New York bis September. Helge Brühl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helge Brühl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847616153
Скачать книгу
wälzte sich eine Last, schwer wie Bleigewichte, auf seine Schultern. New York als neuer Arbeitsplatz, zwar nur für knapp sieben Monate, aber immerhin. Unvorstellbar dieser Herausforderung einfach so kleinbei zu geben. Aber die Vorstellung, seiner Tochter erklären zu müssen, das man ihn nach New York schicken wollte, ließ ihn in seinen Überlegungen verharren. Mit allem hatte er wohl heute gerechnet, aber nicht mit so einer tiefgreifenden Entscheidung seinerseits. In seinem Kopf begann sich ein wirrer Kreisel zu drehen, weder verlangsamte sich sein Puls, noch beruhigte sich sein Herz. Frische Luft und ein langer ausgedehnter Spaziergang waren jetzt das beste Mittel, um das Gespräch mit von Palmburg zu verarbeiten. Eine Weile fuhr er ziellos dahin und zwang sich in Ruhe nachzudenken. Doch er war nicht recht bei der Sache, sosehr er sich auch bemühte. Frank warf einen Blick auf die Uhr. Es war erst viertel nach neun und er hatte keine Ahnung was er mit dem Rest des Tages anfangen sollte. Unterwegs hielt er am Stadtpark und ging spazieren. Erleichterung finden, eine Möglichkeit suchen, der Unruhe, die er empfand zu entkommen. Er brauchte die Luft, den Abstand zwischen ihm und der Welt. Frank sollte alles regeln, wie von Palmburg es so schön betonte, aber wie? Erstmal musste er alles verdauen, durchdenken und dann mit seiner Tochter sprechen. Gegen elf Uhr war er zu Hause, trank eine Tasse Kaffee und schaltete den Fernseher ein. Dort brachten sie gerade die neuesten Börsenzahlen, wenigstens war er dadurch beschäftigt.

      >> Hallo Dad, wieso bist du denn schon zu Hause? Bist du krank oder gibt die Bank schon kältefrei? <<. Meg stand völlig erstaunt im Türrahmen, konnte es scheinbar überhaupt nicht fassen, das ihr Vater mittags schon im Wohnzimmer saß und Fernsehen schaute.

      >> Nein, alles okay. Mach dir keine Sorgen mein Schatz. Ich hab heute frei bekommen und könnte mir im Augenblick nichts Schöneres vorstellen als ganz schnell zu Luigi zu fahren, um dort Riesenportionen von Spaghetti zu verdrücken. Ich hab einen Bärenhunger und wie sieht’s bei dir aus? <<

      Sichtlich erfreut sagte sie: >> Dumme Frage Dad, da sind wir doch dabei. Worauf wartest du noch? <<

      Sie saßen beide kurzerhand im Auto und fuhren zu ihrem Lieblingsitaliener. Draußen tobte ein heftiger Wind, Sturm geradezu. Es war noch früh, kurz nach Mittag und das Restaurant war fast leer. Nur zwei Tische außer ihrem waren besetzt. Gewaltige dunkle Weinregale, bildeten die Wandverkleidung, rotkarierte Tischtücher strahlten Gemütlichkeit aus. Gedämpft ertönte im Hintergrund eine Verdiarie, er meinte wohl, sie war aus den „Lombarden“.

      >> Oh Dad, weißt du eigentlich was das für eine Überraschung ist, das du schon da bist und wir beide bei Luigi essen. Es wäre so schön, wenn wir das öfter machen könnten. <<

      >> Du hast recht mein Liebling, aber leider muß ich nebenbei noch unsere Brötchen verdienen und für ein paar Klamotten für dich, muß es auch noch reichen. <<

      Sie lächelte süß. >> Weiß ich doch. <<

      Sie verstummten als zwischendurch der Kellner kam, um die Bestellung aufzunehmen. Nachdem er weg war, holte Frank noch einmal tief Luft, nahm seinen ganzen Mut zusammen und begann zu reden.

      >> Schatz, ich war heute bei Herrn von Palmburg, meinem Chef, und hatte eine äußerst wichtige Besprechung. <<

      >> Ja, Dad und was gibt`s Neues? << fragte sie und sah ihn mit großen Augen an. >> Will er dich etwa entlassen? <<

      >> Entlassen? Viel schlimmer, würde ich sagen. <<

      >> Dad, was immer es ist, du kannst mit mir drüber reden. Ist es wirklich so schlimm? <<

      >> Nein, gar nicht schlimm, << antwortete Frank mit einem breiten Schmunzeln. >> Er hat mir ein sensationelles Angebot unterbreitet. Die Bank möchte, dass ich für zirka sieben Monate nach New York gehe. Dort ist ein Manager sehr krank geworden und nun weiß ich nicht, ob ich dieses Angebot annehmen soll, << fügte er mit Bedacht hinzu.

      >> Im Ernst? Ist ja krass Dad, einfach irre und wo liegt das Problem? <<

      >> Ja weißt du, mein süßer Schatz, das Problem bist du! Ich kann dich doch niemals so lange allein lassen und würde dies auch nie tun. Sicher bist du kein Baby mehr, aber ich hätte keine Ruhe bei dem Gedanken, dass du dir selbst überlassen bist. <<

      Fragend schaute er sie an.

      >> So ein Quatsch Dad. << sagte sie und kniff kurz die Augen zusammen. >> Meinst du vielleicht, dass ich allein nicht klarkomme? <<

      >> So wollte ich das nicht rüberbringen, << sagte er. >> Aber vom Prinzip her schon. <<

      >> Da denk ich aber ganz anders drüber. Alexander Graham Bell hat das Telefon schon lange erfunden und Faxe, E-Mail kann man heute weltweit versenden. Angst vor dunklen Zimmern und Hausgeistern habe ich auch nicht mehr. Ich kau nicht an den Nägeln und mache nicht ins Bett, selbst Kochen ist kein Thema und meine Klamotten bügele ich seit langem allein. Ich denke schon, dass das gehen würde. <<

      Frank zuckte mit den Schultern und fragte:

      >> Meinst du wirklich, dass du ohne deinen alten Vater so lange Zeit zurechtkommst? <<

      >> Blöde Frage. Logo würd ich das, bin doch deine Tochter und der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Na ja, ich wüsste ja schon wie ich an deiner Stelle handeln würde, aber das musst du wohl selbst entscheiden. <<

      >> Das muß ich in der Tat, das nimmt mir keiner ab. Vor allem ruht die ganze Verantwortung auf meinen Schultern. << Seine besorgten Augen ruhten auf ihrem hübschen Gesicht.

      >> Hast du schon mit Anne darüber gesprochen? << fragte sie.

      Oh Gott, Anne, an sie hatte er noch gar nicht gedacht. Frank hatte sie vor gut fünf Monaten im Fitnessstudio kennengelernt, nachdem sie ihn in der Sauna angesprochen hatte. Eine hübsches Frauchen, schlanke Figur und ein ausgesprochenes Sexappeal, das ihr die etwas raue Stimme verlieh. Sie war Krankenschwester in der Universitätsklinik. Irgendwie waren sie seit dem ein Paar, trafen sich regelmäßig und schliefen sehr gern miteinander. Es war keine feste Beziehung, nichts Ernstes, zumindest für ihn. Seit dem Tod seiner Frau hatte er stets vermieden sich ernsthaft an eine Frau zu binden. Viel zu sehr war er noch mit seiner Vergangenheit beschäftigt, um sich darüber Gedanken zu machen. Natürlich ergab es sich schon, hin und wieder, dass er eine Frau kennenlernte, weil er zwei Kontaktannoncen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aufgesetzt hatte. Doch es handelte sich meistens um geschiedene Frauen, die bereitwillig jeder Einladung, ganz gleich von wem sie kam, Folge leisteten, damit sie endlich wieder unter die Haube kamen. Ein paar Mal war er mit ihnen zum Essen ausgegangen oder ins Theater, dann hatten sie sich mit einem Gutenachtkuss für immer verabschiedet. Anne war da anders, zumindest war sie anders als die Frauen, mit denen er in den letzten zwei Jahren ausgegangen war, doch auch mit ihr glitt er nur in einer sensiblen Freundlichkeit nebeneinander her. Anne war unkompliziert, sehr einfühlsam, blieb immer gelassen, war nie an Konfrontation interessiert, und Frank hatte sie schon fast für die ideale Frau gehalten, wenn er nur einen Bruchteil von wahrer Liebe für sie verspürt hätte. Sie hörte immer zu, und er musste sich keine Sorgen machen, dass sie ihn immer an schwierige Zeiten erinnerte, die er meinte, längst überwunden zu haben. Sie hatte bisher noch nicht gesagt, dass sie ihn liebte. Eine weitere gute Seite ihrer Eigenschaften, die er an ihr sehr schätzte. Frank hatte keine Ahnung wie lange diese Beziehung halten würde, aber sie würde mit Sicherheit nicht für den Rest seines Lebens sein.

      >> Dad, ich hab dich was gefragt. << unterbrach Meg seine Gedanken. Ihrem Tonfall war zu entnehmen, dass sie eine Antwort auf ihre Frage erwartetete.

      >> Sorry, ich war mit meinen Gedanken grad woanders. Wo waren wir stehen geblieben? <<

      >> Bei Anne. <<

      >> Ach ja. Anne kommt doch heute Abend eh zu uns, dann red ich mit ihr. Sicher wird sie monatelang sauer sein, wenn ich ihr meine Absichten unter die Nase reibe. Was soll’s, da müssen wir jetzt wohl alle durch. <<

      Meg lächelte ihn an, dann sagte sie:

      >> Daddy, Anne wird