Das Paradies ist zu Ende. Louis Lautr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Louis Lautr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742724182
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gepetzt hatte. Schwester Irmgard saß in einem Sessel auf einem dicken Kissen, sicher tat ihr Hintern weh. Sie fragte mich und blickte mir in die Augen. Ich hatte früh gelernt zu lügen, ohne rot zu werden und konnte Menschen dabei in die Augen sehen. Gleichzeitig konnte ich rasch Ausreden und Geschichten erfinden. Bei der Befragung war bei jedem befragten Kind, die entsprechende Kindergärtnerin aus der Gruppe dabei. Deshalb stand Tante Helga neben mir und sagte: „Wenn’s einer war, no war's dr Louis, mer sott ihn solang verhaue bis er's zugibt.“ Ich fragte zunächst: „War's denn kei Hornis, i han gmeint, sie hättet gsagt, s' wär a Hornis.“ Schwester Irmgard sagte leise zu mir: „Es war ein Hufnagel, der sich durchs Kleid druckt hat.“ Ich war entsetzt und erstaunt: „Was ein Hufnagel, ja wenn a Pferd im Galopp rennt ka so en Hufnagel sogar weit durch d’ Luft fliege un in ihrer schöne Schweschtertracht hänge bleibe, on wen mer na sitzt, no hat mer‘n im Hintere.“ Ich sah wie Tante Helga grinste. Schwester Irmgard sagte: „So wars sicher nit, aber i glaub au nit, dass du ’s warsch, du bisch diesmal sicher nit Schuld. Bei dr Rosanna bin i mir nit sicher, die hat ein usichere Eidruck gmacht.“ Ich sagte: „Die wars sicher nit, i han sie an dem Morge abgholt weil se was vergesse hat.“ Tante Helga fragte: „Was hat sie vergesse.“ Ich antwortete: „I weis nit gnau mei Mutter hats eipackt on hat gsagt, brings der Rosanna, aber i glaub swar ebes von meiner Mutter für dr Rosanna ihren Vater, weil der Zahnarzt isch.“ Schwester Irmgard sagte zu Tante Helga: „Siehst du die Beiden hatten nichts damit zu tun, denn Rosanna sagte dies ebenfalls.“ „Aber“, sagte Tante Helga, „d’ Rosanna hat gsagt, sie wär zu Lautrs glaufe.“ „Schtimmt“, antwortete ich „mir hen uns ufem halbe Weg troffe.“ Tante Helga sagte zu mir: „Des tut mir leid, i hät dich fascht falsch verdächtigt, da müsst i mi ja fascht bei dir entschuldige.“ Ich nahm die Entschuldigung an und war von damals Quitt. Heimlich freute ich mich und stellte mir vor, wie unser Arzt der Schwester den Nagel aus ihrem Arsch operierte. Bei der Befragungsprozedur wurde Hartmut verdächtigt, weil er bei der Befragung stotterte. Damals wusste ich noch nicht, dass Hartmut Jahre später mein Freund würde. Ich wollte nicht, dass man ein anderes Kind bestraft und überlegte, ob ich mich melden müsste. Als Hartmuts Mutter ihren Sohn abholte, wurde die Hufnagelgeschichte mit ihr besprochen, sie sagte: „Wenn mein Hartmut aufgeregt ist, stottert er immer.“ Hartmut war an dem ereignisreichen Tag nicht im Kindergarten, weil er seine Tante besuchte. Schließlich glaubten alle, der Nagel hätte zufällig auf dem Stuhl gelegen, oder sich im Kleid der Schwester verfangen. Meine Mutter würde man heute wohl als Gutmensch bezeichnen. Als sie morgens die Mutter von Rosanna traf, unterhielten sich beide Mütter über den schrecklichen Vorfall. Meine Mutter fand die Meinung der Kinderschwester absurd, sie sagte: „Frau Friedrich, ganz ehrlich, so etwas macht doch kein fünfjähriges Kind.“ Rosas Mutter war der gleichen Ansicht. Als die Mütter dies der Kinderschwester erklärten, sagte Schwester Irmgard: „Meine Helferin, d' Helga, dachte es könnte ein Kind gewesen sein, deshalb ging ich dem Verdacht nach.“ Bei den Gesprächen und Gerüchten die über den Vorfall geäußert wurden, stand ich oft neben Rosanna. Wir sahen dabei immer sehr unschuldig aus, wenn wir alleine waren sahen wir uns um, ob niemand in der Nähe war, dann nahm Rosanna meine Hand und sagte: „Bloß mir zwei wisset, wie es wirklich war. Wenn i schpäter zur Beichte muss, han i den Hufnagel vergesse. Es bleibt immer unser Geheimnis.“ Ich sah Rosanna dankbar an und sagte: „Du bisch 's tollschte Mädle, des i kenn un i verschprech dir, i helf dir immer, wenn du mi brauchsch, du bisch nit nur toll, du bisch au s' schönschte Mädle vom Kindergarte, un vom ganze Dorf oder sogar von dr ganze Welt.“ Rosa sah mich an und fragte: „Glaubsch du des, oder sagsch du's nur so?“ „Rosa“, sagte ich und gab ihr meine Hand, „Ehrewort, des glaub i, un des isch au so, i han no nie a schöners Mädle gseh.“ Rosa lächelte, nahm meine Hand und fragte: „Ha Louis, dei Ehrewort glaub i dir, denksch du, dass andre Leut des au meinet?“ „Rosanna“, antwortete ich, „des sehet älle Leut, weil du au so a schöne Mutter hasch.“ Tante Helga fragte: „Was schwätzet ihr zwei, denn grad?“ Ich antwortete: „I han dr Rosanna gsagt, sie wär's schönste Mädle vom Dorf.“ Helga lachte laut und sagte: „Solche Komplimente machsch du scho, aber du hasch recht, d' Rosanna isch wirklich a schös Mädle.“

      Jeden Morgen pinkelte ich zu Hause bevor ich in Kindergarten ging, trotzdem musste ich, da wir im Kindergarten Tee tranken, oft erneut pinkeln. Ich versuchte mich heimlich davonzuschleichen, um zu pinkeln, was mir selten gelang. Ich ließ von Tante Helga meinen Penis beim Pinkeln halten und schämte mich. Ich wusste nie, ob Tante Helga etwas ungeschickt war, oder ob sie absichtlich an meinem Penis zog. Ich erzählte es meiner Mutter, die mir erklärte: „Louis, Tante Helga schlägt Kinder nur aus erzieherischen Gründen. Erwachsene bestrafen Kinder ungern, Kinder müssen erzogen werden, deshalb sind schmerzhafte Strafen notwendig. Um dir Schläge zu ersparen, hält Tante Helga beim Pinkeln dein Sprenzerle.“ Ich antwortete: „Ich geniere und schäme mich, wenn Tante Helga mein Sprenzerle in ihr Hand nimmt.“ Meine Mutter lächelte und sagte: „Das musst du nicht, dein Sprenzerle ist für Tante Helga nicht wichtig, sie zieht und drückt dich nicht absichtlich. Manche Buben können noch nicht richtig pinkeln, deshalb hält Tante Helga dein Sprenzerle.“ Prügelstrafen mussten alle Kinder, bei geringstem Ungehorsam, oder bei einer Unachtsamkeit, erdulden. Das Putzen der stinkenden Toilette, die damals noch keine Wasserspülung hatten gehörte zu üblichen Strafen. Alma, ein Mädchen aus meiner Gruppe, musste ebenfalls die Toilette mit einem schmutzigen Lappen putzen. Als sie sich erbrach wurde sie im Strafraum von Tante Helga bestraft. Sie kam verheult aus dem Strafraum zurück. Einige Kinder weinten, wenn ihre Eltern sie zum Kindergarten brachten. Die meisten Eltern glaubten damals, dass man durch körperliche Bestrafungen den Kindern Zucht und Ordnung beibringen würde. Oft bestrafte Tante Helga mit Schwester Irmgard, auch Kinder, die nicht aus ihrer Gruppe waren. Ich hörte, als Schwester Irmgard einer Mutter sagte: „Manche Kindertanten haben Mitleid mit Kindern und können deshalb keine Bestrafungen durchführen.“ Wenn meine Mutter mich in Kindergarten brachte, umarmte mich Tante Helga und drückte mich an sich. Meine Mutter fand Tante Helga sehr nett und sagte es ihr. Obwohl sie mich manchmal bestrafte, sagte ich: „Tante Helga, du gefällst mir und ich mag dich auch.“ Mit meiner Schwester ging ich oft und gerne einkaufen. Sie sagte: „Louis, ich unterhalte mich gerne mit dir. In den Läden müssen wir nicht so lange warten, wenn du jammerst und weinst, lassen uns Erwachsene oft vor. Es gefällt mir, weil Erwachsene dich so nett finden und nicht wissen, wie frech du manchmal bist.“ Ich erzählte meiner Schwester: „Tante Helga sieht sehr nett aus, es gefällt mir, wenn sie mich an sich drückt, weil ich sie gerne rieche. Dörte es ist komisch, ich glaube, dass Tante Helga mich gerne bestraft, obwohl sie mich mag.“ Da meine Mutter mich nicht verstand, redete ich mit meiner Schwester. Meine Schwester fand meine Fragen lustig und sagte: „Tante Helga mag dich, weil du ein netter Lausbub bist und obwohl sie dich mag, bestraft sie dich. Ich glaube nicht, dass es ihr gefällt. Aber es ist sicher schöner, ein nettes Kind zu bestrafen, als ein hässliches.“ Ich fragte: „Dörte, glaubst du, dass sie deshalb auch Rosanna bestraft, weil sie s'schönste Mädle isch?“ Meine Schwester lachte und fragte: „Gefällt dir Rosanna?“ Ich erklärte meiner Schwester, warum mir Rosanna gefiel und fragte: „Ich kann aber nicht verstehen, warum man schöne Kinder bestraft, wenn sie nichts getan haben.“ Meine Schwester sagte: „Rosanna und du werden sicher nicht grundlos bestraft.“ Ich bemerkte, dass mir wohl niemand die Wahrheit glauben würde und überlegte, warum Tante Helga lügen würde, um Kinder zu bestrafen. Wenn die Kinderschwester nicht anwesend war, erzählte Tante Helga was Kinder aus ihrer Gruppe angestellt hätten. Obwohl Rosanna neben mir spielte, erzählte Helga, sie hätte mit der Schere den Stoff eines Kissens zerschnitten. Ich sagte: „Es kann nicht sein, weil Rosanna mit mir gemalt hat.“ Rosanna wurde von Tante Helga bestraft und kam danach weinend aus dem Strafraum. Ich konnte mir nicht erklären, warum Tante Helga gelogen hatte. Ich erinnere mich an einen schwarzen Tag, der sich in mein Gedächtnis eingebrannt hatte. Als wir mit Kreide auf der großen schwarzen Tafel an der Wand in unserer Gruppe ein gemeinsames Bild malen durften und die Kinderschwester zurückkam, fragte sie: „Wer hat an der Wand mit roter Kreide einen Strich gemalt?“ Wir sahen an die Wand und entdeckten einen roten Kreidestrich. Tante Helga sagte sofort: „Es war dr Louis.“ Ich sagte: „Ich war gar nicht an dieser Wand, ich habe mich sehr gefreut , mit Kreide an der Tafel zusammen mit Rosa ein Bild zu malen. Ich hatte die rote Kreide nicht mal in der Hand.“ Ich wollte meine Hand hochhebe, als mich Tante Helga an der rechten Hand zu dem roten Strich zerrte und allen meine rechte Hand zeigte, sie war rot