Y. null DERHANK. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: null DERHANK
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847616757
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des prügelnden Dicken, »Kumm eich gleich dahin!«

      Ein Hund bellte, die Bierflaschen klirrten, dann huschte ein Schatten am Fenster vorbei, Schritte.

      »Dat war kein Hamam ...«, hörte Yosy noch den Fahrer im Weggehen sagen.

      Wovor sollte Schatt 'Schiss' haben? Kehrte die Angst nun zurück? War groß geworden, wie Yosy groß geworden war? Kein Babyschrei mehr, sondern laut wie ein Gewitter! Ihm schauderte vor Freude; ja tatsächlich, er freute sich, seine Nackenhaare richteten sich auf, seine Kopfhaut kribbelte, sein Bauch rumorte, eine Vorfreude, wie er sie in seiner Kindheit nur vor Geburtstagen oder Weihnachten gehabt hatte.

      Yosy stand auf, streckte seine Glieder, wollte schon hoch auf seine Hinterbeine, aber dann schrak er unwillkürlich zusammen. Ging mit dem Oberkörper wieder hinunter, setzte seine immer noch schmerzenden Hände ins Stroh, wippte ein paar Mal auf und ab und beugte die Knie. All das tat weh, aber es war erträglich. Er schüttelte sich, sodass die Halme, welche sich in Fell und Haut verfangen hatten, hinunterfielen.

      Er lächelte.

      »Hhaaangsd!«, rief er. Dann entfuhr ihm ein unartikuliertes Wiehern, beinahe pferdisch, worauf der ganze Stall erwachte und es von überall zurückwieherte.

      Das Rumoren in seinem Bauch wurde heftiger, mehrmals musste er krachend furzen, und nur durch unruhiges Hin- und Herlaufen konnte Yosy die aufkommenden Schmerzen im Zaum halten. Aber seine Box war zu klein, um sich wirklich austoben zu können, es blieb ihm nichts anderes übrig, als mehr oder weniger auf der Stelle zu treten und zu trampeln, auf diese Art den Darm zu massieren, bis es endlich so weit war.

      Instinktiv kratzte er das Stroh vor der Tür beiseite, bis er den aufgerissenen Beton im Neonlicht sehen konnte. Der Druck in seinem Becken wurde unerträglich, er zitterte, wie unter Strom, aber das war zugleich in höchstem Maße lustvoll, »hie' ...aangsd, ... hie Haaangst, hie Aaangst!«, rief er immer wieder, und dann spreizte er die schlackernden Hinterbeine, ging in die Knie, hockte sich mit nach vorne gestreckten, auf den Boden trommelnden Vorderfüßen über die soeben vorbereitete Stelle und entleerte und erleichterte sich mit wohltuendem Blubbern und Knattern. Yosy vibrierte, sein Bauch krampfte und löste sich, und auch, als nichts mehr kam, gingen die Koliken noch eine Weile weiter.

      Dann grunzte er ungehemmt, überall Scharren und Wiehern, fast schien der ganze Stall dem Ereignis beizuwohnen, und als die Krämpfe nachließen, richtete er sein Hinterteil in die Höhe, schüttelte sich und wollte schon nach Klopapier greifen. Doch dann musste er grinsen, schlug er sich mit der Pranke vor die Stirn, übermütig, viel zu doll, »Autsch!«, das Hufeisen, so was dämliches, Klopapier ...

      Yosy trottete zur Fensteröffnung, steckte seinen Kopf hindurch und holte tief Luft.

      »Aaooouuuuuuuuuuuuuhhhh!«, schrie er, so laut er konnte.

      Über den Dächern zeichneten sich die Silhouetten der Berge ab, eine gezackte Linie vor einem unruhigen, doch harmlos aussehenden Wetterleuchten. Es war niemand zu sehen in dem spärlich beleuchteten Anwesen, Yosy war gewissermaßen allein. Er schrie noch mal, schrie, was die Lungen hergaben, und sie gaben viel her, kräftig waren sie geworden, diese Lungen in seinem Tonnenleib, er heulte mit aufgerissenem Maul in die Nacht, schrie »Aaooouuuuuuuuuuuuuhhhh!« und wiederholte das immer und immer wieder. Prompt kam schon ein Echo, von überall her Bellen und Jaulen, und wenigstens eines der Tiere, die ihm antworteten, klang ganz und gar nicht wie ein Pferd oder ein Hund. Sein Ruf kam aus den Bergen, ein schrilles Heulen, wie von einem allein gelassenen Säugling. Yosy wackelte mit dem Hinterteil, stapfte auf der Stelle, und mehr als einmal drehte er sich um, hockte sich vor den breiigen, grauen Klumpen, dessen frischer Dampf die ersten Fliegen anlockte, und roch daran.

      Doch als er zum fünften oder sechsten Mal zurück zum Fenster sprang, um wie ein Kojote zu heulen, flog ihm ein stumpfer Gegenstand vor den Kopf, »Ruhe!«, direkt vor die Nase oder das, was nunmehr die Spitze seines Gesichts ausmachte.

      Yosy schrie auf, machte einen Satz nach hinten, wäre beinahe in seinen Haufen gefallen, torkelte um diesen herum und ließ sich, ganz außer Puste, ins Stroh fallen.

      Ihm war wohl. Die Visage brannte von dem Treffer, aber ihm war wohl. Er hatte gekackt!

      Nicht dass er seine Haufen liebte. Er liebte selbstverständlich keine Fäkalien, auch wenn das mitunter von ihm behauptet wurde. Aber Yosy liebte zu kacken. Das war schon in seiner Kindheit so gewesen. Es war ein Spiel, SEIN Spiel, es machte ihn unabhängig vom Spielen der anderen Kinder, deren Nähe Yosy als störend und beklemmend empfand. Seine Haufen halfen ihm gegen diese Störungen. Seine Haufen waren wie Anker, mit denen er anlandete, die ihm Platz und Raum schufen, und sie verhinderten zugleich, in etwas hineingedrängt zu werden, das nicht seins war. Denn es gab etwas, das die anderen zu ETWAS, sie gewissermaßen gleichmachte. Für Yosy gab es Kinder, wie es Hunde, Katzen, Autos oder Spielzeuge gab. Sie waren immer irgendwie da. Nicht, dass er sie grundsätzlich nicht mochte, manchmal hatte er sogar den einen oder anderen als »Freund« bezeichnet, aber er hatte sich das nie merken können. Freunde und Nichtfreunde blieben auswechselbar und fremd; sie waren nur untereinander von einer seltsamen Verbundenheit, die Yosy nie verstanden hat, so oft er sie auch beim Spielen beobachtete.

      Manchmal bezogen sie ihn ein, ließen ihn teilhaben. Doch wenn er sich nahm, was er wollte, reagierten sie aufgeregt und wurden aufdringlich, was ihm nur lästig war.

      Eines Tages, er mochte fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein, entdeckte er in der Nähe des Deiches drei Kinder, die eine Bretterbude bauten. Er verließ seinen Posten, seine Pirsch, und zimmerte wie sie, suchte Holz, Nägel und mehr auf der nahegelegenen Baustelle, ein altes Sofapolster, eine Lampe und alles, was man brauchte, um zwischen den knorrigen Stämmen einer verwachsenen Hainbuche ein Nest zu schaffen. Die Münzen, die ein Junge auf eine Kiste gelegt hatte, nahm Yosy an sich. Der Andere wurde unwirsch, doch Yosy gab das Geld nicht zurück. Vielmehr machte er, als die Hütte fertig war, einen Haufen in die Mitte, ganz intuitiv, wie selbstverständlich, mit dem überraschenden und nie vergessenen Effekt, dass die anderen verschwanden und er die Hütte in Besitz nehmen konnte, sich das Nest zueigen machte.

      Yosy lag im Stroh, neben diesem ersten Haufen im Stall. Und der stank. Kein Wunder, bei dieser Kost, sein Haufen war süßlich scharfe Fäulnis, nach Zimt und Rotte duftende Verwesung. Und zugleich war es der Duft seiner Kindheit. Es war derselbe Duft, der allabendlich von jenseits des Deiches ins Haus wehte, der Duft, mit dem er eingeschlafen war. Ein süßer Duft ...

      Diesmal träumte er. Von Nestern und Hütten und einem leichten, ja schwerelosen Körper, von der Stille und Weite einer Urwelt ohne Menschen, bis ihn plötzlich der Schrei Angst wie eine Keule traf.

      Yosy war schlagartig wach.

      Es dämmerte, die Vögel schimpften, aber der Schrei war der Schrei einer Kopftuchfrau gewesen, die in der geöffneten Schiebetür stand.

      »Scheiße!«, hatte sie geschrien, richtig gebrüllt hatte sie, und nicht aus Angst, sondern wütend.

      »Frauke, guck dir ma' die Sauerei an!«

      Frauke, ebenfalls mit Kopftuch, kam, guckte und sagte nur: »Kanner Schatt mach'n!«

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