Homo sapiens movere ~ gezähmt. R. R. Alval. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: R. R. Alval
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738097320
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Ein Löwe, der hätte Alpha sein sollen, wie sein Vater; was ihm vom Schicksal nicht vergönnt war.

      Im Allgemeinen konnte man davon ausgehen, dass, je größer und muskulöser ein Gestaltwandler in seiner menschlichen Form war, umso beeindruckender war auch seine Wer- oder Zwischengestalt.

      Natürlich bestätigten Ausnahmen die Regel.

      Alan lachte leise, während Josh wie ein aufgeplustertes Huhn quer durch den Raum tigerte. „Vergiss es. Ich kann mit Ribbert nicht zusammenarbeiten! Dieser arrogante, aufgeblasene…“ Alan verwandelte sein aufkommendes Lachen in einen dumpfen Laut, der sich knurrend aus seiner Kehle rang. „Das war kein Wunsch, Josh, sondern ein Befehl. Willst du den verweigern?“ Wut blitzte in Joshs Augen auf, die sofort dem Gehorsam gegenüber seinem Alpha erlosch. „Nein. Ich wollte nur meinen Unwillen ausdrücken. Mal ehrlich, der geht mir so was auf die Nüsse, dieser bekloppte Wolf.“ Alan nickte verständnisvoll, aber keinesfalls nachgebend. „Weiß ich. Aber sie sind unsere Verbündeten, nicht nur, was das Ritual betrifft. Abgesehen von deinem persönlichen Zwist mit Ribbert, sehe ich keinen Grund, dir diesen Auftrag nicht zu erteilen.“ Josh knurrte widerstrebend.

      Es war sein Job als Rudelzweiter, sich mit Belangen auseinanderzusetzen, die alle Gestaltwandler betrafen. Der Groll, den er seit beinah sechs Jahren gegen Ribbert hegte, musste zum Wohl des Rudels unterdrückt werden. Sowohl Alan als auch Josh wussten, dass es genügte, wenn Josh sich mit Ribberts Rudelzweitem auseinandersetzte. Doch Ribbert nahm die Dinge gern selbst in die Hand. „Verhalte dich ihm gegenüber so neutral wie möglich. Ich habe keine Lust meinen besten Mann in einem Machtkampf zu sekundieren.“ Josh unterdrückte ein dumpfes Knurren. Sein Alpha wusste nicht, was damals passiert war. Und wenn es nach ihm ging, würde er auch nie erfahren, dass er sich wegen Ribberts unfairen Methoden dessen Schwester nicht mehr nähern durfte. Wenn es nach ihm ginge, verdiente Ribbert eine ordentliche Tracht Prügel. Er mochte Elise. Auch wenn sie nicht die Eine für ihn war. Sie war knallhart, aber trotzdem sehr weiblich. Und lustig. Wer sie nicht kannte, ließ sich durch ihre äußere Erscheinung täuschen.

      „Josh!“ Tief durchatmend salutierte dieser spöttisch. „Keine Sorge, ich bin in der Lage mich zusammenzureißen.“

      Damit drehte er sich auf dem Absatz um und verließ Alans Arbeitszimmer. Sam kam Josh entgegen, nickte ihm aufmunternd zu und tätschelte seinen Arm, bevor sie zu ihrem Mann ins Zimmer schlüpfte.

      Stirnrunzelnd betrachtete Josh seinen Arm.

      Menschen, er würde sie nie verstehen. Er brauchte keinen Trost. Er kam allein zurecht. Trotzdem schaffte es Sam immer wieder, einen Teil ihrer inneren Ruhe auf ihn zu übertragen. In diesen Momenten wünschte er sich, ebenfalls eine solche Frau zu finden. Nur, um sich im selben Augenblick für seinen Wunsch zu verfluchen. Die Frau, mit der er es länger als eine Nacht aushielt, musste erst noch geboren werden! Selbst Ribberts Schwester war nur ein Betthupferl gewesen. Freilich, ihre leicht aggressive Art hatte ihm viel zu gut gefallen und er war bereit gewesen, sie für einen längeren Zeitraum zu behalten. Zudem waren sie Freunde. Irgendwie.

      Zu blöd, dass Ribbert ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.

      Alisas Bilanz

      Alisas Sorgen, sich mit dieser Frau noch mehr Ärger eingehandelt zu haben, waren unbegründet. Rosalie war ein Mensch. Ein einfacher, netter, sehr zurückhaltender Mensch mit einem freundlichen Lächeln. Kein movere, kein Mischling. Außerdem war Alisa ziemlich stolz auf sich. Abgesehen von dem Desaster auf dem Parkplatz war bisher nichts anderes zu Bruch gegangen. Weder sie selbst noch etwas der gemütlichen Einrichtung des heimeligen, fast nostalgisch wirkenden Cafés. Vielleicht lag es daran, dass sie ihre Hände fest auf die Knie gelegt hatte, um keineswegs wild herum zu fuchteln oder irgendwo hängen zu bleiben. Mit ihrer Uhr zum Beispiel, mit der sie vorhin die blöde Papiertüte zerrissen hatte. „Bingham? Ihr Name ist Bingham? Wie die Agentur?“ Rosalies Augen waren weit aufgerissen und wurden sogar noch größer, als Briony nickte.

      Fast hätte Alisa gegrinst, als die Frau ehrfurchtsvoll hauchte, dass sie sich geehrte fühlte mit ihnen am Tisch zu sitzen. Nach kurzem Zögern erzählte Alisa ihr jedoch, dass nur Briony als Bingham zählte. Im Gegensatz zu ihr. Sie arbeitete für Bingham. Und war Brionys Freundin. Außerdem war sie anfällig für Missgeschicke jedes Kalibers. Wie unschwer zu erkennen war.

      Rosalie betrachtete Alisas Gips und kommentierte seine Farbe. Ohne es zu bemerken, waren die drei Frauen innerhalb kürzester Zeit in das vertraute Du gefallen. „Es gab noch quietschgrün und grellgelb. Aber noch mehr Aufmerksamkeit, als ich das eh schon tue, wollte ich nicht auf mich lenken. Warum, brauche ich dir nicht zu erklären. Du hast es selbst gesehen.“ Rosalies verständnisvolles Nicken zeugte von Mitleid. Eine Sache, die Alisa ganz und gar nicht brauchte. Sowas war nichts für jemanden wie sie. Würde sie ihre andere Seite nicht permanent untergraben, wäre sie sicher kaum anfällig für all diese dummen und manchmal hochnotpeinlichen Zwischenfälle. Es war ihre eigene Schuld, dass sie ein solcher Trampel war – daran gab es nichts Schönzureden.

      Unendlich froh, dass Briony sämtliche Daten für Rosalie weitergab und sich deren notierte, bemerkte Alisa, wie Rosalie sich allmählich entspannte. Sie schien nicht oft mit anderen Leuten zusammen zu sein. Und sie zuckte jedes Mal zusammen, wenn man sie korrigierte. Wie jetzt, als sie behauptete, Alisas Namen schon einmal gehört zu haben. Alisa wies sie lediglich daraufhin, dass dies nicht der Fall sein konnte. Schließlich war sie erst vor ein paar Monaten in die Stadt gezogen.

      Trotzdem zuckte die andere Frau zusammen und entschuldigte sich sogar.

      Was bei Alisa natürlich die Frage aufwarf, was diese Rosalie dazu veranlasste, sich derart duckmäuserisch zu benehmen. Weder sie noch Briony spuckten, knurrten, drohten ihr oder waren mit einem bösen Fluch belegt. Nun ja, Briony zumindest nicht. War es Aufregung, weil Briony zu den stadtbekannten Binghams gehörte? Oder hatte die Frau schlechte Erfahrungen gemacht? Häusliche Gewalt?

      Tief in Alisa regte sich ein Gefühl, welches sie sich nicht erklären konnte und das ihr völlig neu war: Beschützerinstinkt. Warum bei einer erwachsenen Frau? Einer, die älter war als sie? Alisa schätzte Rosalie auf Ende 20.

      Um nicht weiter darüber zu grübeln, beschloss Alisa das Thema vorerst ad acta zu legen. Fakt war, Rosalie war nett. Gütig. Freundlich. Und Alisa hätte sie gern auf ihrer kurzen Liste der ihr wichtigen Personen als Freundin hinzugefügt.

       Haha, genau!

      Nachdem Alisa Rosalies Auto ramponiert hatte, würde diese sie sicher freudig strahlend mit offenen Armen empfangen. Man musste schon gänzlich verblödet oder mit einem starken, reichen, mächtigen Mann verheiratet sein, um eine Freundschaft mit ihr einzugehen. Alisa hielt Rosalie weder für dumm noch für verheiratet. Zumindest trug sie weder einen Ring, noch war ein Abdruck eines solchen zu erkennen. Alisa hatte keine Ahnung, was sie dennoch ritt, danach zu fragen. Es ging sie nichts an. Leicht errötend erklärte Rosalie, dass sie den richtigen Mann noch nicht gefunden hatte. „Dann geht’s dir wie mir.“, entgegnete Alisa mit einem verschwörerischen Lächeln. „Vielleicht sollten wir einen Kochkurs belegen und uns den richtigen backen?“ Rosalie brach in zustimmendes, schallendes Gelächter aus. Rosalie besaß also auch Humor. „Das machen wir. Wie soll deiner denn aussehen? Wie soll er sein?“ Nach kurzem Überlegen flossen Alisa die Worte sehr freimütig über die Lippen. Briony schmunzelte. „Und deiner?“, fragte Alisa an Rosalie gewandt. „Ein bisschen größer darf er gern sein. Nett. Vielleicht ein kleiner Bauch. Nicht allzu schmächtig. Ich will ihn schließlich nicht aus Versehen zerquetschen.“ Sie grinste. „Außerdem humorvoll, charmant, mit guten Manieren. Ein wenig Bildung wäre auch nicht schlecht.“

      Rosalie nippte an ihrem Kaffee, während es ungeduldig aus Alisa herausplatzte, wie er denn nun aussehen sollte. „Och, das ist mir egal. Hauptsache, er hat keine Haare auf der Brust.“ Alisa würde das nicht stören. Nur, wenn der Kerl auch Haare auf den Zähnen hätte.

      Die drei Frauen plauderten weiter, tranken Kaffee und bemerkten dabei kaum, wie die Zeit verging. Als sie sich trennten, kam es Alisa so vor, als würde sie Rosalie schon ewig kennen. Beinah, als wäre sie eine verwandte