Aber ein Weib bot auch seine Vorzüge, wie Hemrenus durchaus eingestand. Irgendwann würde er in einem der umliegenden Dörfer Ausschau halten, aber das hatte Zeit und eilte nicht. Zudem würde es nicht leicht werden, eine Frau für seinen Hornviehhof zu finden. Auch wenn er und seine beiden Gehilfen sich um das Hornvieh kümmerten und es versorgten, so gab es im Haus und den beiden anderen Gebäuden doch stets reichlich zu tun. Nun, vieles davon war nicht ganz so dringlich. Aber es musste ein Weib sein, welches keine Arbeit scheute und welches damit zufrieden war, dass er nicht gerade das Aussehen eines Gardekavalleristen hatte. Er war groß und hager, und seine Nase und die Ohren galten als recht ausgeprägt. Was, Hemrenus’ fester Überzeugung nach, auch Vorteile mit sich brachte, denn sein Gehör und sein Geruchssinn waren ausgezeichnet.
Er schlang ein hastiges Frühstück hinunter, stopfte etwas Brot, Trockenfrüchte und Käse in seinen Brotbeutel und trat dann vor das Haus. Am Ziehbrunnen vorbei sah er die kleine Hütte, die seinen Gehilfen als Unterkunft diente. Seit dem vorletzten Winter stand dort ein Metallofen, da seine Männer über die Kälte geklagt hatten. Es fiel Hemrenus nicht leicht, Gehilfen zu finden, und so tätigte er die Anschaffung, obwohl er sich sagte, dass seine Leute genug goldene Schüsselchen erhielten, um sich ausreichend warme Bekleidung leisten zu können. Einer der Männer bereitete ihm ein wenig Sorgen. Der Mann schien mit einer Frau aus dem nahen Dorf anzubandeln, und dies konnte für Hemrenus Probleme bedeuten. Entweder zog der Mann ins Dorf und ihm ging ein Gehilfe verloren, oder die Frau wollte auf den Hof ziehen, und dann musste eine größere Hütte gebaut werden. Schließlich hatte ein Paar Anspruch auf ein eigenes Heim. Diese Vorstellung ließ Hemrenus abgrundtief seufzen, denn dann würde er noch einen zweiten Ofen beschaffen müssen.
Er blickte über den kleinen Hof, um sich zu vergewissern, dass alles seine Ordnung hatte. Neben seinem bescheidenen Wohnhaus, und der noch bescheideneren Unterkunft seiner Gehilfen, bestand die Anlage aus der großen Vorratsscheune, einem Lagerschuppen und dem Ziehbrunnen. Alles war vor wenigen Jahren hastig erbaut worden, denn Hemrenus war erst im Spätherbst in die Ostprovinz gekommen, und der Winter hatte damals kurz bevor gestanden. Die Dorfbewohner hatten ihm bereitwillig geholfen, denn die Menschen in den Provinzen wussten, dass sie aufeinander angewiesen waren. Damals riet man Hemrenus, sich mehr Zeit zu nehmen und das frisch geschlagene Holz zu schälen und eine Weile zu lagern, doch er hatte nicht auf den gut gemeinten Rat gehört. Inzwischen musste er akzeptieren, dass dies ein Fehler gewesen war. Die verarbeiteten Balken und Bohlen trockneten und verzogen sich dabei. In den Wänden der Gebäude waren Fugen entstanden, durch die der kalte Wind des Winters eingedrungen war. Die Ritzen wurden provisorisch mit Moos und Erde gestopft, aber Hemrenus wusste, dass dies nur ein Behelf war. Vor dem kommenden Winter war manche Ausbesserung erforderlich.
Die beiden Gehilfen, zwei Brüder, die wie Hemrenus dem Aufruf des Königs gefolgt waren, standen unter dem Vordach ihrer Unterkunft und sahen ihm entgegen. Ursprünglich waren es drei Helfer gewesen, doch einer von ihnen hatte zu einem Getreidefarmer gewechselt, bei dem er bessere Bedingungen vorgefunden hatte. Hemrenus empfand das Verhalten des Mannes als undankbar, hatte den beiden anderen aber vorsichtshalber den Lohn ein wenig erhöht. Sie schienen zufrieden und arbeiteten gut. Wenn nur der eine nicht derart diesem Weib hinterhersteigen würde …
„Wir haben den Käfer“, sagte einer der Brüder anstelle eines Morgengrußes. Er deutete auf einen Stützpfosten des Daches und klopfte leicht dagegen. „Das Holz ist voll davon.“
„Den Käfer?“ Hemrenus´ Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Bei den Finsteren Abgründen, das fehlte uns noch. Wirklich der Käfer?“
„Wie ich es sage“, bestätigte der Gehilfe. Erneut klopfte er gegen das Holz. „Man hätte das Holz von der Rinde befreien sollen, bevor man es verbaute, dann wäre der Käfer nicht hineingegangen.“
Hemrenus überhörte den leichten Vorwurf, der mit den Worten anklang, und trat dicht an den Pfosten. Die Rinde war rissig und hatte sich stellenweise gelöst. Er zupfte ein Stück davon ab und fand die Worte des Mannes bestätigt. Die Löcher und Fressgänge der Holzkäfer waren nicht zu übersehen. „Verdammt.“
„Spätestens zum Herbst wird die Hütte zusammenfallen“, stellte der andere Gehilfe schonungslos fest. „Und das gilt wohl auch für die anderen Gebäude.“ Er wippte leicht auf den Fersen. „Sind ja alle aus dem gleichen Holz und alle nicht geschält worden.“
Hemrenus erblasste ein wenig. Der Gehilfe hatte recht. Er hätte wirklich auf den Rat der Dorfbewohner hören sollen. Wenn er Pech hatte, waren tatsächlich alle Gebäude befallen, und dann hatte es keinen Zweck, einzelne Bohlen und Balken auszutauschen. Dann musste alles abgerissen und verbrannt, und natürlich neu gebaut werden. Das würde ihn eine ansehnliche Summe goldener Schüsselchen kosten, denn diesmal würden sich die Dorfbewohner für die Arbeit entlohnen lassen. Wenigstens entstanden keine Kosten für das Holz, welches es ja in der Gegend reichlich gab.
„Nun, äh, ich werde bei Gelegenheit mit dem Ältesten des Dorfes sprechen“, seufzte Hemrenus.
„Ihr solltet das nicht auf das lange Holz schieben“, meinte der ältere Bruder. „Wenn Ihr damit bis zum Sommer oder zum Herbst wartet, treibt das den Lohn für die Arbeit nach oben.“ Er sah Hemrenus’ unsicheren Blick und seufzte nun seinerseits. „Im Sommer ist die erste Ernte und im Herbst muss Wintervorrat angelegt werden. Da haben die Leute selber genug Arbeit. Wenn Ihr dann ihre Hilfe wollt, werdet Ihr schon ein paar Schüsselchen hinlegen müssen.“
„Ja, mag sein“, knurrte der Hornviehzüchter verdrießlich. „Ich werde besser bald mit dem Ältesten reden.“ Der Morgen hatte so gut begonnen, mit strahlendem Sonnenschein und dem fröhlichen Gesang der Buntflügler, und er wollte sich den Tag nicht durch von Käfern zerfressenes Holz verderben lassen. Hemrenus atmete tief durch, klatschte munter in die Hände und sah die Männer auffordernd an. „Doch heute haben wir anderes Tagwerk zu verrichten. Der Zaun auf der Nordweide muss geflickt werden.“
„Ich dachte, wir sammeln heute das Winterfell?“, warf der ältere Gehilfe ein. „Wenn wir zu lange warten, dann verdirbt es. Sobald es abfällt und verunreinigt wird, zahlen die Händler weit weniger, und Ihr wisst ja, aus dem Fell lässt sich gute Winterkleidung herstellen.“
Das Hornvieh, welches Hemrenus auf seinem Hof züchtete, mochte sich inzwischen an das Leben zwischen Zäunen gewöhnt haben, doch es handelte sich noch immer um die typischen Wildvieh, welche die Ebenen des Reiches Alnoa bevölkerten. Ein großer Bulle war ein wenig kleiner als ein durchschnittliches Pferd und hatte ein glattes Fell, welches in unterschiedlichen Brauntönen gemustert war. Der Kehlsack hob sich, wenigstens bei den männlichen Tieren, durch seine weiße Färbung deutlich ab. Normalerweise hing er schlaff herab, doch wenn ein Bulle in die Brunst kam oder sich aus anderem Grund erregte, dann blähte sich die Hautfalte zu einem wulstigen Ballon auf. Kühe und Bullen trugen rechts und links am Schädel zwei geschwungene Hörner, deren Spitzen, einem Schneckenhaus ähnlich, gedreht waren. Das in der warmen Jahreszeit glatte Fell wuchs im Herbst allmählich zu einer flauschigen Wolle, die das Rind im Winter warm hielt. Im Frühjahr löste sich die Winterwolle und fiel ab oder wurde an geeigneten Baumstämmen abgescheuert. Sie war als Futter für Winterbekleidung sehr beliebt, aber sie musste rechtzeitig eingesammelt werden, denn sobald sie sich mit ihren Haarwurzeln vom Rind löste, begann sie zu zerfallen. Nur wenn man die Haarwurzeln rechtzeitig abtrennte, blieb die Wolle verwendbar. Einige Züchter hatten spezielle Drahtbürsten entwickelt, mit denen man das Winterfell auskämmen konnte, bevor es abgestoßen wurde. Hemrenus’ Hornvieh