>> Mach nicht so lange, ich hab jetzt schon Brand wie ein ausgedörrtes Kamel. Also bis bald.<<
Es gibt doch nichts Schöneres als gute Freunde, dachte Frank als er auflegte.
Seine Akten warteten wieder auf ihn und die Sache in Clark hatte seinen Jagdinstinkt aktiviert. Da werden wir den Jungs ganz kräftig auf die Füße treten, sprach er in den Raum. Zahlen lügen nicht, hatte sein alter Mathelehrer ihm auf den Weg gegeben, das wollte er jetzt beherzigen. Frank wollte das Projekt genauestens prüfen bevor er Wright informierte. Wieso war vor ihm noch keiner darauf gekommen? Dies entzog sich jedem gescheiten Erklärungsmuster. Doch um diesen Vorgang aufs Tapet zu bringen, musste er sich ein umfassenderes Bild machen. Vorerst ergab sich nur eine Ansammlung von Fragezeichen. Warum hatte sein Vorgänger, Mr.Wolter, nichts bemerkt und diese Akte nicht markiert? Wie viel wusste er überhaupt? Aber weshalb sollte er sein Wissen für sich behalten? Eigentlich hätte er alles wissen müssen, warum auch nicht? Und in gewisser Weise war das wohl auch so, fand er. Na ja, dachte er, es musste irgendwo eine logische Erklärung dafür geben. In der nächsten Woche wollte er gemeinsam mit einem Architekten noch mal nach Clark fahren. Frank beschloss, die Angelegenheit zunächst einmal für sich zu behalten.
>> Du liebe Güte. So aufgeregt wie heute hab ich dich ja schon lange nicht mehr gesehen. Diese Laura muß ja ein außergewöhnliches Frauenzimmer sein und dich völlig in ihren Bann gezogen haben. Na ja, es wird auch höchste Zeit, dass endlich mal was in deinem Leben passiert. << Staunend sah Horst ihn an, während er das Fleisch und die Folienkartoffeln auf den Grill legte. Seine grauen Haare schienen sich noch immer gegen den aufgezwungenen Seitenscheitel zu wehren, wirbelten quer durcheinander.
>> Du hast völlig recht, ich fühl mich wie ein Pennäler vor dem ersten Rendezvous. Und das ist keine schlechte Sache, verstehst du, für einen siebenunddreißigjährigen Mann, wenn in seinem Leben etwas auftaucht, was ihn wie einen jungen Bengel fühlen lässt. Aber mal ganz im Ernst, ich bin schon lange nicht mehr einer solch schönen Frau begegnet. Es klingt sicher albern, aber ich meine eigentlich noch nie. Sie hat es geschafft, allein durch ihr Auftreten, mich still und leise zu verzaubern. << Lächelnd schaute er Horst in die Augen und nahm einen kräftigen Schluck Wodka mit Orangensaft. Er kippte den Mix runter und ließ die Wärme durch seinen Körper fluten. Mit dicken karierten Fliesjacken saßen sie in der herabsinkenden Abendkühle an einem runden Tisch auf der Terrasse seines Hauses, in High Bridge, New Jersey. Nebenher ließ der Grill angenehme Gerüche entweichen und die Zeituhr bewegte sich langsam auf den Punkt, der den Klingelton auslöste und somit den Garpunkt des Fleisches anzeigte.
>> Und morgen trefft ihr euch in „The Manor“, meinem Lieblingsrestaurant. Das ist die beste Adresse und ich bin richtig froh, dass ich es dir vor ein paar Jahren gezeigt habe. Damals war Karen noch mit dabei. Schade, dass sie so früh gehen musste. Wir haben sie sehr geliebt. << Horst senkte seinen Blick, schloss kurz die Augen.
Immer wenn sie auf Karen zu sprechen kamen, zog Franks Herz sich schmerzlich zusammen und die Gedanken drehten sich im Kreise. Sofort kehrten die Bilder zurück, schreckliche, traurige Bilder, die sich mit schmerzlich schönen Erinnerungen vermischten.
>> Tja, wir haben sie alle geliebt, aber diesem verdammten Krebs war sie nicht gewachsen, << sagte er bedächtig. >> Sie wurde viel zu früh gezwungen diese Welt zu verlassen. Es war so schlimm als sie ging und ich weiß nicht, ob diese Lücke je zu schließen ist. Lange habe ich gebraucht ihren Tod zu verstehen. Du weißt selbst, was ich durchgemacht habe. Doch ich denke, dass die Zeit der Trauer vorbei ist, mein Kopf sich von vielen trüben Gedanken geleert hat, obwohl ich jeden Tag an sie denke. Manchmal ist es schwer zu begreifen, dass man selber noch lebt, <<
Die Zeituhr hatte sich gemeldet und jeder nahm sich sein Fleisch vom Grill. Frank sondierte die Steaksaucen, bis er sich für Tsaziki entschied. Der Duft machte einem den Mund wässrig.
>> Und nun möchtest du das Herz einer Amerikanerin erobern, du alter Schlingel? Stell dir das mal nicht so einfach vor. Die Weiber ticken hier noch etwas anders als in Deutschland, da musst du dich richtig ins Zeug legen. Da würde ich meine Chancen nicht zu hoch einschätzen. << Spitzbübisch schmunzelte er ihn an während er ihre Gläser halb mit Wodka, halb mit Orangensaft füllte. Die Eiswürfel warfen einen schillernden Glanz im Licht der Petroleumlampe, der Frank an geschliffenes Kristall erinnerte.
>> Das ist mir erstmal völlig egal. Ich möchte sie unbedingt kennenlernen, möchte mit ihr reden und sie einfach nur anschauen. Sie ist wunderschön. Ob was draus wird, das lässt sich doch beim besten Willen noch nicht sagen. Es ist schon komisch, mit einmal tritt so ein Engel in dein Leben und du weißt beim ersten Blick, das könnte Sie sein. Das ist doch genial oder?<<
Horst schaute ihn fragend an und irgendwo im Hintergrund hörte man den Laut einer Eule.
Er legte die Hand auf seinen Arm.>> Jetzt hör mir mal zu. Lass mal die Kirche im Dorf, << sagte er plötzlich. >> Spinn doch einfach mal den Faden weiter. Überleg doch mal, ihr kommt euch tatsächlich näher, verliebt euch grenzenlos und was kommt dann? Du bist noch bis Anfang September hier und dann geht’s wieder nach Hause. Wollt ihr euch dann zweimal im Jahr sehen und Urlaub zusammen machen? Wirst du nach Amerika auswandern oder kommt sie dann nach Deutschland? Warum willst du etwas beginnen, was du nicht zu Ende bringen kannst? Ich denke, das sind schon Argumente, die reiflich zu überlegen sind, bevor man sich in so ein Abenteuer reinstürzt. Das ist doch kein Charlie-Chaplin-Film, wo am Ende alle lachen. << Seine Meinung die Horst auf diese ruhige Art äußerte, klang erschreckend realistisch. Frank ließ seine letzten Worte sacken, als er gerade ein Stück von seinem Steak abschnitt. Es entging ihm auch nicht, dass der Wodka seine Blutzirkulation in Wallung brachte.
>> Ich sehe mich gar nicht in der Lage, langfristig Pläne zu machen, << antwortete er, >> es ist die nahe Zukunft, die mich beschäftigt. Du hast sicher recht mit deinen Bedenken, aber soweit möchte ich noch gar nicht gehen. Diese Frau hat Emotionen in mir geweckt, die ich für ausgestorben hielt. Das ist mit einem Elektroschock oder dem absoluten Urknall zu vergleichen und ich werde den Teufel tun, die Vernunft oder Gedanken an die Zukunft in dieses erste Rendezvous einfließen zu lassen. Das wäre doch viel zu früh. Vielleicht bin ich ja gar nicht ihr Typ. <<
Erwartungsvoll schaute er zu Horst, der sich seine Antwort zu überlegen schien.
>> Okay, ich bin ja auch schon etwas älter als du und meine Sturm und Drang Zeit liegt weit zurück. Ich könnte ja sogar dein Vater sein. So wie du gerade unterwegs bist, hat es wohl sehr wenig Sinn weise Ratschläge zu verteilen. Und wenn dich des Amors Pfeil nun mal erwischt hat, dann laß es verdammt noch mal auf dich zurollen und versuch das Beste draus zu machen. Ich wünsche dir auf jeden Fall Erfolg, aber fahr deine Euphorie etwas runter, mein lieber Freund. <<
>> Meine Euphorie? Wieso? Nein, warum - ich will es so. Ich fürchte, es ist mir klargeworden, dass ich mit Haut und Haaren gefangen bin. Und dieses Gefühl hatte ich seit Karen nicht mehr. <<
>> Bist du wirklich so aufgeregt? << fragte Horst mit gekrauster Stirn.
>< Um die Wahrheit zu sagen, << antwortete Frank, >> ich bin so aufgeregt, dass ich kaum still sitzen kann. << Dann griff er nach der Zigarettenschachtel und zündete sich eine an.
>> Du kannst tun und lassen was du willst. Was ich damit lediglich sagen wollte, sei morgen nicht so impulsiv oder unbesonnen und neige nicht dazu, voreilige Schlüsse zu ziehen, auch wenn du dich über beide Ohren verknallt hast. <<
Frank zog an seiner Zigarette und blies den Rauch wieder raus.
>> Mach dir keine Sorgen. Aus dem Alter bin ich raus. <<
Er lehnte sich entspannt zurück und schüttelte seinen Drink durch.
>> Was ist denn eigentlich mit dieser Anne, die sehnsüchtig zu Hause auf dich wartet? <<
Frank hätte klar sein müssen, dass diese Frage irgendwann kommen musste, doch jetzt