„Nur an den Armen und ein wenig am Rücken …“
„Was heißt das?“
„Oh là là Monsieur, das heißt, was es heißt.“
„Kennst du sie schon länger?“
„Non, erst seit gestern …“
„Und schon …“
„Oui, oui, und schon ist es passiert, sie ist Halbfranzösin.“
„Und die andere Hälfte?“
„Algerien.“
„Schämst du dich gar nicht, in meinem Haus mit einer Wilden …?“
„Non, non, es war im Park. Und alle Spuren sind weg, die Büsche geradegerückt und die zerdrückten Blumen ersetzt.“
„Liebst du sie?“
„Sicherlich nicht, sie ist viel zu egoistisch und hat einen Freund in Paris, sie hat ihn seit vier Monaten nicht gesehen. Und ich habe seit Jahren keine Frau mehr haben können … und so haben sich die Spannungen übertragen, und jeder hat jetzt seine ganz persönliche Entspannung, ohne sich binden zu müssen und ohne irgendwelche Bedingungen für ein weiteres Zusammensein. Es war wie eine Orchidee, die nur eine Nacht lang blüht.“
„Ihr Franzosen mit euren Bildern.“
„Oui, oui, lieber bunte Bilder als graue Nächte. Und verstehen Sie mich bitte richtig: Sie werden jetzt Weltstar und ich darf dabei zuschauen, mehr nicht. Ich habe mir nun auch meinen Teil geholt, ich bin quasi der Staubsauger Ihres Erfolges.“
„Ich bin sprachlos.“
„Macht nix, dann kann man besser denken. Oh là là, auch ich werde nun sprachlos. Fiona kommt! Ich kann mich nicht mehr verstecken, sie hat mich gesehen. Bonjour Chérie!“
„Salut Edouard. Ton bâtard de chef doit venir, une journaliste d’une radio est là, les six questions, rien d’autre. Et vite!“
«War das nun Liebesgeflüster oder dienstlich?“
„Rein dienstlich, das hat man ja gesehen. Es war der nichtfranzösische Part in ihr. Wenn Afrikaner arbeiten müssen, investieren sie nur das unterste Minimum an Emotionen, das sieht in unseren Augen schnell unangenehm aus. Aber wenn man sie kennt und erlebt, gewöhnt man sich daran. Man darf es in keinem Fall persönlich nehmen. In einer Beziehung ist es auch nicht anders. 23 Stunden dahinvegetieren und dann die pure Explosion, … da lohnt sich das Warten. Apropos warten. Sie müssen rüber, erstes Radiointerview. Gratuliere! Soll ich Fotos machen?“
„Nein, lieber nicht, wegen meinen antiken Kleidern. Ab morgen gerne.“
„Dann schlage ich vor, dass wir uns danach bei mir treffen, ich gehe in die Stadt, organisiere den Anzug und komme mit Nachschub und einem reifen Käse zurück. Und verwechseln Sie bitte nicht die Reihenfolge der Antworten!
À toute à l’heure!“
„Oui, oui, mein kleiner Spinner.“
Paul versucht, sein neues Dasein zu realisieren
Paul, oh Paul! Du musstest uralt werden, um zum ersten Mal ein Interview im Radio zu bekommen. Ich war kaum aufgeregt, so, als hätte ich es schon tausend Mal gemacht. Und die Moderatorin war Klasse. Jung, ungeschminkt, weder tätowiert noch Löcher in der Nase, glatte, weiße Haut und große Augen, ihr Name klang türkisch. Na ja, etwas zu hohe und spitze Stimme, aber sie hat mich nie unterbrochen und immer ausreden lassen. Ob sie extra die vierte Frage vor der dritten gestellt hat, kann ich nicht beurteilen, ich jedenfalls habe die Falle schnell bemerkt und nach einer kurzen Pause, die man hoffentlich rausschneiden wird, die richtigen Antworten gegeben. Morgen im Frühmagazin zwischen sechs und acht Uhr wird es dann ausgestrahlt. Hallo, meine Eltern da oben im Himmel, ihr könnt euren Sohn dort hören! Radio One, die Frequenz werdet ihr sicher finden. Und eine schöne Stimme hätte ich auch. Das wusste ich nicht. Das letzte Mal habt ihr mir vor sechzig Jahren befohlen, leiser zu reden, weil ich viel zu laut und unangenehm schreie. Seitdem hat sich nie jemand über meine Stimmqualitäten geäußert. Und jetzt hört mich die ganze Welt. Sie hätten immer zwischen dreihundert- und vierhunderttausend Zuhörer. Gut, dass ich die nicht sehen kann, sonst hätte ich wieder mein schlimmes Lampenfieber wie damals, als ich an Muttis vierzigstem Geburtstag ein kurzes Gedicht aufgesagt habe und dabei mehr gestottert als gesprochen habe. Sie hat es mit Fassung getragen und gefunden, dass ihr Sohn sonst viel cleverer sei, aber was noch nicht ist, könne ja noch werden. Ja Mutti, es ist was aus ihm geworden!
„Gut, dass Sie so schnell zurück sind! Haben Sie einen Anzug dabei?“
„Aber Monsieur, Sie haben schon Starallüren. Ich bin zwar schnell, wenn es sein muss, aber zaubern kann auch ich nicht. Noch nicht.“
„Sie haben doch etwas von ‚französischer Art‘ gesprochen - na?“
„À la française heißt in diesem Fall, dass ich bei Tati, drüben in Frankreich, zwei billige identische Anzüge gekauft habe. Eine Freundin von mir macht daraus mit Dehnen und Strecken und was weiß ich noch alles, einen topmodischen neuen Anzug, der allen Ansprüchen entspricht. Die Vorlage hat sie aus dem Internet geklaut, ich garantiere für die Aktualität im Pariser Chic. Und wenn Sie zufrieden sind, macht sie mit edlerem Stoff bis übermorgen den nächsten.“
„Dann aber vier Stück bitte!“
„Wieso vier? Das ist doch Geld zum Fenster rausgeworfen, ein zweiter genügt, ich kaufe lieber für das gesparte Geld 48 Flaschen Madiran. Moment mal, ich rechne nach: Das wären mindestens achtzig Flaschen! Formidable, fast ein ganzer Weinkeller …“
„Es bleibt bei vier Anzügen, zwei für mich, zwei für Raoul, wir müssen auch gleich aussehen.“
„Oui Monsieur, Sie genehmigen die Mittel, also wird es auch so sein.“
„Und dann noch eine Bitte: Die Radioreporterin hatte eine wunderschöne, vornehm wirkende Moderationskarte, schwarzer Untergrund und in großen Goldbuchstaben „Radio One“. Können Sie so was auch für mich machen? Sie haben doch hier alles stehen, Computer, Laptop, Drucker. Und vielleicht wieder à la française. Bis morgen Mittag, damit ich sie in der Fernsehsendung schon benutzen kann.“
„Mais oui, so etwas mache ich gerne! Was soll denn draufstehen?“
„Paul, der … äh … Klongeber …“
„Doof, das klingt nach göttlichem Wesen, und ein neues ungewohntes Wort ist es auch. Nächster Vorschlag bitte!“
„Also, … Paul, der … Vater von …“
„Dann hätten Sie mit sich selbst geschlafen …“
„Paul, der … - ich habe keine Idee mehr, es muss etwas Besonderes und Auffallendes sein, etwas, was man sich sofort merken kann. Etwa: ‚Brille - Fielmann‘ oder ‚Nichts ist unmöglich - Toyota‘… oder …“
„… Madiran, der Ideengeber. Ja, das ist eine gute Idee. Ich hole gleich zwei davon.“
„Eine Flasche genügt. Morgen müssen wir fit aussehen.“
„Reine Vorsichtsmaßnahme, ein leichtes ‚Plopp‘ und wir werden sehen, wie die Gedanken sprudeln. Zum Wohl, Monsieur! Ich bin zwar der Jüngere, trotzdem schlage ich vor, dass wir ab sofort immer ‚Du‘ zueinander sagen, konsequent immer, nicht wie bisher am nächsten Morgen wieder ‚Sie‘!“
„Wenn’s sein muss! Zum Wohl, Du!“
„Zum Wohl, Paul! Und à la française soll auch gelten. Wer versehentlich ‚Sie‘ sagt, muss auf der Stelle sein Glas leer trinken!“
„So etwas passiert mir nicht, ich habe mich immer in Kontrolle.“
„Also, an die Arbeit. Was schlägst Du vor?“
„Der Wein wirkt noch nicht. Zum Wohl! Aha, was hältst