Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen. Christine Feichtinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Feichtinger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738079692
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Schwert alle vernichten, sodass jeder im Dorf munkelte, der Toni wäre der Brandstifter gewesen.

      Fortan musste Karl jedes Mal, wenn Toni ihm die heimlichen Geschehnisse der Nacht anvertraute, ihm das Versprechen geben, ihn ja nicht zu verraten. Karl stand viele Ängste um Toni aus. Wie oft zitterte er, ob er wieder gesund heimkommen würde. Jedes Mal, wenn Toni vom Heuboden auf der Leiter hinunterstieg, rief Karl ihm nach, er solle auf sich aufpassen und gesund wieder kommen.

      Nur in Liebesdingen war Toni verschlossen. Eines Abends, als Karl allein war und schon eingeschlafen war, war er erschrocken aufgewacht als er hörte, wie jemand die Leiter zu ihm hinaufkrallte (stieg). Verwundert darüber, dass Toni schon da war, rief er verschlafen: „Toni, bist du schon da?“ Als keine Antwort kam, fühlte er leise Schritte auf sich zukommen und eine Frauenstimme antwortete: „Toni, bist du allein?“ „Wer ist da?“, fragte er erschrocken, auf einmal hellwach. „Wir machen es uns jetzt schön, ich habe mich mit der gʼschmeckerten (gut riechenden) Soaft (Seife) aus Amerika eingeseift, riech einmal, wie gut ich schmecke. Weißt du zu mir kommen immer bessere, gschmeckerte Herren für eine schöne Zeit, die haben mir die Seife gebracht“, flötete die Unbekannte mit süßer, hoher verstellter Stimme, als würde sie zu einem Kind sprechen. Sogleich nahm sie Karls Hand und führte sie zwischen ihre schwammigen, dicken Oberschenkel. Ihr warmer Körper schmiegte sich an ihn. Diese unbekannte Frau voller Wollust begann ihn im Dunkeln zu streicheln und flüsterte ihm zärtliche Worte zu.

      Erfahren als seine Lehrmeisterin nahm sie von Karl, im Schutz der Dunkelheit stellvertretend für Toni, Gebrauch, ohne dass er sich rühren traute, geschweige sich wehren konnte vor lauter Erschrockenheit. In Liebesdingen war er gänzlich unerfahren. Er hatte immer gedacht, dass er sein erstes und letztes Liebesabenteuer nur mit Martha haben würde. Und plötzlich küsste ihn diese Unbekannte, stürmisch und leidenschaftlich. Wie zwei Tiere im Dunkeln, einander fremd, gab Karl bald seinen Widerstand auf und ließ sich verführen. Beim Abschied flüsterte sie ihm verschwörerisch zu, er solle sie ja nicht verraten, denn sie sei verheiratet, habe Kinder und wolle ihre Ehe nicht gefährden und ihre Ehre nicht verlieren. Sie wolle ihn bald wieder besuchen.

      In dieser Nacht konnte er nicht schlafen. Wer war diese Frau? War es jene geheimnisvolle, unersättliche Frau, die von den Männern des Dorfes verächtlich als „die Frau mit der weißen Leber“ bezeichnet wurde, wie er schon öfters aufgeschnappt hatte. Im gleichen Augenblick fühlte sich Karl schuldig, Toni quasi betrogen und um sein Vergnügen gebracht zu haben. Seine Mutter staunte nicht schlecht, als er am nächsten Morgen den Futterdämpfer einheizte, um sich mit dem erwärmten Wasser sein schlechtes Gewissen ob seiner Untreue gegenüber Martha und seiner Sünde im Bottich abzuwaschen.

      Von nun an hatte Karl nicht nur Angst, Toni würde verletzt oder gar nicht heimkommen, sondern auch deswegen, von dieser liebeshungrigen Frau heimgesucht und von Toni erwischt zu werden.

      So wartete Karl schlaflos mit klopfenden Herzen bei jedem Geräusch jede Nacht auf Toni, um künftig sein Kommen nicht zu verschlafen. Denn nach diesem Vorfall hatte er mit Toni ausgemacht, dass er die Leiter hinaufziehen werde und dann, wenn Toni heimkam und wie ein Vogel als heimliches Zeichen pfiff, ihm die Leiter hinunterreichen würde.

      Schon am nächsten Abend hörte Karl wieder ein flehentliches Flüstern: „Toni lass mich zu dir kommen.“ Toni rührte sich nicht und als Karl ihn am nächsten Tag darauf ansprach, sagte Toni nur: „Das macht nichts, die Depperte geht zum nächsten Heuboden.“

      Karl überlegte kurz, ob Toni gewusst hätte, wenn er ihn gefragt hätte, wer diese Frau war. Wie gerne hätte er ihn gefragt. Aber Toni war schon so lange weg. Wie lange hatte er ihn nicht mehr gesehen?

      Im nächsten Moment nahm Karl das Bild von Irene und schaute es an. Sofort erwachten seine Gefühle für Irene. Wie oft schon tröstete er sich mit ihrem Bild und verehrte es wie ein Götzenbild. Seine Erinnerungen und sein Verlangen nach ihr überwältigten ihn, wenn er an ihre eng aneinander gekuschelten Körper und ihre Küsse dachte. Seine Sehnsucht nach ihr ließ sein Blut aufwallen und sein Herz pochte wie wild voller Begierde.

      Als Karl kurz darauf aus dem Fenster sah, freute er sich, denn er sah den Nachbarn ihres Weingartens, den Steffl-Watschi, beim Rebschnitt.

      Er erinnerte sich, wie er als neunjähriger Bub beim Steffl-Watschi im Dienst war.

      An seinem ersten Arbeitstag im Dienst musste Karl mit einem Stock neben der im Freien aufgelegten Leinwand stehen, um die Gänse und Hühner wegzujagen, damit sie den Stoff nicht verunreinigten.

      Die Bauern bauten den Hoarlinsert (Flachs) an und verarbeiteten den eigenen Flachsanbau. Sie rissen den Flachs aus und trockneten ihn in Bündeln auf dem Feld. Die Frauen brechelten den Flachs im Winter, kämmten ihn, spannen mit dem Spinnrad das Garn, trugen das Garn zum Weber und die dadurch gewonnene Leinwand begossen sie und legten diesen kratzenden Stoff zum Bleichen im Freien in die Sonne. Aus dem Material fertigten sie Handtücher, Geschirrtücher, Hemden und andere Kleidungsstücke an.

      Karl half bei den Stallarbeiten, bei den Feld-, Weingärten- und Waldarbeiten. Ebenso half er beim Anschirren der Tiere vor der Ausfuhr auf die Felder und Wiesen, verjagte im Freien die Bremsen und sonstigen Insekten von den Tieren, half bei der Heimkehr, die Tiere zu wassern, wobei die Tiere zum Uisch (Wassertrog) im Hof geführt wurden, wo mit einem an einer Kurbel befestigten Amper (Blechkübel) Wasser vom Brunnen heraufgehoben und in den Wassertrog geschüttet wurde. Oder er schüttete das Wasser in ein Wasserschaff, gab den Wasserprügel zwischen die Henkel des Wasserschaffes, und zu zweit trugen sie das Wasser zum Wassern (Tränken) der Tiere in den Stall. Beim Klebn- (Huf-)Ausputzen und -Schneiden half er die Hufe zu halten. Immer, wenn sich eine Kuh in die Klebn etwas eingetreten hatte, die Hufe eiterten und mehrere Hufe betroffen waren, musste die Kuh auf einem Gestell befestigt und aufgehoben werden, damit der Klebnputzer des Dorfes die Hufe reinigen und schneiden konnte. Daher mussten die Dienstbuben die Hufe aufhalten.

      Beim Zuilossn (Belegen) der Kühe beim Gemeindestier, wohin jede Kuh zum Belegen gebracht wurde, stand Karl vorne beim Zaumzeug, damit das Tiere still hielt, und massierte mit der Goasl (Peitsche) leicht den Rücken, damit die Kuh den Rücken zur leichteren Empfängnis krümmte. Er wachte, wenn die Schweine und Kühe ausschütteten (Junge bekamen), ganze Nächte in den Ställen, um aufzupassen, dass die kleinen Farl (Ferkel) nicht erdrückt werden beziehungsweise massierte das kleine, neugeborene Kalb mit Stroh und Heu, damit der Kreislauf angeregt wurde. Ebenso massierte er die Tiere mit Stroh oder Heu, wenn sie Blähungen hatten. Die Dienstbuben halfen in den vielen Winternächten Kern ausschlagen (Kürbiskerne schälen), trugen die getrockneten Kürbiskerne zum Kernausschlager und brachten in einer Kanne das Kernöl und in einem Korb auf dem Kopf den Abfall (Kuchen) für das Verfüttern der Kühe heim.

      Das Leder des Zaumzeugs rieb Karl mit der Schmer (Fett) ein, damit es nicht brüchig wurde, das Kummet mit Lederöl, um es winterfest zu machen. Das Aluminium putzte er mit Sidol, sodass es glänzte.

      Die Dienstbuben putzten jeden Tag Kühe und Rösser, nur am heiligen Christtag, Pfingstsonntag, Ostersonntag nicht. Dienstbuben gingen an den kirchlichen Feiertagen und an kleinen Bauernfeiertagen, am 2. Feber zu Maria Lichtmess (Kerzenumzug und Dienstbotenwechsel), 3. Feber Blasiustag (Blasiussegen der vor Halsweh schützt), 17. März Patrizitag, 4. Mai Tag des hl. Florian, 8. und 13. Juni hl. Antonius und hl. Patrizius, Schutzpatrone für Wirtschaft und Vieh in die Kirche und machten nur die Stallarbeit, auf den Feldern wurde nicht gearbeitet.

      An diesen heiligen Tagen mussten sie den Stall nicht ausmisten, sondern brauchten nur Stroh über das alte verschmutzte Stroh geben, welches einen Tag vorher bereitgestellt worden war, um an diesen Tagen nur das Notwendigste zu arbeiten. Auch im Haus wurde nur das Notwendigste getan. Nicht einmal die Küche wurde an diesen heiligen Tagen ausgekehrt.

      Die Dienstbuben schliefen im Winter in den warmen Ställen und im Sommer auf den Heuböden oder Futterkammern der Bauern und bekamen Kost und Quartier. Zum Essen in der Früh wurde mit Brot eingebröckelter Malzkaffee verzehrt, mittags gab es von der für alle in der Tischmitte stehenden Rein, und abends bekamen die Buben ein Stück Brot, wenn sie in die Küche kamen. Einige Dienstbuben waren nur über