Queenie. Doris Bühler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Doris Bühler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738014495
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bitte nur, wenn Sie echte Hinweise haben.”

      “Na, klar! Also dann! Das Haus mit dem Fliegenpilz, okay?”

      Oliver atmete auf. Er murmelte ein: “Danke”, nickte ihr kurz zu und ging allein weiter, ohne sich noch einmal umzusehen.

      Die Janßens waren sehr freundliche Leute. Matthias Janßen, - Oliver hatte den Namen am Klingelschildchen gelesen, - war ein grauhaariger, scheinbar noch rüstiger Rentner. Nachdem ihm Oliver sein Anliegen vorgetragen hatte, erklärte er sich sofort bereit, mit ihm über Britta Warrings zu reden. Er bat den fremden Besucher ins Haus und führte ihn in die Küche, wo er ihn seiner Frau vorstellte.

      “Elisabeth, dieser junge Mann ist ein Enkel von Britta, stell dir das mal vor!” Und an Oliver gewandt fügte er hinzu: “Dabei haben wir gar nicht gewußt, daß sie jemals Kinder gehabt hat. Wir wußten nicht einmal, daß sie geheiratet hat.” Auch Elisabeth staunte. Sie schüttelte ein Kissen auf, legte es auf einen der Stühle und bot Oliver an, sich zu setzen. “Nehmen Sie Platz. Und nun erzählen Sie mal. Wie geht es Ihrer Großmutter inzwischen? Wir haben seit Ewigkeiten nichts von ihr gehört. - Trinken Sie eine Tasse Tee mit uns?”

      Oliver setzte sich und schüttelte den Kopf. “Nein danke, ich möchte Sie nicht lange stören. Ich hab nur eben von den Reedmeiers erfahren, daß Sie meine Großmutter gekannt haben.”

      “Sie stören uns doch nicht. Im Gegenteil, wir freuen uns, wenn wir Besuch bekommen. Ist es nicht so, Matthias?” Elisabeth setzte sich Oliver gegenüber auf die Eckbank und musterte ihn. “Nun erzählen Sie schon. Wir sind sehr neugierig.”

      Als Oliver jedoch nicht gleich antwortete, schien sie zu begreifen. “Ihre Großmutter ist...”

      Oliver nickte. “Ja, meine Großmutter Britta lebt nicht mehr. Sie ist schon vor vielen Jahren gestorben.”

      “Das tut mir so leid.” Elisabeth griff nach der Hand ihres Mannes, der sich zu ihr gesetzt hatte. “Hast du gehört, Matthias? Britta lebt nicht mehr.” Und erneut an Oliver gewandt, fragte sie: “Wie ist sie denn gestorben? Was hat ihr gefehlt?”

      Oliver hatte sich dafür entschieden, den Janßens die Wahrheit zu sagen. Sie zeigten so viel Wärme und Anteilnahme, und sie schienen Britta gemocht zu haben. “Sie war gerade erst sechzehn, als sie kurz nach der Geburt ihres Kindes starb. Verheiratet war sie nie.”

      “Nein!” Elisabeth Janßen schlug entsetzt die Hand vor den Mund, und Matthias murmelte: “Ich hab’s gewußt, daß das kein gutes Ende nehmen konnte mit diesen Burschen.”

      Oliver war hellhörig geworden. “Von welchen Burschen sprechen Sie?”

      “Von den jungen Kerlen, mit denen sie herumgezogen ist.” Aus seinen Worten war noch immer ein wenig Bitterkeit herauszuhören. “Von denen, die sie in ihrem amerikanischen Straßenkreuzer abgeholt und spazierengefahren haben. Ganz Voslapp hat sich damals das Maul darüber zerrissen.”

      “So darfst du das nicht sehen, Matthias”, warf Elisabeth beschwichtigend ein, “Britta war kein schlechtes Mädchen. Ihr hat die Mutter gefehlt. Was hatte sie denn zu Hause? Der Karl hat zwar alles für sie getan, aber die Mutter konnte er ihr eben doch nicht ersetzen.”

      Matthias seufzte tief und nickte. “Ja, du hast recht.”

      Er stand auf und zog den Teekessel vom Herd. Wie auf ein Zeichen erhob sich nun auch Elisabeth wieder, öffnete eine Schranktür, nahm drei Tassen heraus und verteilte sie auf dem Küchentisch. “Nun müssen Sie aber doch eine Tasse Tee mittrinken”, sagte sie und klopfte Oliver leicht auf die Schulter. “Dann läßt’s sich leichter reden.”

      “Feiner ostfriesischer Tee. Keiner aus Aufgußbeuteln”, sagte der alte Mann, während er einschenkte.

      Oliver lächelte. Er mochte die Janßens, und er hoffte, daß er noch einiges mehr von ihnen erfahren konnte. Elisabeth hatte Kandis und ein Schüsselchen mit Rahm auf den Tisch gestellt, danach ließen sich die alten Leutchen erneut auf der Eckbank nieder. Matthias schaute seine Frau an und tätschelte ihre Hand. “Ja, du hast recht”, nahm er den Faden wieder auf, und an Oliver gewandt erklärte er: “Sie müssen wissen, ich bin quasi mit Britta zusammen aufgewachsen. Wir waren wie Geschwister, haben alles gemeinsam gemacht. Bis sie eines Tages die Clique mit diesen Jungs aus der Stadt kennengelernt hat. Lauter Söhne von gutbetuchten Leuten. Taugenichtse, die es sich leisten konnten, an den Ecken herumzulungern oder mit ihren schnittigen Wagen und Motorrädern die Gegend unsicher zu machen. Britta hat das imponiert. Die Zeiten waren schlecht damals, wir hatten ja kaum was. Mußten froh sein, wenn wir jeden Tag einigermaßen satt wurden, zehn Jahre nach dem Krieg. Der Karl konnte dem Mädchen nicht viel bieten, da hat sie sich von den jungen Kerlen blenden lassen.”

      “Was waren das für Leute? Sind Ihnen Namen bekannt?”

      “Nein. Die erste Zeit machte sie ein großes Geheimnis daraus, weigerte sich, mir überhaupt etwas zu erzählen. Da hatte ich wohl selbst schuld, ich hab ihr dauernd Vorwürfe gemacht, und sie hielt das für Eifersucht.”

      Elisabeth stupste ihn am Arm und lächelte. “Das war es doch auch, kannst es ruhig zugeben.”

      Er lächelte zurück. “Naja, ein bißchen schon. Jedenfalls zu Anfang. Ich dachte, so viele Jahre war ich ihr gut genug gewesen als Freund. War immer für sie da und hab ihr die Kastanien aus dem Feuer geholt, wenn es Probleme gab. Und nun kamen diese Schnösel daher...”

      “Und später? Hat Sie Ihnen nie erzählt, wer diese neuen Freunde waren?”

      “Nein, sie redete immer nur von einem, von Rock. - Da ging es Rock hinten und Rock vorne. Sie sprach das englisch aus, wie diesen Filmstar, - Sie wissen schon, Rock Hudson. Sie lernte ja Englisch auf der Mittelschule.”

      Oliver nickte, das kleine Paßbild mit der Widmung fiel ihm wieder ein.

      “Ich nehme an, daß er der Vater ihres Kindes war”, sagte er mehr zu sich selbst. “Er, oder einer der anderen. Wer immer es gewesen sein mochte, wahrscheinlich hat sie geglaubt, daß er sie heiraten würde.”

      “Und dann ist sie bei der Entbindung gestorben”, flüsterte seine Frau betrübt und schüttelte den Kopf. “Das hat sie, weiß Gott, nicht verdient.”

      “Haben Sie sie auch gekannt?”, wandte sich Oliver an Elisabeth.

      “Aber ja.” Sie nickte. “Wir sind die ersten vier Jahre zusammen zur Schule gegangen. In die da draußen am Ende der Straße. Volksschule hieß das damals noch. Nach der vierten Klasse ist sie zur Mittelschule übergewechselt. Mittelschule für Mädchen in der Stadt. Sie war sehr gescheit, die Britta. Danach haben wir uns aus den Augen verloren. Aber warten Sie, die Linda Johanns müßte sich noch an sie erinnern können. Sie war auch eine von denen, die zur Mittelschule gegangen sind. Die Mittel- und Oberschüler sind immer zusammen mit dem Bus in die Stadt gefahren. Jeden Tag. Fragen Sie doch mal bei ihr nach Britta. Sie weiß vielleicht mehr.”

      “Und wo finde ich diese Frau Johanns?”

      “Sie wohnt in der Flutstraße, das ist die Hauptstraße, die nach Rüstersiel führt. Die Nummer weiß ich nicht, aber es ist das Haus gegenüber der Tankstelle. Jetzt heißt sie Johanns, früher hieß sie Bremer. Sie muß bis zur zehnten Klasse mit Britta zur Schule gegangen sein und kann Ihnen sicher mehr erzählen. Vielleicht weiß sie sogar etwas über die Schwangerschaft oder kennt die Namen der Jungs aus der Stadt, mit denen sie sich getroffen hat. Ich selbst hatte danach kaum mehr Kontakt zu ihr.”

      Linda Johanns freute sich sichtlich über den Besuch des jungen Mannes, - gleichgültig, weshalb er gekommen war. Trotz ihres Alters, das doch in etwa um das der Janßens liegen mußte, war sie noch immer eine sehr attraktive Frau. “Sie sind Vertreter, nicht wahr?”, fragte sie mit einem gekonnten Augenaufschlag, um gleich darauf, noch bevor sich Oliver vorstellen und sein Anliegen vortragen konnte, die Hand zu heben. “Nein, warten Sie, lassen Sie mich raten. - Versicherungen? - Nein? Irgendein interessantes Gerät, das mir den Haushalt erleichtern soll? - Oder eine Zeitschrift?”

      Oliver unterbrach ihren Redeschwall. “Nein, ich komme