Vater und Klon. Wolf Buchinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wolf Buchinger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742780416
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reinlassen! Und besorge alle Sorten von Getränken, die du dann hier im Wohnzimmer drapierst!“

      „Très bien, oh, Monsieur kann Französisch!“

      „A toute à l’heure!“

      „Okay.“

      Und jetzt ab in die Dusche, nein, erst die Kleider aussuchen. Was zieht man zu einem solch epochalen Ereignis an? Der Smoking – nö, das ist kein Festanlass, sie wollen mich sehen wie ich bin. T-Shirt – nö, ein Millionär zieht so was nicht an, also …, also, eine dunkle Hose und ein schickes Hemd, hell oder dunkel? Mein Gott, die letzte Kleidung habe ich vor zwanzig Jahren gekauft, was ist heute eigentlich chic? Und das Jackett sieht aus wie aus dem Brockenhaus, Edouard legt Wert auf Kleidung, er kauft bei Tati und sieht immer gut aus. Fazit: Ich habe nichts anzuziehen! Jetzt bekomme ich die Quittung für mein abstruses, zurückgezogenes Leben.

      Okay, dann blamiere ich mich halt und gehe ganz salopp mit Hose und Hemd raus, egal wie ältlich ich damit aussehe. Oh nein, Schuhe brauche ich auch noch. Sind spitze mit zweifarbigem Nappaleder modern? Manchmal wiederholt sich ja die Mode, weil den Machern nichts mehr einfällt. Vielleicht sind wenigstens die Socken gleichgeblieben, tristes Schwarz passt hoffentlich immer noch. Morgen muss ich mir einiges mit einer Modeberaterin kaufen, für einen neuen modernen Paul, in drei Varianten: kleines Schwarzes, großes Schwarzes, alles dreifach, wer weiß, vielleicht kommen mehrere TV-Teams oder ich bin in Talkshows zu sehen, da muss man immer was Anderes anhaben.

      Paul, werde wach, dein Leben beginnt jetzt! Also, ab in die Dusche. Bäh, neue Unterhosen wären auch mal fällig …! Oh nein, muss ich mich nackischt sehen? Das ist ja ein jämmerlicher Auftritt! Paul, wo sind deine Haare? Ein paar weiße Flöckchen noch auf der Brust – und selbst die Schamhaare sind schon grau. Und wo ist das winzige Kränchen untendrunter? Kaum zu sehen, weil Fettfalten es halb zudecken. Und die Muskeln? Wackelpudding. Und der Waschbrettbauch? Achtung, achter Monat, das Kind wird bald geboren. Gute Idee! So könnte ich mich gratis selbst klonen.

      Ich knipse jetzt das Licht aus und dusche im Dunkeln. Ach, das tut gut! Ich mache wohl erst mit meinem Klon ein Blind-Date, damit er nicht gleich erschrickt über mein Aussehen, das auch irgendwann seines sein wird. Ja, abtrocknen im Dunkeln, das tut gut. Und jetzt raus, etwas mehr Deodorant als sonst, rasieren liegt nicht drin, ein Viertagebart soll ja heute modern sein.

      Unterhemd oder nicht? Sowieso zu eng, also Unterhose, Socken, Hose, Hemd, Schuhe. Gürtel brauche ich nicht, die Hose spannt voll über den Bauch. Ein letzter Blick in den Spiegel: Na ja, den Typen lasse ich gerade noch durchgehen, könnte aber eher der Hausmeister sein. Ich höre im Wohntrakt Stimmen, das können nur die Fuzzis vom Fernsehen sein. Schön, schön, dass es endlich so weit ist, fünfzig Jahre früher wäre besser gewesen, aber hier geht es ja um höhere Werte und nicht um Glanz und Gloria. Das heißt: Gloria eigentlich schon

      Jetzt geht’s los

      Wer wagt es, an meine Badezimmertür zu klopfen? Das ist mein unantastbares Refugium!

      „Monsieur, ich hier, Edouard!“

      „Was soll das, du weißt doch, dass ich …“

      „Excusez Monsieur, wir haben die gleiche oder besser die selbe Größe, ich habe hier brandneue Kleider für Sie, die von Ihnen sind doch nicht mehr à la mode, ich gebe sie Ihnen bis morgen gratis. Probieren Sie sie, ich könnte vom

      Körperbau her Ihr Klon sein.“

      „Oh, du überraschst mich! Merci, Edouard!“

      Oh là là, Geschmack hat er, hellblau auf dunkelgrün, das hätte ich nie gewagt. Okay, passt! Und das Hemd, enganliegend, das trägt man wohl über der Hose und gerade noch unter dem Jackett. Passt perfekt.

      „Super, Edouard!“

      „Habe ich das Wort ‚Lohnerhöhung‘ gehört?“

      „Oh, du Halsabschneider, ja, morgen reden wir drüber.“

      „Ich freue mich schon. Die Leute vom Film sind da. Erschrecken Sie nicht, alles ist Towahobohu oder so ähnlich.“

      So, jetzt nix wie raus in den Medienrummel, geträumt und vorgestellt habe ich mir das Ganze tausend Mal, und nun ist es soweit: Paul betritt die Bretter, die die Welt bedeuten.

      „Herzlich willkommen bei mir zuhause! Hat jemand neue Möbel bestellt oder was ist hier los? Edouard, was soll das

      Gerümpel hier, wer hat die Genehmigung dazu gegeben?“

      „Darf ich vorstellen: Peter, der Regisseur, Selli an den Kameras und Fiona Maske, Script und Ton. Sie sind ein eingespieltes Team und haben schon fünf Staatsoberhäupter exklusiv interviewt.“

      „Woher weißt du das alles?“

      „Oh là là, wir haben schon bei mir unten gesessen und das gemacht, was Franzosen am besten können: Rotwein trinken, meinen neuen Madiran, ein Mix aus Carignan, Grenache und Mourvèdre, sollten Sie auch mal probieren, wir können ja meine Lohnerhöhung begießen.“

      „Darf ich mich zuerst an den Regisseur wenden? Haben Sie alles im Griff?“

      „Ja, reine Routine. All dieses Gerümpel, wie Sie es nennen, ist unser wertvolles Equipment auf dem neuesten Stand. Wir brauchen etwa drei Stunden zum Aufbau und schlagen Ihnen vor, dass wir morgen um zehn Uhr mit den Probeaufnahmen beginnen und am späteren Nachmittag fertig sein werden.“

      „Darf ich noch was sagen oder ist alles schon entschieden? Ich habe nämlich morgen schon einen Termin um zehn Uhr. Sagen wir also elf Uhr.“

      „Okay, dann dauert es halt länger.“

      „Fühlen Sie sich wie zuhause, Monsieur Edouard wird sich um Sie kümmern und alle Ihre Wünsche erfüllen. Und Frau Fiona kann hinten die Gästedusche benutzen.“

      „Pardon, Herr Paul, wir schlafen im Hotel, wo ist Ihr Problem?“

      „Das Problem sind Ihre Rosen und Gespenster, die ihre zarte Haut verdrecken.“

      „Hey Opa, das sind meine geliebten Tattoos, sie machen mich einmalig und haben alle eine wichtige Bedeutung für mich, ich kann ja in langen Ärmeln kommen, wenn Sie es wünschen.“

      „Ja, tun Sie das bitte! Na, dann viel Spaß!“

      „Stopp! Als Regisseur möchte ich Ihnen die Liste überreichen, nach der Sie morgen Frau Professor Ming befragen wird.“

      „Was, sie kommt her?“

      „Ja, aber nur elektronisch, wir schalten sie dazu. Sie selbst wirken besser, wenn Sie vorbereitet sind.“

      „Hallo, ich bin ein spontaner Typ und weiche keiner Frage aus.“

      „Sie haben noch nie vor einer Kamera gestanden, sind blutiger Anfänger und haben null Ahnung von professioneller Kommunikation. Arbeiten Sie sich durch, es lohnt sich. Wenn das Video mal eingestellt ist, rechnen wir von mehreren hunderttausend Klicks pro Tag. Frau Professor ist da sehr empfindlich.“

      „Monsieur Paul, kommen Sie, ich brate Ihnen ein blutiges Steak und dann machen wir unsere Hausaufgaben zusammen!“

      „Na, dann bis morgen um elf!“

      „Möchten Sie das Steak à point ou saignant?“

      „Merci, Edouard, ich kann kein Blut sehen, bitte ganz durchgebraten. Sollten wir nicht lieber zuerst wenigstens die Hälfte der Liste abarbeiten?“

      „Okay, aber nicht ohne einen klitzekleinen Pastis!“

      „Muss wohl sein, also runter damit!“

      „Bei uns in der Provence sagt man, dass zu viel Pastis impotent macht, no Problem, wenn man sich nun klonen lassen kann.“

      „Ihr Deutsch wird immer besser, bravo!“

      „Und flüssiger mit einem Aperitif.“

      „Also los: die erste Frage!“