New York bis September. Helge Brühl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helge Brühl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847616153
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gezogen. Das Haus in dem er seitdem wohnte, lag in einem Vorort, umgeben von viel Grün und gesegneter Ruhe, trotzdem nicht weit entfernt vom Puls der Zeit, der in diesen Breiten den Namen Frankfurt trug. Damals, so kurz nach dem Studium, war er rastlos und unruhig gewesen und hatte überhaupt nicht gewusst, in welche Richtung er sich wenden sollte. Eigentlich wollte er mal Häuser, große Häuser bauen, weil er das studiert hatte, aber irgendwie war er ins Bankwesen geraten und dabei geblieben. Wie auch immer, sein Leben hatte eine andere Richtung genommen. Man trifft irgendwann eine Entscheidung, so meinte er, und nimmt einen Weg, und wenn man eine andere trifft, landet man irgendwo ganz woanders. Und Frank hatte sich damals für eine Karriere im Bankgeschäft entschieden, schwamm mit, im konventionellen, gesellschaftlichen Fahrwasser, wie man es heute so schön zu sagen pflegte. Indessen war er siebenunddreißig, angestellt im mittleren Management einer großen deutschen Bank, leitete dort eine Abteilung für Immobilienfinanzierungen und Fondsmanagement. Er war an die unregelmäßigen Arbeitszeiten gewöhnt, die seine Karriere ihm abverlangte, und die ihm oft sehr wenig Zeit für seine Tochter und auch für sich selbst ließen. Er erkannte darin bloß eins der notwendigen Übel, die seine Arbeit so mit sich brachte. Dennoch, am Ende des Tages hatte er oft das Gefühl, dass er etwas bewegte, und sei es auch manchmal noch so gering. Nun war es auch kein besonders spannendes Leben, aber es war sein Leben, wie es heute aussah und wie er es zu akzeptieren hatte.

      Der Anruf aus der Chefetage kam gestern, am späten Nachmittag. Es sei von äußerster Dringlichkeit, hatte Frau Cordsen, die Sekretärin in ganz wichtigem Ton übermittelt, was ihn nicht sonderlich verwunderte, denn Anrufe aus dem Büro des Chefs waren immer dringend. Abgesehen von den üblichen Dienstberatungen, passierte es aber nur äußerst selten, dass er zu einem persönlichen Gespräch bestellt wurde. Aber wenn es dazu kam, war es zumeist von weitreichender Bedeutung, dessen Inhalt zumeist von einer unerwarteten Veränderung getragen war. Frank versuchte sich innerlich zu beruhigen, indem er sich fragte, was er denn eigentlich zu befürchten hätte, außer das sein Vorgefühl ihm etwas anderes sagte. Gelegentlich passierte es ihm schon, dass er zuviel in eine Situation hinein interpretierte. Vielleicht stand ja sogar seine Beförderung auf der Tagesordnung. Nur recht und billig. Sie war längst überfällig. Was immer es auch war, was Gottfried von Palmburg in wenigen Minuten von ihm wollte, etwas Erfreuliches war es bestimmt nicht. Dachte er jedenfalls. Verdrossen rieb er sich die Stirn. Er hatte keine Lust mehr, noch länger darüber nachzudenken, denn es hatte auch wenig Sinn, wenn er sich schon im Voraus den Kopf darüber zerbrach, was ihn gleich erwartete. In einer halben Stunde wusste er sowieso mehr. Zielsicher steuerte er seinen Mercedes in die Tiefgarage eines prachtvollen Hochhauses mit spiegelnder Glasfassade, dem Sitz seines Brötchengebers, der Deutschen Handels- und Hypothekenbank, bis er seinen Stellplatz erreichte. Frank drückte mit einem kräftigen Stoss seiner Schulter die Fahrertür auf und nahm sich einen Moment Zeit, um seine steifen Glieder zu strecken. Auf dem Weg zum Fahrstuhl überkam ihn wieder dieses unruhige Gefühl, das sich schon seit dem Aufstehen seiner bemächtigt hatte. Der Fahrstuhl klingelte kurz, als er die Chefetage erreichte, schon öffneten sich die Türen. Jetzt wird es ernst, dachte er, straffte seine Haltung, atmete tief durch und überlegte immer noch argwöhnisch, was der Chef wohl so dringend von ihm wollte. Was war von so äußerster Dringlichkeit?

      Im Vorzimmer erwartete ihn schon Frau Cordsen, die Chefsekretärin, mit einem überfreundlichen >> Guten Morgen, Herr Bender << und der üblichen Frage nach einer Tasse Kaffee. Frau Cordsen war eine adrette Frau, Ende vierzig, immer freundlich und ihre Frisur schien konstant in Form zu bleiben. Eine blonde Fönwelle schwang sich elegant vom Seitenscheitel über den Kopf. Das mochte vielleicht ein wenig altmodisch sein, aber die Frisur stand ihr gut.

      >> Der Chef ist gleich soweit, << sagte sie. >> Nehmen sie doch bitte Platz, der Kaffee ist selbstverständlich gleich da. <<

      Frank Bender setzte sich in einen ledernen Clubsessel, nahm sich eine bereitliegende Tageszeitung und begann zu lesen. Frau Cordsen brachte den Kaffee als die Uhr gerade acht schlug. Es war Freitag der 19.Januar 2001.

      Vertieft in seine Lektüre wurde er von der freundlichen Stimme Frau Cordsens unterbrochen.

      >> Herr von Palmburg erwartet sie jetzt. <<

      Frank stand auf, ging auf die doppelflüglige Tür des Direktorenbüros zu und senkte langsam die schwere Messingklinke.

      Gottfried von Palmburg trat auf ihn zu und reichte ihm die Hand. >> Guten Tag, mein lieber Herr Bender. Ich freue mich, sie zu sehen. <<

      >> Ganz meinerseits, Herr von Palmburg, << sagte Frank und erwiderte seinen Blick. Er war wie immer beeindruckt von diesem Mann, der mit soldatischer Haltung vor ihm stand. Mitte fünfzig, drahtig und von respektvoller Aura. Viele Mitarbeiter schwellten in wahrer Vergötterung, die sich seines Erachtens auf eine gewisse Furcht gründete. Von Palmburg war vielleicht einssiebzig groß und manchmal hatte man das Gefühl, dass dies wohl sein einziges Problem war. Kleine Männer taten sich mit ihrer Größe immer schwer. Sein Gesicht war schmal, etwas kantig. Das kurze graue Haar um die Stirnglatze, sowie die rahmenlose Designerbrille, vermittelten zweifellos den Hauch von intellektueller Größe. Er galt als absolute Koryphäe im Bankgeschäft.

      >> Aber nehmen sie doch bitte Platz und bedienen sie sich. << sagte von Palmburg während er noch Unterlagen an seinem Schreibtisch ordnete.

      Frank setzte sich auf den schwarzen lederbezogenen Stuhl am Besprechungstisch, nippte kurz am Kaffee. Noch immer sagte von Palmburg nichts. Schnell durchstreifte sein Blick den Raum. Klare kühle Linien schufen das Gesamtbild der modernen Einrichtung aus dunklen Aktenschränken aus Holz mit langen verchromten Griffen. Ein expressionistisches Bild von zirka zwei Quadratmetern führte unwillkürlich die Augen zur Wand hinter dem Schreibtisch. Nicht weit darunter, auf einer Flachstrecke, verharrte sein Blick auf einer detailgetreuen Nachbildung eines Wolkenkratzers, wobei es sich unverkennbar um das Empire State Building von New York handelte. Das Modell war groß, wenigstens einen halben Meter und die Miniaturfenster waren durch eine Lampe im Inneren hell erleuchtet.

      >> Mögen sie New York, Herr Bender? << fragte plötzlich von Palmburg, der scheinbar seinen Blick bemerkt hatte.

      >> Ja, sehr sogar. <<

      >> Das freut mich. Dann sind wir gerade schon einen großen Schritt weiter gekommen. <<

      Frank merkte auf und seine Konzentration wies nach innen.

      >> Inwiefern? Worauf wollen sie hinaus? <<

      >> Herr Bender, ich möchte gleich zur Sache kommen und mir eine triviale Vorrede ersparen. Sind sie damit einverstanden? <<

      >> Selbstverständlich, Herr von Palmburg, << sprudelte er mit gepresster Stimme.

      Von Palmburgs Blick in Franks Gesicht wurde stechender, hatte aber trotzdem eine Spur von Freundlichkeit. >> Herr Bender, sie haben sich in den letzten Jahren zu einem Immobilienprofi entwickelt, sind einer unserer fähigsten Leute. Ihre Abteilung führen sie, mit dem für unser Haus nötigem Engegement und dem fachlichen Wissen, das wir erwarten. Sie sprechen perfekt Englisch, vor allem sind sie topfit im amerikanischen Grundstücks- und Immobilienrecht. Und deshalb mein lieber Herr Bender, haben wir gerade jetzt an sie gedacht. Es gibt eine unvorhergesehene Situation in der sie uns einen Dienst erweisen könnten. << Frank unterbrach ihn nicht. Stattdessen fuhr von Palmburg fort: >> In unserer Niederlassung in New York stehen wir vor einer Ausnahmesituation. Wir haben einen krankheitsbedingten Ausfall im Immobilienmangement. Unser leitender Mitarbeiter muß sich einer schweren Nierenoperation unterziehen. Krebs, sie verstehen? Er fällt wenigstens bis September aus. Seine plötzliche Erkrankung hat uns in diese schwierige Lage gebracht. Der Stellvertreter ist erst seit Anfang des Jahres in unserer Bank, somit noch zu unerfahren für die Übernahme einer solchen Position. <<

      >> Das ist sehr bedauerlich, << entgegnete Frank und betete innerlich, das sein Magen keine lauten Geräusche von sich gab, um seine Aufregung offenzulegen.

      >> Herr Bender, ich will die Sache gleich abkürzen und nicht lange um den heißen Brei reden. Die Geschäftsleitung geht im Rahmen der in Frage kommenden Manager recht einstimmig davon aus, dass sie der geeignete Mann für