New York bis September. Helge Brühl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helge Brühl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847616153
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>> Wie heißen sie? <<

      Er sah wie sich ihre Lippen hinter der Scheibe bewegten, doch der Wagen beschleunigte zu schnell, reihte sich nahtlos in den Verkehr ein. Frank schaute kurz hinterher und konnte nicht einmal mehr die Nummer des Taxis erkennen. Oh Mann. Für einen Augenblick war er benommen vor Fassungslosigkeit, zur Salzsäule erstarrt. Dann ging sein Blick zurück zum Times Square. Es schien, als ob die gleiche Menschenmenge, wie von magischer Anziehungskraft beherrscht, zusammen gedrängt auf irgendeinen neuen Showdown wartete. Er blieb lange noch wie angewurzelt an der Ecke stehen und blickte den vorbeifahrenden Autos nach. Unwillkürlich schnappte er nach Luft, denn eine Hitzewallung in seinem Körper hatte noch nicht nachgelassen. Ein Gefühl war urplötzlich in ihn eingedrungen, das er schon lange abgeschrieben hatte. So etwas hatte er seit ewigen Zeiten nicht mehr erlebt. Es war ein komisches Gefühl in der Magengegend, aber auch eine wunderbare Erregung wie auf einer Achterbahn. Und er hatte schon fast vergessen wie schön das war.

      Gibt es Liebe auf den ersten Blick? Diese Frage ließ ihn nicht mehr los. Aus heiterem Himmel war es da, dieses Gefühl, seltsam und wunderbar. Niemand konnte dieses Gefühl beschreiben, niemand konnte es erklären, es war einfach da und ging nicht mehr weg. Sollte das so sein? Zugegeben- was war denn schon passiert? Er hatte vor ein paar Minuten eine wunderschöne Frau getroffen, aber mehr doch nicht. Kannte er ihren Namen? Wusste er wer sie war, wo sie lebte. Nein, nichts wusste er von ihr. Frauen von dieser Klasse sind ganz sicher verheiratet, haben zwei Kinder und leben in der Regel im Speckgürtel von New York. So eine tolle Frau wurde sicherlich am laufenden Band von irgendwelchen Typen angequatscht, umgarnt, verehrt und hatte bestimmt die Nase voll davon. Aber andererseits konnte sie geschieden sein, hatte vielleicht bis jetzt nur an ihre Karriere gedacht oder war aus Gott weiß was für Gründen immer noch Single. Trotz seiner schrecklichen Neugier beschloss Frank, jeden Gedanken an sie gleich zu verwerfen. Eine kurze Episode an einem stinknormalen Tag, mehr nicht! Nichts, das viel zu bedeuten hätte. Sie würde mit Sicherheit nicht anrufen, er würde sie ganz bestimmt nicht wiedersehen. Frank staunte über sich selbst. Was war nur mit ihm los? War er es nicht gewesen, der sich vor nicht allzu langer Zeit vorgenommen hatte, Emotionen außen vor zu lassen, sich gefühlsmäßig auf gar keinen Fall zu verstricken? Nur kein Gefühl umsonst investieren, das war doch immer seine Devise, denn falsche Illusionen hinterließen doch immer nur hässliche Folgen. Wenn das bisher auch immer gelang, bei dieser Frau war es etwas anderes.

      Jetzt hatte er weder was gegessen, seinen Kaffee hatte ihr Mantel aufgesaugt, er stand hier am Time Square und wusste nicht wie ihm geschah. Was jetzt? Ein kurzer Blick auf die Uhr. Gleich halb zwei. Frank wollte nichts essen, er wollte nichts trinken, jetzt wollte er nur noch ins Büro zurück und winkte nach einem Taxi. Er atmete tief ein und wieder aus und mahnte sich zur Ruhe. Vergeblich.

      Egal was er auch tat, er konnte sich nicht mehr konzentrieren. Seine Gedanken kreisten nur noch um diese Frau, denn sie hatte es geschafft, allein durch ihr Auftreten und ihr umwerfendes Aussehen die Welt stillstehen zu lassen. Das hatte er nie zuvor erlebt. Und nichts konnte verhindern, dass etwas mit ihm geschehen war, als sie ihn das erste Mal angelächelt hatte. Ruhig Blut sagte er sich, du hast doch so etwas wie Erfahrung und achtzehn bist du doch schon lange nicht mehr. Vielleicht ruft sie ja doch an. Vielleicht.

      >> Mr. Bender ist alles in Ordnung mit ihnen? << fragte Liza Burke als er das Büro betrat. >>

      Sie sehen etwas zerstreut aus. << Frank hob den Kopf, sah jetzt völlig gefasst aus, als hätte er die Zeit, während sie ihre Frage stellte, dazu genutzt, alle Emotionen, die ihn hätten verraten können, zu unterdrücken. >> Liza, machen sie sich bitte keine Sorgen, << antwortete er mit einem wider Willen abwehrenden Ton, >> es ist alles okay, <<

      Er vermied den Blick zu ihr. Flüchtig bemerkte er nur, ihren zu dick aufgetragenen, türkisfarbenen Lidschatten. Er schloss die Tür hinter sich, warf sich in seinen Sessel, legte die Beine auf den Schreibtisch und meinte das Strömen des Blutes durch seine Venen zu spüren. Nichts war in Ordnung, diese Frau wollte nicht mehr aus seinem Kopf verschwinden. Ihr Anblick hatte ihn fast in einen betäubungsähnlichen Zustand versetzt. Frank hatte keine Lust mehr auf Akten, Verträge, überhaupt wollte er heute keine Bäume mehr ausreißen, er war jeglicher Konzentration beraubt. Er sollte sich den Rest des Tages frei nehmen, überlegte er, vielleicht spazieren gehen, irgendwo etwas essen oder nur etwas trinken, denn er brauchte Ruhe, um wieder einen freien Kopf zu bekommen. Er fasste diesen Entschluss, dann sagte er Liza Bescheid und verließ umgehend das Büro.

      Er fuhr gleich ins Hotel und als er im Zimmer war, sprang er sofort unter die Dusche. Das Wasser ließ er erst heiß, dann kalt über seinen Körper laufen. Danach zog er sich den Bademantel über und ließ sich der Länge nach aufs Bett fallen. Er dachte, dass er Meg anrufen sollte. Aber zuerst musste er sich eine Weile ausruhen.

      Liebe auf den ersten Blick? Gibt es das wirklich? Es schien so, denn irgendwie begleitete sie ihn wie ein heller Schatten. Ihr Gesicht lächelte ihn ständig an, der Klang ihrer Stimme blieb in seinen Ohren, denn ihre Stimme war ein Genuss. Ihr Mund sah aus, als wolle er immerfort geküsst werden. Frank ergab sich dem Taumel der sehnsuchtsvollen Vorstellung von der Frau seiner Träume, der den Sinn für Gut und Böse trübte und nur einen hellen Schein innerster Verzückung hinterließ. Ihr Büro befindet sich bestimmt in der Nähe des World Trade Centers, sagte er zu sich. Zumindest war das ihr Ziel mit dem Taxi. Idiotisch nur daran zu denken sie dort wiederzusehen. Im World Trade Center arbeiten fast fünfzigtausend Menschen, abgesehen von den anderen Bürotürmen des Finanzviertels. Auch wenn er den ganzen Tag auf der Plaza des World Trade Centers wartete, die Chance sie zu finden war schier aussichtslos. Genauso wahrscheinlich, als würde er nächste Woche mit Barbra Streisand auf der Bühne stehen. Sein einziger Strohhalm, seine einzige Hoffnung, war ihr Anruf. Sie hatte seine Nummer und nur sie hatte es der Hand, ob sie sich je wiedersehen würden. So unwahrscheinlich ihm das auch schien, dass sie es wirklich tun würde, unmöglich war es doch wiederum auch nicht, oder etwa nicht? Quatsch, sprach er zu sich selbst, das ist doch alles Einbildung, Firlefanz und reine Phantasie. Womöglich hatte er sie sogar in ein paar Tagen schon längst wieder vergessen. Konnte man sie vergessen, fragte er sich verträumt? Nur allein dieser Gedanke schauderte ihn.

      Das Telefon klingelte alarmierend schrill, und er erwachte mit einem Schlag. Das Zimmer war dunkel. Er hatte keine Ahnung wie spät es war und wo er gerade lag. Erst ließ er es läuten, aber dann ging es ihm auf die Nerven. Er tastete nach dem Hörer, fühlte sich schwach und schob die Decke von sich, als er sich auf die Ellenbogen stützte. Er schaltete das Licht an, schirmte seine Augen gegen den plötzlichen, grellen Glanz ab.

      >> Ja, Hallo, << meldete er sich noch ganz verschlafen. Es rauschte und knisterte in der Leitung, doch ihre Stimme klang klar und deutlich. Es war Anne.

      >> Hab ich dich geweckt? <<

      >> Ja, ich hab grad tief und fest geschlafen. <<

      >> Ich hab mir Sorgen gemacht, << sagte sie etwas traurig, >> weil du dich so selten meldest.<<

      >> Ach Anne, nimm es mir bitte nicht übel, aber ich war permanent beschäftigt. Ganz schon viel Stress, mehr als in Frankfurt. Und auch die Zeitverschiebung habe ich noch nicht ganz durchschaut. Wenn ich anrufen kann, dann schlaft ihr ja meistens schon. Sei mir also bitte nicht böse. << Er versuchte Unbekümmertheit zu heucheln, die sich selbst in seinen Ohren wie eine Mischung aus Ausrede und schlechtem Gewissen anhörte.

      >> Frank, ich habe die letzten Wochen sehr oft und sehr viel über uns nachgedacht. Irgendwie werd ich das Gefühl nicht los, dass wir beide doch nur Zeit verschwenden. Du meldest dich selten, wir reden kaum noch. Du fragst mich nicht wie ich die Zeit verbringe und was mir fehlt. Die Hoffnung, dass alles besser wird, wenn du wieder zu Hause bist, berührt mich nur sehr vage. Liebst du mich eigentlich? << Frank sah ein, dass er antworten musste. Die Frage war sehr entschieden gestellt worden.

      >> Willst du das wirklich wissen? <<

      >> Würde ich sonst fragen. <<

      >> Anne, die gegebenen Umstände sind nun mal so. Ich bin hier in New York und du bist in Frankfurt. Das soll nicht heißen, dass ich dich nicht verstehen kann. Aber du hast immer