein Laufband. Daneben lagen jede Menge Hanteln. In der Mitte des Raumes hing ein Boxsack, die Handschuhe hatte jemand achtlos auf den Boden geworfen. Am auffälligsten waren aber die Schwerter, die an einer der Wände hingen. Arnold nahm eines