Endgame. Alexander Winethorn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Winethorn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742764508
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drohender Stimme sagte der blonde Angreifer zum Jungen: »Wegen solchen Grünschnäbeln glaubt der kriminelle Abschaum, sie könnten mit uns machen, was sie wollen. Vor Witzfiguren wie dir haben die Leute keinen Respekt. Weißt du, wie vielen Junkies und Möchtegern-Gangstern ich schon zeigen musste, wer das Sagen hat?« Mit diesen Worten zog der Blonde seinen Arm dichter an seinen Körper, wodurch der Junge noch fester gewürgt wurde. Der Kopf des jungen Polizisten lief rot an, und er rang nach Luft.

      »Ich glaube, das reicht jetzt«, sagte Adam mit ruhiger Stimme.

      Der Blonde sah verärgert zu ihm hinüber und befreite den Jungen aus dem Würgegriff, woraufhin dieser schwer atmend und leicht benommen einen Schritt zurücktaumelte.

      Adam und der Blonde standen sich nun direkt gegenüber. Beide Männer warfen sich herausfordernde Blicke zu.

      »Wer hat dich nach deiner Meinung gefragt?«, schnaubte der Blonde mit einem herablassenden Tonfall.

      »Was ist dein Problem? Hat der Junge dir dein Pausenbrot gestohlen?«, erwiderte Adam sarkastisch.

      Es gab ein kurzes Gelächter von den Kollegen, was den Blonden noch wütender machte. Er näherte sich Adam ein paar Schritte, um seine Drohgebärde zu verstärken. »Ich habe dir eine Frage gestellt.«

      »Und ich habe sie erfolgreich ignoriert«, entgegnete Adam gelassen. »Glaubst du nicht, dass wir für so etwas ein wenig zu alt sind, Herr Kollege?«

      »Ich weiß nicht, wie du darüber denkst, Kollege«, sagte der Blonde, »aber ich denke, man ist nie zu alt, um seinen Mitmenschen Respekt und Demut zu lehren. Manche Leute brauchen so eine Lektion hin und wieder einmal, ansonsten vergessen sie, wer das Sagen hat. Du gehörst wohl auch zu ihnen.«

      Kaum hatte der Blonde die letzten Worte ausgesprochen, da sprang er schon auf Adam zu. Er versuchte, seinen Arm um dessen Hals zu schlingen, um ihn zu würgen, doch Adam war auf diese Attacke vorbereitet. Er zog seine rechte Hand nach oben und blockte dadurch den angreifenden Arm des Blonden. Mit einer schnellen Bewegung rammte Adam seinen linken Ellbogen gegen den Unterleib seines Angreifers. Der Blonde keuchte auf und schnappte nach Luft. Adam drehte sich um, wobei er noch immer den Arm des Blonden festhielt. Bevor sein Gegenüber irgendetwas machen konnte, drückte Adam auf dessen Armgelenk. Der blonde Polizist ging mit einem schmerzverzogenen Gesicht in die Knie.

      »Apropos Demut«, sagte Adam in einem ironischen Tonfall. »Ich weiß zwar nicht, was man dir in der Polizeischule beigebracht hat, aber Respekt ist etwas, das man sich erst verdienen muss.« Adam hatte den Arm des Blonden weiterhin fest im Griff. »Als Polizist ist es nicht unsere Aufgabe, Schwächere zu unterdrücken. Viel mehr ist es unsere Pflicht, sie zu beschützen.«

      Ein schrilles Pfeifen unterbrach Adams Belehrung.

      »Alle Beamten sollen sich umgehend im Klassenzimmer 8B melden!«, rief eine Stimme aus dem Lautsprecher der Schule.

      »Genug gespielt. Jetzt wird es ernst«, sagte Adam und löste seinen Griff.

      Der Blonde sprang sofort auf und wollte wieder angreifen, doch er wurde von seinen Freunden zurückgehalten. Widerwillig gab er nach und sagte drohend: »Wir sehen uns wieder.« Daraufhin folgte er den anderen Polizisten in das Schulgebäude.

      Adam blieb alleine im Schulhof zurück. Er blickte zur Sonne, die gerade dabei war, am Horizont zu verschwinden. Der Tag ging zu Ende, und er hatte das Gefühl, dass es noch eine lange Nacht werden würde.

      Die Prinzessin

      ****

      Mit ihrem kleinen Wagen raste Alice Pollux von der Autobahn in die Abzweigung, die sie in Richtung Stadtmitte führte. Sie war bereits zwanzig Minuten zu spät, und obwohl sie für die Verspätung nichts konnte, fühlte sie sich doch etwas schuldig.

      Im Rückspiegel sah sie den kräftigen, roten Streifen der untergehenden Sonne. Die Welt um sie herum wurde zu einer märchenhaften und kitschigen Abendlandschaft. Dieser Moment gehörte zu ihrer Lieblingstageszeit.

      Wie romantisch, dachte Alice.

      Der rötliche Farbton der Dämmerung ließ ihr weißlackiertes Auto wie eine riesige, schimmernde Porzellanskulptur aussehen. Die rosa Sitzbezüge passten gut zum Außenlack des Wagens, was dem Ganzen ein edles und luxuriöses Erscheinungsbild gab. Das Auto war ein wunderbares Geburtstagsgeschenk von ihrem Vater.

      Alice hielt sich genau an die Anweisungen auf dem Zettel, den sie von ihrer Freundin Lydia bekommen hatte. Ohne diesen Wegweiser hätte sie nicht gewusst, welche Abzweigung sie gefahrlos nehmen konnte. Seit den Ausschreitungen der gestrigen Nacht war der Großteil der Stadt gesperrt. Überall waren Polizeikontrollen, die sie angehalten und zum Umkehren gezwungen hätten.

      Nach ungefähr einer halben Stunde erreichte Alice eine Kirche, vor deren Eingangstor eine drei Meter hohe Ritterstatue stand. Es wirkte so, als wolle der Ritter die Kirche vor all dem Chaos und der Gewalt, die momentan in der Stadt herrschten, beschützen. Instinktiv griff Alice nach ihrer Halskette, an der ein goldenes Kreuz hing. Das letzte Mal hatte sie eine Kirche mit ihrer Mutter besucht. Aber daran wollte sie jetzt nicht denken.

      Hinter der Kirche befand sich eine weitläufige Wiese, die mit Zelten übersät war. Die Zelte besaßen die unterschiedlichsten Formen, Farben und Größen; es gab solche, wie man sie auf Campingplätzen sah, und solche, die an ein Zirkuszelt erinnerten. Es entstand der Eindruck einer kleinen Siedlung, die inmitten der Großstadt errichtet wurde.

      Als Alice vor einem Zelt parken wollte, schüttelte eine Frau den Kopf und deutete auf den Wald, am Rande der Wiese. Trotz der vielen Wohnmobile, die zwischen den Zelten abgestellt waren, gab es anscheinend ein Parkverbot für Autos innerhalb der Zeltstadt.

      Glücklicherweise handelte es sich bei den Bäumen im Wald um einfache Laubbäume, und somit hingen keine Tannenzapfen oder andere schwere Früchte an den Ästen. Alice hatte das Auto gerade erst neu lackieren lassen, und einen Kratzer hätte sie nicht überlebt. Da wäre ihr ein abgebrochener Fingernagel lieber gewesen.

      Nachdem sie ihren Wagen am Waldrand geparkt hatte, betrachtete sie sich im Rückspiegel. Sie kontrollierte ihr Make-up und richtete ihre blond gefärbten Haare zurecht. Sie griff nach ihrer Designerhandtasche und verließ das Auto.

      Bereits nach den ersten Schritten musste sie feststellen, dass ihr Cocktailkleid mit dem Tigermuster, ihre weißen Stiefel und ihre rosa Jacke nicht für diese Umweltbedingungen geeignet waren. Die Jacke war viel zu dünn, und trotz des lauen Sommerabends begann sie, zu frieren. Zwar hatte sie einen teuren Designermantel im Kofferraum, jedoch verschluckte er ihre Figur. All die Stunden im Fitnesscenter wären dann umsonst gewesen.

      Der Wiesenboden war nach den regenreichen Tagen der letzten Zeit nass und uneben geworden, weshalb ihre weißen Stiefel tief in die weiche, matschige Erde versanken. Mit jedem Schritt wurden ihre schönen Schuhe dreckiger.

      Die eher bescheiden gekleideten Bewohner der Zeltstadt musterten die junge Frau mit prüfenden Blicken. Mit ihrem Outfit sorgte sie für Aufsehen, aber damit hatte sie noch nie Probleme gehabt, tatsächlich genoss sie die Aufmerksamkeit der anderen.

      Auf dem kleinen gelben Stück Papier, den ihr Lydia als Wegbeschreibung mitgegeben hatte, war zusätzlich – Zelt Nummer 7 – notiert worden.

      Die Zelte waren einzeln nummeriert, womit es einfacher wurde, sich zu orientieren und den Überblick zu behalten. Offensichtlich hatte man die Zelte mit den höheren Nummern außerhalb des Lagers gestellt, und die mit den niedrigen Nummern in das Zentrum.

      Nach einigem Suchen und Umherirren wurde Alice schließlich fündig. Das Zelt mit der Nummer 7 machte von außen nicht viel her und wirkte für ihren Geschmack ein wenig zu rustikal. Es war jedoch eines der größten Zelte im Lager.

      Als sie das Zelt betrat, kam ihr ein modriger Geruch entgegen, der sich mit den Ausdünstungen der Leute vermischt hatte. Vor Ekel rümpfte sie die Nase. Ihre Instinkte schrien geradezu danach, sich umzudrehen, zurück zum Wagen zu gehen und weit, weit wegzufahren. Sie zögerte, und für