Endgame. Alexander Winethorn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Winethorn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742764508
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waren. Es herrschten kriegsähnliche Zustände. Das Land drohte im Chaos zu versinken.

      ****

      Ein gepanzerter Polizeitransporter schwankte unentschlossen von einer Straßenseite zur anderen. Ein lauter Knall, der vom rechten Vorderreifen kam, ließ das Fahrzeug mehrmals überschlagen. Die dicken Panzerplatten an der Außenwand des Transporters rieben am schwarzen Asphalt der Straße und hinterließen einen orangefarbenen Funkenregen. Das Gefährt rutschte seitlich liegend einige Meter weiter die Straße entlang, bis es zum Stehen kam und so der Breite nach die gesamte Hauptstraße blockierte.

      Ein in Schwarz gekleideter Mann kletterte auf den umgefallenen Transporter und kroch nach vorne zur Fahrerkabine. Sein Gesicht hielt er hinter einem schwarzen Tuch versteckt, auf dem das Abbild eines grinsenden Totenkopfes zu sehen war. Nur seine hasserfüllten Augen und seine mit Schweiß bedeckte Stirn konnte man erkennen.

      Der maskierte Mann spähte durch das zerbrochene Seitenfenster des Transporters und erblickte den Fahrer und dessen Beifahrer – beides Polizeibeamte.

      Leises, qualvolles Stöhnen war in der Fahrerkabine zu hören. Die Polizisten erwachten aus ihrer Bewusstlosigkeit. Ihre Körper, die zwischen Armaturenbrett, Lenkrad und Sicherheitsgurt eingeklemmt waren, begannen langsam wieder Leben zu zeigen. Nicht mehr lange, denn der maskierte Mann nahm aus seinem Rucksack eine etikettenlose Flasche, die mit einem Stofffetzen zugestopft war. Mit einem Feuerzeug zündete er den Fetzen an. Nun blieben ihm nur noch wenige Sekunden, bis die Flamme das Innere der Flasche erreichte, und die darin befindliche Flüssigkeit entzünden würde.

      Er warf die Flasche durch das offene Seitenfenster der Fahrerkabine. Mit einer gelbblauen Explosion entfaltete der Cocktail seine todbringende Wirkung. Das Feuer ließ die zwei Polizisten mit einem entsetzlichen Schrecken auffahren. Verzweifelt schlugen sie mit ihren Armen wild um sich. Sie versuchten, die sich rasch verbreitenden Flammen mit bloßen Händen zu ersticken. Doch es war zu spät. Das Feuer hatte sich bereits über ihren ganzen Körper ausgebreitet. Beide Polizisten schrien vor Schmerzen.

      Der maskierte Angreifer stellte sich aufrecht auf den Transporter, hob seine Arme triumphierend empor und ballte seine Fäuste dem schwarzen, sternenlosen Himmel entgegen. Er stieß einen entsetzlichen, beinahe tierischen Schrei in die dunkle Nacht hinaus, als wolle er der Welt zeigen, dass er alleine den Polizeitransporter bezwungen hatte.

      Ein hohes Zischen pfiff durch die Luft, und wie aus dem Nichts schoss ein zylinderförmiges Projektil auf den Mann zu. Das Geschoss traf ihn in die Brust. Die Wucht des Aufpralls war so stark, dass man ein lautes Knacken des Brustkorbes hören konnte. Der maskierte Mann stürzte rücklings in die Tiefe und fiel auf den harten Straßenboden, wo er regungslos liegen blieb.

      Dutzende Polizisten, mit Gummiknüppeln und Granatpistolen bewaffnet, kamen die Straße entlang. Geschützt durch Schilde und Helme, marschierten sie in enger Formation auf den umgekippten Transporter zu.

      Drei der Polizisten trennten sich vom Rest und rannten zum Vorderteil des Fahrzeuges, um die Fahrer zu befreien. Mit großem Bedauern mussten sie feststellen, dass jede Hilfe zu spät kam, und sie nur noch die verbrannten Leichen ihrer Kollegen bergen konnten.

      Hinter ihnen schossen weitere Polizisten unzählige Rauchgranaten in die Luft, die auf der gegenüberliegenden Seite des Transporters landeten.

      Im Gegenzug wurden von der anderen Seite brennende Flaschen und Steine auf die Polizeitruppen geschleudert. Viele der geworfenen Gegenstände verfehlten jedoch ihr Ziel oder prallten an den Schutzschilden ab.

      Ein Löschpanzer rammte den seitlich liegenden Polizeitransporter, schob ihn von der Hauptstraße und legte so den Weg für die restlichen Einsatzkräfte frei.

      Hunderte von Demonstranten, teilweise maskiert und bewaffnet, rannten kreuz und quer über die Straße. Einige liefen wie aufgescheuchte Hühner davon, manche versteckten sich in den Seitengassen, aber viele hielten die Stellung.

      Mit der Wasserkanone trieb der Löschpanzer die wütende Menge weiter auseinander.

      Mehrere Teile der Straße waren blutverschmiert. Schwarzer Rauch, der von den brennenden Autos aufstieg, vermischte sich mit dem weißen Qualm der Rauchgranaten. Zerstörte Häuser und Geschäfte sowie eingeschlagene Schaufenster und die Schreie der panischen Menschen ließen diese apokalyptische Nacht in einem roten Flammeninferno untergehen.

      Kapitel 1: Figuren

      Der Ritter

      ****

      Es war ein schöner, aber extrem heißer Nachmittag. Der Himmel war blau und wolkenlos. Der warme Sommerwind ließ die grünen Blätter an den Ästen der Bäume wild herumwirbeln.

      Wären die Umstände anders gewesen, so hätte dies ein gemütlicher und erholsamer Tag sein können. Leider war die derzeitige Situation alles andere als gemütlich und schon gar nicht erholsam. Adam war sich dessen auch bewusst, als er an dem alten Eichenbaum vorbeiging und das Tor der Schule passierte.

      Es musste mindestens siebzehn Jahre her sein, seitdem er das letzte Mal eine Schule besucht hatte, wenn man die Polizeiakademie nicht mitzählte. Aber selbst die lag schon einige Jahre zurück.

      Adam überquerte den Schulhof, ein großer, gepflasterter Platz, der durch zwei Eingänge mit dem Schulgebäude verbunden war.

      Wo sonst immer die Schüler ihre Pausenbrote aßen oder spielend herumliefen, standen heute um die dreißig erwachsene Personen verteilt im Hof herum. Alles Polizisten.

      Adam betrachtete seine Kollegen genauer. Es war eine gemischte Gruppe. Alte und Junge. Frauen und Männer. Sie alle kamen in ziviler Kleidung, so wie es ihnen in der Versetzungsmeldung befohlen wurde. Einige waren in Gespräche verwickelt, aßen oder tippten in ihren Handys. Keiner von ihnen schien von den Ausschreitungen der gestrigen Nacht beunruhigt zu sein. Zumindest zeigte es niemand.

      Abgesehen von den Polizisten wirkte die Schule verlassen. Nachdem die Regierung eine Ausgangssperre über die ganze Hauptstadt verhängt hatte, wurden bestimmte Areale der Stadt als strategisch wichtige Punkte klassifiziert. Diese Privatschule gehörte zu solch einem Punkt. Ihre zentrale Lage erlaubte es, jeden Teil der Stadt schnell zu erreichen. Ideale Voraussetzung also, um eine Kommandozentrale einzurichten.

      Während die Schüler wahrscheinlich zu Hause ihre unterrichtsfreie Zeit genossen, musste Adam seiner Pflicht nachgehen.

      Er wollte gerade ins Gebäude gehen, um eine Toilette aufzusuchen, als er lautes Gelächter vernahm. Eine Gruppe von etwa sechs Männern bildete einen Halbkreis um einen dürren, jungen Mann, der, wie Adam vermutete, frisch von der Akademie kam. Der junge Kollege trug eine dicke Hornbrille, weiße Socken mit Sandalen und ein T-Shirt, auf dem das Motiv einer halbnackten Zeichentrickfigur zu sehen war. Anscheinend nahm er den Befehl, in Freizeitkleidung zu kommen, etwas zu wörtlich.

      Anfängerfehler, dachte Adam.

      Die Männer, die den schmächtigen Jungen umzingelten, trugen eng anliegende Hemden, wodurch ihre durchtrainierten und muskulösen Oberkörper besser zur Geltung kamen.

      »Ich kann nicht glauben, dass du zu unserer Truppe gehören sollst«, sagte einer der Kerle herablassend zu dem jungen Mann mit der Brille.

      »Heute vergeben sie ja den Polizeischein an jeden Clown. Echt traurig. Die Lage muss wirklich schlimm sein, wenn wir so jemanden wie dich brauchen«, fügte ein Zweiter hinzu.

      Adam konnte kaum glauben, was sich da vor seinen eigenen Augen abspielte. Man hätte meinen können, bei diesen Typen handelte es sich um irgendwelche pubertierenden Jugendlichen und nicht um erwachsene, ausgebildete Polizisten. Er hätte dieses Verhalten gerne mit der schulischen Umgebung entschuldigt, die längst vergangene Gewohnheiten wieder hervorrief. Schließlich hatte er sich selbst schon dabei ertappt, wie er ein paar Mal an Hausübungen und Tests dachte. Aber Schule hin oder her, diese unhöfliche Art entsprach nicht dem Benehmen der Polizei.

      Einer der Männer, mit markant hellblonden Haaren, zupfte an der Kleidung des schmächtigen Kollegen. Mit einer