„Ich werde mich bessern, Tante Bong, ehrlich! Stell‘ mir doch bitte schon einen dreifachen schwarzen Kaffee auf den Tisch, ja?“
„Also gut, Nuke, belassen wir es für heute dabei“, tönte die Stimme seiner Tante von draußen. „Ich werde deinem Onkel einstweilen nichts davon erzählen, dass du deine Freunde regelmäßig mit unseren Gratisproben aushältst, aber du musst mir dafür versprechen, dass das aufhört!“
Mit zitternden Fingern tastete Nuke nach dem Lichtschalter an der Wand.
„Ich verspreche es, Tante Bong!“, brachte der junge Mann heraus und bemühte sich um einen ehrlich klingenden Tonfall. Mist, dachte er bei sich, wie um alles in der Welt hat sie das bloß rausgekriegt?
„Dann bis gleich, Nuke!“, sprach Tante Bong und entfernte sich.
Nukes nervös umher wandernde Finger trafen endlich auf den altmodischen Kippschalter und betätigten ihn. Damit weckte Nuke die uralten und stroboskopisch flackernden Leuchtstoffröhren, die das Zimmer aus der gnädig verhüllenden Dunkelheit rissen. Die altersschwachen Leuchten tauchten den Raum nun in blassbläuliche, kalte Lichtschauer, die ihn fast so anheimelnd wirken ließen wie einen OP-Saal. Überall auf dem schmierigen Linoleumboden türmten sich zerlesene technische Handbücher, Elektronikschrott, ölige Werkzeuge und Putzlappen voller Schmierfett. Dieses schmutzige Durcheinander wurde hier und da durch einige leere Bierdosen und alte Pizzaschachteln aufgelockert. Ein paar wagemutige kleine Krabbeltiere, die in diesen Schachteln gerade die wenigen schimmeligen Überbleibsel vertilgten, wurden von der plötzlichen Helligkeit erschreckt und huschten leise zirpend in die dunkleren Gegenden des Raums. Spätpubertäre Poster, von denen muskelstrotzende Helden und vollbusige Heldinnen aus kitschigen Tridvids herabgrinsten, verunstalteten die freien vertikalen Flächen des Zimmers. Immerhin vermochten die Plakate die zahlreichen Flecken an den Wänden der völlig verwahrlosten Bruchbude zu verdecken. Auf einem wackligen Schreibtisch neben Nukes Bett lagen verschiedene Schreibutensilien und fleckige Briefbögen. Ein paar Raumschiffmodelle, die Nuke in seiner Freizeit aus Drogidenschrott zusammenbastelte, zierten ein billiges Regal aus Sperrholzplatten. Ein schmaler Kleiderschrank aus billigstem Holzimitat und ein gleichartiger Klappstuhl komplettierten das verlotterte Interieur.
Nuke wankte in die Nasszelle seines Zimmers und gönnte sich eine ausgiebige heiße Dusche.
Wasser war auf Tattoo-Dirn eine besondere Mangelware, neben den vielen anderen Mangelwaren, die es hier gab. Mangel war eigentlich das einzige, was auf diesem öden Planeten im Überfluss vorhanden war. Üblicherweise wurde Frischwasser mindestens zehnmal für den Eigenverbrauch eines Haushalts wiederaufbereitet, bevor man es anderen Zwecken zuführte. Und selbst Abwasser war noch zu kostbar, um es einfach wegzukippen. Sobald die Wiederaufbereitung des Wassers für den Haushalt zu aufwändig wurde, wurde es speziellen Anlagen zugeführt, die der schmutzstarrenden Brühe die flüssigen Bestandteile entzogen. Am Ende des Dehydrierungsprozesses erhielt man einen knochentrockenen, extrem reichen und extrem leichten Dünger, und mit dem gewonnenen Restwasser wurden Nutzgärten oder Felder bewässert.
An all dies musste Nuke in diesem Moment denken, als er sich unter dem dünnen Rinnsal einseifte, das aus dem hoffnungslos verkalkten Duschauslass rieselte.
Nach ein paar Minuten fühlte sich Nuke so weit wiederhergestellt, dass er aus der Dusche treten und sich ankleiden konnte. Danach öffnete er die Tür seines Zimmers und betrat einen Korridor, der von einigen trüben Energiesparlampen erleuchtet wurde. Über eine Treppe erreichte er den an der Oberfläche des Planeten liegenden Teil des Farmgebäudes.
Onkel Sniff saß bereits am Frühstückstisch und biss gerade mürrisch in ein altbackenes Brötchen, als Nuke ins Esszimmer trat.
„Ah, unser Herr Neffe beehrt uns endlich mit seiner Anwesenheit“, brummte Nukes Onkel undeutlich und verstreute dabei Brötchenkrümel auf dem Tisch.
„Auch dir einen guten Morgen, Onkel Sniff“, erwiderte Nuke kaum freundlicher.
„Hier ist dein Kaffee, Nuke“, mischte sich nun Tante Bong diplomatisch ein und stellte einen großen Kunststoffbecher mit einer schwarzen dampfenden Flüssigkeit auf den Tisch. Kaffee schwappte über den Becherrand und formte langsam einen bräunlichen Ring auf der Tischoberfläche.
„Danke, Tante Bong“, erwiderte Nuke, ergriff den Becher und verbrannte sich mit dem ersten Schluck Lippen, Zunge und Gaumen.
„Wisst ihr, ich habe mir etwas überlegt“, eröffnete Nuke etwas, was auf Tattoo-Dirn als Gespräch durchgehen mochte, während er den Kaffeebecher wieder abstellte.
Onkel Sniff kaute lustlos sein trockenes Brötchen und trank einen Schluck Kaffee. Tante Bong bereitete in der Kochnische geschäftig ein paar belegte Brote für ihren Ehemann und für ihren Neffen zu. Niemand sagte etwas.
„Also, es geht um unsere Vereinbarung“, ließ sich Nuke nun vernehmen, um seinem tyrannischen Onkel und seiner verkalkten Tante etwas auf die Sprünge zu helfen. „Ihr wisst schon: ich bleibe noch eine Saison hier auf der Farm, und dann ziehe ich in die Stadt und eröffne mir von meinem Geschäftsanteil einen kleinen Drogidenhandel.“
Onkel Sniff sah nur kurz zu Nuke hinüber und nahm einen weiteren Schluck aus seiner Tasse. Wieder entstand eine unbehagliche Pause.
„Und?“, fragte Onkel Sniff schließlich ohne große Begeisterung.
„Nun ja, wenn ihr einen Drogiden oder einen Roboter zukaufen würdet, könnte ich schon dieses Jahr meinen Laden aufmachen. Die Maschine wäre auch billiger in der Unterhaltung und könnte härter und länger arbeiten als ich.“
„Kommt nicht in Frage“, grunzte Onkel Sniff.
„Warum denn nicht?“, ereiferte sich Nuke nun. „Ich versauere hier Saison um Saison und komme beruflich nicht weiter. Das nötige Geld haben wir doch auf der hohen Kante, also warum ziert ihr euch so?“
Onkel Sniff erwiderte genervt: „Nuke, das haben wir doch schon oft genug besprochen! Ich brauche auf der Farm einen Menschen, um gewisse Dinge regeln zu können. Maschinen können nicht alles machen. Die Farm wirft noch nicht genug Profit ab, um dich dieses Jahr schon gehen zu lassen. Ich will auch nichts mehr davon hören. Nach dem Frühstück reparierst du als erstes den Wasserextraktor drüben beim Schuppen und dann hilfst du mir auf den Feldern. Am Nachmittag müssen wir dann einen neuen Drogiden kaufen gehen, weil der alte endgültig schlapp gemacht hat. Beeile dich also mit dem Frühstück, du hast heute schon genug Zeit vertrödelt.“
Nuke nahm seinen Kaffeebecher in die Hand und stand auf.
„Der Appetit auf Frühstück ist mir vergangen. Bis später, ich gehe jetzt den Extraktor reparieren.“
Wütend stapfte Nuke hinaus in die gleißende Sonne von Tattoo-Dirn.
Im Inneren fragte Tante Bong: „Wäre es nicht Zeit, Nuke seinen Laden aufmachen zu lassen, Sniff? Wir können ihn nicht ewig hier festhalten. Er ist ungestüm und ungeduldig, er schlägt da ganz nach seinem Vater.“
„Ich fürchte, dass genau das einmal sein Problem werden wird“, erwiderte Sniff nachdenklich.
Kapitel 3
Ankunft auf Tattoo-Dirn
Der Aufprall verlief vergleichsweise glimpflich.