Die Glühbirne über uns war schon sehr alt und flimmerte ständig. Sie war wohl nicht richtig drinnen. Ich kletterte so gut ich mit meinem operierten Knie auch konnte an der Innenseite des Pavillons hoch und schraubte sie ein wenig fester, was im Endeffekt das Flimmern dann unterbrach, wir hatten jetzt ein gutes Licht. Ich setzte mich vorsichtig wieder neben Alph und dieser stupste mich an. Ich solle ihm mal den Rucksack geben, das Feuer sei nun gut genug. Ich verstand nicht so recht, warum das Feuer nun gut genug sei aber ich gab ihm den Rucksack rüber. Er durchsuchte diesen nach etwas Bestimmten. Ich war etwas verwundert, wusste nicht, was er suchte, doch im gleichen Moment zog er die Zigarettenstange heraus. „Du wirst doch nicht wieder das Rauchen anfangen?“, fragte ich entsetzt. Alph beruhigte mich: „Nein, sicherlich nicht! Ich werde diese Stange jetzt auspacken und dann jede der zehn Schachteln einzeln in das Bonfire werfen!“ Ich konnte nicht ganz seinen Gedanken folgen: „Wieso tust du so etwas? Dann hättest du sie doch gar nicht kaufen brauchen.“ Grandpa schüttelte kurz den Kopf während er die Stange auspackte. „Ich brauche das für mich, weißt du, es tut gut, zu sehen, dass dieses Teufelszeug dahin brennt und niemandem was antut, niemand kommt dabei zu Schaden. Ich rauche nun seit circa eineinhalb Jahren nicht mehr und jedes Quartal gönne ich es mir, eine Stange zu kaufen, um diese dann zu verbrennen. Dadurch besänftige ich mich selbst. “ Das war sehr komisch für mich, doch ich akzeptierte Alphs Sicht der Dinge, wenn ihm es guttut und uns beiden nicht schadet, meinetwegen, das Geld hätte er sich vielleicht auch sparen können und für schönere Dinge ausgeben können, aber gut. Wenn er das braucht, so seinen Zigarettenentzug zu kompensieren, so werte ich es einfach nicht, so ist er eben. Alph warf eine Packung nach der anderen in das Lagerfeuer. Die Zigarettenschachteln waren nun alle im Feuer und loderten vor sich hin, es stank nach Tabak, ekelhaft! Ich schaute Grandpa an, dieser machte nun auf mich einen total beruhigten Eindruck, er schnaufte ganz langsam und tief durch. Ich freute mich, dass es ihm guttut, auch wenn es etwas komisch war, naja egal. „Früher verbrannte man Bücher, heute Zigarettenschachteln.“, sagte ich aus dem Stehgreif heraus. Wir mussten beide richtig anfangen zu lachen. „Ja so ist das eben, Bubi. Hach ja, lass uns doch mal in dem kleinen Erinnerungsbüchchen weiter stöbern.“ Ich fand das eine gute Idee und lächelte meinen Grandpa an. Alph schnappte sich das Memories-Buch, schlug auf die nächste Seite um und deutete auf das Bild. Wohl möglich wollte er sich und mich von der Zigarettenverbrennung ablenken, aber ja, ich dachte dann nicht mehr viel über dieses Feuer nach, sondern konzentrierte mich auf die nächste Seite. Fakt ist, dass die Schachteln richtig gut brannten und uns somit auch echt gute Wärme spendeten, wenigstens ein Vorteil dieser schlimmen Dinger.
- SEITE 2 – Die frühe Kindheit
~ Unser kleiner Knopf mit seinem großen Traktor – 16.11.84 ~ Alph begann zu erzählen: „Du warst schon ein richtig verspieltes, liebes Kind. Das zeigt dieses Bild nun mal wirklich auf eine ganz einzigartige und besondere Weise. Ein fröhlicher, lächelnder kleiner Bub mit blonden Engelslöckchen sitzt auf einem kleinen, grünen Trettraktor mit einer Schaufel vorneweg und einem großen Jauchefass als Anhang hinten dran. Ich glaube sogar, dass das Bild an meinem 58. Geburtstag in Tante Simonas Yard in Wakecreek in Wisconsin geschossen wurde, du warst damals knapp vier Jahre alt und dein kleiner Tretbulldog war dein Ein und Alles.“ Ich unterbrach meinen Grandpa: „Tut mir leid, dass ich dich kurz abstoppen muss, doch ich finde, es ist sehr schwer für mich, Dinge über mich nachvollziehen zu können, die in der Kindheit geschehen sind, denn ich kann mich nun wirklich überhaupt nicht mehr daran erinnern.“ Alph lächelte mich an und schüttelte mit dem Kopf: „Ach mein lieber Bubi, das muss dir doch nicht unangenehm sein. Ich verstehe, dass es dir schwerfällt, in den Erinnerungen, welche längst vergessen sind, also eigentlich nur im Unbewussten dein Verhalten prägen, Fuß zu fassen. Aber das ist doch gar kein Problem, dafür bin ich ja da und ich kann dir einen kleinen Einblick in deine Kindheit geben.“ Mich erfreute es sehr, dass Grandpa so zutraulich und verständnisvoll meine Besorgnis aufgenommen hatte. „Auja, Gram’pa, das wäre echt total lieb von dir… Ich weiß nur noch ein paar wenige Dinge, wie zum Beispiel das Geschenk der Spielzeug-Polizeiwache von euch. Wir waren damals einfach so in der Großstadt und ich sah das Spielset mit kleinen Polizeifiguren, einer Verbrecherfigur, einem Polizeiwagen und einer Wache. Ich war sofort verliebt und ihr erfülltet mir diesen Wunsch. Es war so wundervoll, ich habe damit am allerliebsten gespielt, das weiß ich bis zum heutigen Tag noch, lieber Grandpa.“ Alph war voller Freude. „Das weiß ich sehr zu schätzen. Wir haben dir immer gerne deine Wünsche erfüllt, weil schenken macht mich zumindest glücklicher, als wenn ich das tollste Geschenk der Welt bekäme. Dieser gute Gedanke daran, dass du an dem Spiel-Set Gefallen hattest und, dass es dir Spaß bereitete, damit zu spielen, das macht mich zum glücklichsten Grandpa der Welt.“ Ihm entwich eine kleine, aber deutlich erkennbare Träne, ich nahm meinen Alph in den Arm und drückte ihn ganz fest. „Du bist auch der allerbeste Grandpa der Welt!“ Es freute ihn ersichtlich. „Mhm, Mhm, ich… ich… muss da aber auch an eine etwas andere, unschöne Erinnerung zurückblicken, welche das Bild in mir auslöst.“, meinte ich zu Alph. Er war sehr bemüht um mich. „An welche denn? Hey… ist alles okay bei dir?“, fragte er liebevoll. Ich nickte und klärte ihn gleich daraufhin auf: „Ich muss daran denken, als… als Mom mir einst sagte, ich soll ein sehr wilder Bub gewesen sein, ich war anscheinend oft böse und habe nie gespurt. War ich denn wirklich so schlimm?“, fragte ich etwas entsetzt aber auch mit innerlicher Höchstspannung auf die Antwort. Alph beruhigte mich und meinte behutsam, dass ich eigentlich kein böser oder garstiger kleiner Junge gewesen sei. „Du hast oft nicht auf Mom gehört, sie sagte etwas, doch du warst oft sehr in dein Spiel vertieft gewesen oder zeigtest kein Interesse. Doch zu mir und Grandma Beth warst du eben immer sehr zutraulich und hast auch immer auf uns gehört. Auch als kleines Kind weintest du immer, wenn dich deine Mom auf den Arm nahm, bei uns warst du still, du schliefst auch oft bei uns, es war als wärst du unser viertes Kind. Also ist es klar, dass du aus Alexas subjektiver Sicht ein anstrengendes Kind warst, jedoch nicht aus unserer!“ „Mo…Moment“, unterbrach ich Alph. „Aaaalso in unserer High-School besprachen wir in unserem Psychologiekurs auch das Thema Urvertrauen und Urmisstrauen. Dieses wird vor allem im ersten Lebensjahr durch die enge Bindung im Normalfall zwischen Mutter und Kind gebildet. Doch jetzt wird mir so einiges klar. Wo war denn Mom in meinen ersten Lebensjahren, especially im allerersten, noch so wichtigen Lebensjahr?“, fragte ich Alph rhetorisch. „Na… im Krankenhaus, sie war selten zu Hause, weil sie doch immer Chemotherapie Anwendungen und andere Torturen hinter sich bringen musste, um zu überleben.“ Meine Lippen zitterten: „Ja genau, Alph. Das ist der Punkt. Auch heute fällt es mir noch schwer, mit Mom über verschiedene Dinge zu reden. Es wird zwar immer besser, aber es wird jetzt alles immer transparenter für mich. Ich konnte kein Urvertrauen zu ihr bilden, weil sie leider nicht oft in meiner Nähe war. Dafür kann sie ja nichts, um Gottes Willen, aber es prägt mich eben im Unterbewussten, wie du auch schon gesagt hast. Klar, ihr wart damals dann meine Ersatzeltern und auch heute fühle ich mich bei dir auch sehr wohl, keine Frage, doch die Bildung des Urvertrauens zwischen Mom und mir lief schief. Es ist sehr schade, aber dadurch wird mir erst jetzt so wirklich klar, warum wir uns früher oft in die