Drei Monate alte SMS warteten darauf gelesen zu werden und fassungslos schüttelte sie immer wieder den Kopf. Die anfangs noch zaghaften Umschmeichelungen wurden chronologisch immer anzüglicher. Und diese schon fast nicht mehr jugendfreien Äußerungen stammten allesamt aus dem Vorzimmer seines Büros.
Ungläubig starrte Theresa immer wieder auf den Absender dieser Nachrichten. Warum konnten diese verdammten Sekretärinnen eigentlich nicht ihre Finger auf der Tastatur lassen? Und überhaupt, wie dämlich musste man denn sein, wenn man vergaß, sein Postfach zu leeren?
Wie Schuppen fiel es ihr von den Augen. Seine ständigen Fragereien galten einzig dem heuchlerischen Zweck, ihr nicht versehentlich über den Weg zu laufen. Und während dieser …, dieser kleinkarierte Krawattenständer seine Affaire galant zum Essen ausführte und sich danach schamlos mit ihr im Bett vergnügte, saß sie nichtsahnend Daheim.
Bei diesem Gedanken drehte es Theresa den Magen um. Ihre Anschuldigung war also doch nicht ungerechtfertigt gewesen. Stellte sich jetzt nur noch die Frage, wer von beiden nicht erwachsen war. Schließlich benahm er sich doch wie ein pubertierender Schmetterling. Oder so etwas in der Art. Luisa hätte dafür bestimmt einen passenderen Vergleich gefunden.
Neugierig und gleichzeitig angewidert las sie, wie sich die beiden ihr Leben vorstellten. Sie wollte ihn endlich für sich, er wollte es langsam angehen. Ha, darüber konnte Theresa nur lachen. Langsam war für sie etwas anderes. Während ihr Leben eine einzige Farce zu schein schien, stand er schon mitten in den Vorbereitungen für ein neues. Dieser Mistkerl schmachtete seine Fingerakrobatin, was sie offensichtlich nicht nur auf der Tastatur war, hemmungslos an.
Schluckend musste Theresa lesen, wie hübsch Lena doch immer in ihren Röckchen und Blüschen aussah.
„Lena“, schnaubte sie verächtlich aus. Schon allein die Aussprache dieses Namens ließ doch nur einen Schluss zu. „Oh Gott, wie furchtbar.“ Alles in ihr krampfte sich zusammen. Entsetzen, Wut, Beklemmung: so viele Gefühle, die sich abwechselnd auf ihr Herz stürzten und die Liebe zu Sven unter sich begruben.
Sicher wusste sie, dass Sven sie auch gerne mal in etwas anderem außer Jeans und Sneakern gesehen hätte, aber dem Puppenlook konnte sie halt nichts abgewinnen. Das war vielleicht etwas für dämliche Sekretärinnen, aber nicht für sie. Schleifchen im Haar und Kleider mit Glockenrock sahen bei ihr einfach zu dämlich aus, wie sie fand. Aber war das ein Grund, sich deswegen gleich in ein Abenteuer mit Barbie stürzen?
Verletzt verbarg sie ihr Gesicht in den Händen. Tränen kullerten die Wangen herunter. Was sollte sie denn jetzt bloß tun? Sie kämpfte mit dem Drang, einfach in das Wohnzimmer zu stürmen und ihn zur Rede zu stellen. Dann hätte sie jedoch zugeben müssen, dass sie etwas Verbotenes getan hatte. Schnüffeln war doch verboten, oder? Aber hatte er nicht auch etwas Unehrenhaftes getan?
Das Rauschen in ihrem Kopf nahm zu. Die Stimmen, die ihr jedoch zuvor noch gesagt hatten, was sie tun sollte, waren verstummt. Um nicht lauthals aufzuschreien, biss Theresa sich in die Faust. Verdammt, es tat so unendlich weh.
„LmaA!!! Grüße ins Büro!“, schrieb sie auf einen Zettel und warf ihn aufs Bett.
Irgendwie hatte sie es geschafft, diesen beschissenen Tag zu überstehen. Doch nun senkte sich die schwärzeste Nacht ihres Lebens darüber.
Kapitel 8
Heulend fand sich Theresa auf dem Rücksitz eines Taxis wieder. „Amalienstaße“, wies sie den Fahrer mit tränenerstickter Stimme an und starrte in die erleuchteten Schaufenster. Hals über Kopf war sie aus dem Haus gerannt, hatte sich lediglich ihre Jacke vom Haken gerissen und ihr Handy geschnappt. Orientierungslos war sie die Straßen entlang gelaufen, hatte den Kopf frei bekommen wollen und aufgelöst überlegt, was sie denn nun tun sollte. Ob Sven bemerkt hatte, dass sie gegangen war? Wahrscheinlich nicht, denn ihr Handy blieb stumm. Irgendwann hatte Theresa dann diesen Taxistand erreicht und sich in eins hinein geflüchtet.
Die Stadt schien noch immer nicht zu schlafen. Vereinzelt sah sie Pärchen eng umschlungen durch die Stadt mit Herz flanieren. München, so kam es ihr vor, hatte sie allerdings aus dem Herzen verbannt, was ihr einen schmerzhaften Stich versetzte.
Verunsichert blickte der Fahrer in den Rückspiegel. Das Letzte was er wollte war, eine hysterisch heulende Frau durch die Nacht zu fahren.
„Alles Okay“, las sie seine Gedanken und blickte wieder stur auf die Straße. Der Schmerz drückte sie wie eine Zentnerlast immer tiefer in die Bank hinein.
„Es geht vorbei“, durchbrach er die Stille. „In ein paar Monaten werden sie im Arm eines anderen liegen und darüber lachen.“
Stumm schüttelte Theresa den Kopf. Was wusste er schon von Liebe? Wer nachts durch die Straßen fuhr, statt bei seiner Familie zu sein, konnte wirklich nicht viel Ahnung davon haben.
Sie war sich sicher, nie wieder würde sie lieben können, nie wieder unbeschwert lachen. Überhaupt würde sie nie wieder glücklich sein können.
Endlich waren sie vor Luisas Haus angekommen. Mit tränenverschmiertem Gesicht bezahlte sie den Fahrer und hievte sich aus dem Wagen. In Luisas Wohnung brannte Licht. Sie hatte also ihre SMS, dass etwas Schreckliches passiert war, bekommen und erwartete sie nun.
„Verdammter Altbau“, keuchte Theresa, als sie die Treppe in den dritten Stock hochstieg. Luisa stand bereits am Treppenabsatz, um sie in Empfang zu nehmen.
„Was ist denn los, Schatz?“, fragte sie bestürzt, als sie Theresa die letzten Stufen hinaufsteigen sah. Ich hätte sie doch nachhause begleiten sollen, dachte sich Luisa erschrocken. Theresa sah aus, als wäre sie gerade einem schrecklichen Verbrechen zum Opfer gefallen. Mütterlich nahm sie ihre verstörte Freundin in den Arm und führte sie in die Wohnung.
„Der, …“, schluchzte Theresa auf. „… der Mistkerl … betrügt mich. Seit Monaten schon … mit der Sekretöse.“
Luisa fiel die Kinnlade herunter. Sie hatte ja mit Vielem gerechnet, aber nicht mit so etwas. Ihr fiel in diesem Moment absolut nichts ein, was sie hätte darauf sagen können. Selbst eine ihrer Lebensweisheiten wie, Liebeskummer lohnt nicht, oder der Schmerz geht vorbei, wären jetzt sicherlich wenig hilfreich.
Minutenlang ließ Theresa ihren Tränen freien Lauf, und Luisa ließ sie weinen. Erst einige Minuten später fand Theresa ihre Sprache wieder und erzählte, was vorgefallen war. „Was soll ich denn jetzt bloß tun?“, fragte sie an Luisas Schulter gelehnt, während ihr langsam der Rotz aus der Nase lief.
„Was schon? Du bleibst erst mal bei mir“, erklärte Luisa etwas pikiert, als sie bemerkte, was außer Tränenflüssigkeit noch so an ihrem Shirt klebte. Schnell reichte sie Theresa ein Taschentuch. „Morgen ist ein neuer Tag, und dann sehen wir weiter.“
Danach richtete Luisa die Couch für die Nacht und schob die weinende Theresa unter die Decke. Sanft wiegte sie ihre Freundin im Arm, und Theresa nahm dankbar die wohltuende Fürsorge an.
Kapitel 9
„Was für ein wundervoller Morgen“, tönte Luisa. Fröhlich riss sie die Vorhänge auf und öffnete das Fenster. Wie vermutet, lag ein herrlicher Frühlingstag vor ihnen, dennoch waren die Nächte noch leidlich kalt, und ein eisiger Luftstrom ließ Theresa die Decke höher ziehen.
Aus verquollenen Augen starrte sie ihre Freundin ungläubig an. Das war doch nicht wirklich ihr Ernst, dass sie hier fröhlich durchs Zimmer hüpfte, während sie im Kummer versank. Die halbe Nacht war sie wachgelegen und hatte über ihr Leben nachgedacht.
Was hatte sie eigentlich bisher erreicht?
Nichts!
Warum war sie mit Luisa einen trinken gegangen?
Keine Ahnung!
Warum