„Warum schlägst du mich? Ich habe doch gar nichts getan? Das is fies!“
„He, ihr beiden Radaubrüder“, meldete sich Mary, die sich nur mit Mühe das Lachen verkneifen konnte, „soll ich jetzt das Handy ausschalten? Der Akku ist bald leer.“
„Warte noch eine Sekunde. Ich rufe kurz Sven an. Melde mich sofort wieder.“
Er kappte die Verbindung mit Mary und erreichte Sven noch in der Firma, erzählte ihm in kurzen Zügen um was es ging, worauf sich Sven sofort an die Ortung von Marys Chip machte. Binnen Sekunden konnte er Be sagen, wo sie sich im Augenblick befand. Er schlug Be vor, dass er ihn anrufen sollte, sobald sich das Signal nicht mehr fortbewegt. „Es wird irgendwo in Norwegen sein. Sie sind schon an Stavanger und Bergen vorbei, also würde ich dir einen Flug nach Trondheim vorschlagen. Da liegst du auf jeden Fall richtig. Mach’s gut Alter, wir hören.“
„Hallo Mary“, sagte er schnell, als er seine Freundin wieder an der Strippe hatte, „ich weiß jetzt, wo ihr seid und schalte die Behörden ein. Du bist auf dem Weg nach Norwegen, Sven verfolgt dein Signal, bis er weiß, wo ihr an Land geht. Dort holen wir dich dann.“
Mary, immer noch auf dem Boden sitzend, schickte eine Telefonnummer auf Be’s Handy. „Das ist die Nummer von Tom, meinem Lektor. Erzähle ihm alles, vielleicht kann er helfen, er hat eine Menge guter Kontakte. Frage ihn auch gleich über Humphrey Goles aus, er hat uns zusammengebracht. Vielleicht ist Humphrey ja doch nicht der, der er vorgibt zu sein. Wäre ja möglich, ich weiß gar nichts mehr.“
Be lief aufgeregt im Zimmer umher und würde am liebsten schon im Flugzeug sitzen. „Rafa, kannst du mir einen Flug nach Trondheim ... oh Gott, mit dem ist nichts mehr anzufangen.“ Er gab den Versuch auf, seinem sich grölend am Boden wälzenden Freund nur ansatzweise eine Aufgabe zu übertragen. Musste er eben selber buchen. Auch gut!
„Okay Mary, höre mir zu. Morgen bin ich bei dir. Egal wie. Achte solange auf dich und vertraue keinem. Wirklich keinem! Falls dein Verehrer dir heute Nacht einen Besuch abstatten sollte, schlage ich ihm den Schädel ein. Das schwöre ich dir. Lass dir irgendwas einfallen, dass du ihn loswirst. Am besten du kotzt ihn einfach an, das wirkt immer. Wir Männer hassen sowas.“
Mary lachte. „Das ist eine hervorragende Idee. Könnte glatt von mir sein.“
„Ist von dir. Habe sie mir nur ausgeliehen.“
„Was hasst ihr Männer denn sonst noch so? Gib mir mal ein paar Tipps.“
„Besoffene Frauen, oder pausenloses Gequatsche, das geht gar nicht!“
„Okay, ich lasse mir was Dummes einfallen. Das Handy schalte ich jetzt aus.“
„Du kannst mich aber jederzeit anrufen, das weißt du.“
Be fiel es sichtlich schwer, sich von Mary zu trennen, aber er musste es. Je schneller er zum Flughafen kam, desto schneller war er in Norwegen. Es würde eine sehr lange Nacht und ein noch längerer Tag für ihn werden. Aber das war egal, Hauptsache, er würde sie finden.
Mary hielt krampfhaft ihr Telefon in Händen, auch sie wollte nicht auflegen. Wiegte sie sich doch immer in Sicherheit, wenn sie mit Be verbunden war. Doch sie musste, und dann würde sie wieder alleine sein. Alleine mit einem Psycho, der nicht einzuschätzen war. Alleine mit ihren Gedanken, und nur die Sicherheit, dass Be bald kommt, ließ sie hoffen.
„Also gut“, sagte sie traurig, „legen wir auf. Ich sehe dich ja morgen. Hawaii ist zwar schön zu dieser Jahreszeit, aber Finnland würde mir auch schon genügen!“
„He, was heißt da genügen? Das ist meine Heimat und wunderschön.“
„Du Dummkopf, du weißt ganz genau, wie ich das meine – und jetzt leg endlich auf, ich schaffe das nicht.“
„Wir sehen uns morgen. Ich liebe dich!“
Schweren Herzens beendete Be das Gespräch, schnappte seine Tasche und warf wahllos Klamotten aus dem Schrank hinein. Währenddessen telefonierte er mit der Hotline der Scandinavian Airlines und machte seinen Flug nach Trondheim klar. Danach ließ er vom Concierge ein Taxi bestellen, das ihn in 15 Minuten abholen sollte. Er hatte jetzt noch etwas Zeit und beschloss, seinen Freund Rafa, der mittlerweile fürchterlich betrunken war, wieder einigermaßen herzustellen.
„Komm her, mein Lieber“, sagte er und griff ihm unter die Arme, hob ihn hoch und schleppte ihn ins Badezimmer.
„He, wer bis du denn? Und warum has du so ein großen Kopf?“
Be setzte ihn mitsamt seinem Herrengedeck und Klamotten in die Dusche und drehte das kalte Wasser an.
Zunächst verfehlte der Wasserschwall allerdings seine Wirkung. Rafa fing an zu singen und verlangte nach einem Regenschirm. „So ein scheiß Wedder, mitten im Sommer.“
Doch nach und nach bemerkte er, dass hier etwas nicht stimmte. Sein Alkoholvorhang lichtete sich zusehends und er fing an zu fluchen. „Verdammt, ist das kalt. Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank? Willst du mich umbringen?“
„Der Gedanke kam mir, ja. Aber ich war das nicht. Du wolltest ein Bad nehmen, hast nur die Wanne verfehlt.“
„Ach Quatsch, welcher Trottel setzt sich denn angezogen in die Dusche?“
Be grinste ihn an und jetzt blickte auch Rafa, dass sein Freund ihn auf den Arm nahm.
„Mein lieber Kamerad, du warst so zugedröhnt, was sollte ich denn machen. Ich muss sofort weg zum Flughafen und du liegst hier fantasierend sternhagelvoll in der Gegend herum und wirfst mit Wodka um dich“
„Ja, ja. Hab's verstanden. Wo musst du hin?“
„Das gibt’s doch nicht. Weißt du denn nichts mehr? Ich muss nach Norwegen, Mary steckt in Schwierigkeiten.“
„Nach Norwegen? Also los, gehen wir!“
Rafa stand auf, rutschte weg und verfing sich im Duschvorhang, der zusammen mit ihm samt Aufhängevorrichtung der Länge nach hinknallte.
„Du meine Güte“, Be hielt sich die Hand an die Stirn, „hast du dich verletzt?“
„Ha, ich doch nicht. Da muss schon mehr kommen wie so ein blöder Vorhang“, er lag auf dem Rücken und strampelte wie ein Maikäfer, um das lästige Plastikteil los zu werden.
Be half ihm und gemeinsam schafften sie es, ihn zu befreien. Rafa wankte ins Schlafzimmer und ließ sich aufs Bett fallen.
„Bist du noch aufnahmefähig?“ fragte ihn Be.
Aber sein Kumpel hatte schon die Augen geschlossen und schnarchte zufrieden ins Kissen.
Be lächelte ihn an, klopfte ihm auf den Rücken und verabschiedete sich, auch wenn Rafa schon im Reich der Träume war. „Mach’s gut. Du weißt, wie du mich kriegen kannst. Und gehe morgen den anderen wegen deinem Brummschädel nicht auf die Eier!“
Er ging jetzt hinunter, durch die Lobby nach draußen und stieg in das Taxi, welches sich sofort mit Vollgas in den vorabendlichen Verkehr stürzte.
Während der Fahrt rief er Tom an und erzählte ihm alles. Der fiel aus allen Wolken und bot sofort seine Hilfe an.
„Ich setzte mich gleich mit Interpol in Verbindung, dort habe ich einen sehr guten Freund. Geben sie mir bitte die Telefonnummer ihres Freundes, der den Chip orten kann. Die Spezialisten von Interpol sollen sich dann direkt mit ihm in Verbindung setzen.“
Be bedankte sich artig und war nun doch etwas beruhigter.
Am Flughafen angekommen, natürlich wieder einmal sehr knapp in der Zeit, spurtete er zum Schalter und checkte ein. Gerade noch rechtzeitig!
Die Maschine hob ab, mit Be an Bord, der fest entschlossen war, sich diesen Aderman zur Brust zur nehmen!
Unterdessen