New York bis September. Helge Brühl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helge Brühl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847616153
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als irgendwo anders auf der Welt. Bloß nicht umdrehen, bloß nicht zurück schauen. In New York ging es immer nach vorn und zwar im Laufschritt. Weiter, immer weiter, denn Zeit ist Geld. Aufregender konnte eine Stadt nicht sein. Er stellte sich ans Ende der kurzen Schlange, doch der aromatisch frische Duft von gemahlenem Kaffee verbannte seine Ruhelosigkeit.

      In seiner Jackettasche bewegte sich plötzlich was, es kitzelte an seiner Brust. Ach ja, die Vibration seines Handys machte sich mit mechanischem Zucken bemerkbar.

      Er drückte die Hörmuschel ans Ohr. Es war Meg.

      >> Hi Dad, was treibst du so? << hörte er sie fragen. Es tat so gut, ihre vertraute, herzliche Stimme zu hören.

      >> Meg, schön, dass du anrufst. Stell dir vor, ich bin am Time Square, will mir grad einen Kaffee holen. Und wie sieht’s bei dir aus? << fragte er. >> Wie läufts in der Schule? <<

      >> Großartig. Oh Dad, du bist einfach nur zu beneiden. Am Times Square wär ich jetzt auch gern. Bei mir ist alles okay. Ja, und die Schule nervt wie immer, aber meine Noten sind soweit ganz ordentlich. Gestern habe ich sogar eine Zwei in Mathe bekommen, und das in der Klassenarbeit. <<

      >> Schön zu hören << sagte er erfreut. >> Tüchtiges Mädchen! War Anne da? <<

      >> Ja, gestern Abend. Sie hat uns Kartoffelpuffer gemacht. Ich hab sechs Stück gegessen. Einfach megalecker. <<

      >> Das freut mich aber, dass es bei euch so gut läuft. Moment mal bitte mein Schatz, wart doch mal kurz …. << Er war jetzt an der Reihe, bestellte seinen Kaffee mit Milch und Zucker. Dann bezahlte er und klemmte sein Handy zwischen Ohr und Schulter.

      In der linken Hand hielt er den Becher Kaffee, mit der rechten Hand verstaute er das Wechselgeld in der Hosentasche, und so verließ er den Coffeeshop.

      Beim Heraustreten wollte er grad wieder nach seinem Handy greifen als irgendjemand auf ihn prallte und ihm das Gleichgewicht nahm. Er stolperte kurz benommen nach rechts, sein Handy befreite sich aus der Klemmstellung, fiel auf die Strasse und platzte auseinander. Gleichzeitig brachte sich der Kaffee mit äußerster Präzision in Bewegung und verließ den Becher in Richtung eines cremefarbenen Mantels. Frank hatte sich an der Hauswand gefangen und sah nun das Ausmaß seines Missgeschickes. Sein Blick richtete sich auf die Umrisse einer jungen Frau. Er registrierte nur, dass sie ihn fassungslos ansah. Schamröte zog in sein Gesicht, einen Moment lang herrschte peinliche Stille.

      >> Oh, mein Gott was für eine Sauerei, mein schöner Mantel. << empörte sie sich völlig entsetzt. >> Das glaube ich ja nicht, das kann ich nicht glauben. Laufen sie immer wie ein Schlafwandler durch die Stadt? << fragte sie ihn vorwurfsvoll, wobei sich ihre Blicke kurz begegneten, doch sie schaute schnell wieder weg und strich sich die Haare hinters Ohr.

      Ihr Mantel machte im Brustbereich den Eindruck, als ob er teilweise zum Färben war. Ein ausgedehnter, tiefbrauner Fleck hatte sich auf dem zarten Creme breitgemacht. Wie um alles in der Welt konnte ihm das passieren, fuhr es ihm durch den Kopf.

      >> Sorry Lady, es tut mir so leid, << stammelte Frank, >> normalerweise bin ich nicht so ungelenk. Ich war einen Moment unaufmerksam, das habe ich wirklich nicht gewollt. << Es war einfach nur peinlich, er hasste solche Situationen. Er wäre am liebsten nicht nur im Erdboden versunken, sondern gleich auf der anderen Seite des Globus wieder herausgekommen.

      >> Schauen sie sich an wie ich aussehe, grauenhaft, << setzte sie völlig stocksauer hinzu, den Blick auf den Fleck gerichtet. >> In zwanzig Minuten muß ich wieder im Büro sein. Was mach ich jetzt nur? <<

      >> Selbstverständlich werde ich für den Schaden aufkommen und ihnen alles ersetzen, außerdem bin ich gut versichert. <<

      Hoffentlich war sie nicht so eine verwöhnte New Yorker Ziege, die wegen jedem Scheiß sofort zum Anwalt rennt, dachte er sorgenvoll. Nebenher versuchte er sein Handy wieder zusammenzubauen. Völlig verlegen starrte er auf das leere Display. Schade, die Verbindung mit Meg konnte er vergessen.

      >> Das glaub ich ihnen gern, aber dass nützt mir im Moment überhaupt nichts, << schimpfte sie, weiter ziemlich ungehalten. >> Auch mit Wasser kann ich bei diesem Stoff gar nichts machen. Dann versuchte sie mit einem Papiertaschentuch den Fleck aufzusaugen, sichtbar erfolglos.

      >> Ich bitte sie aufrichtig um Entschuldigung, ich versuche alles wieder gut zu machen, << beschwor sie Frank, mit der Angst im Nacken, Ärger mit einem Anwalt zu bekommen.

      In diesem Augenblick schaute sie plötzlich hoch und ihre Blicke trafen sich. Für einen Moment hatte er das Gefühl, das ringsherum alles um ihn stehenblieb, die Uhren versagten, der Straßenlärm, der Trubel einfach verstummten. Es war ein Atemzug von Ruhe, der ihm wie eine Ewigkeit vorkam. Frank durchfuhr ein heißer Strom von den Zehenspitzen bis zu den Haarwurzeln, verwoben mit einem Kribbeln, wie bei der Berührung von elektrischen Koppelzäunen an Viehweiden. Er war nicht in der Lage nur einen Laut von sich zu geben. Und auch sie bekam kein Wort heraus, so schien es ihm.

      Sie war auffallend schön, ihre blauen Augen hatten einen zauberhaften Glanz. Das Gesicht umrahmt von kräftigen blonden Haaren hatte derartig markante, anmutige Züge, wie er sie wahrscheinlich noch nie gesehen hatte. Feine Linien formten die Nasenflügel sehr zart und ihr schmaler Mund bekam durch einen dezenten Lippenstift, einen harmonischen Akzent. Ihre Gestalt war schlank und sportlich, die schwarzen Pumps schienen um ihre zierlichen Füße gegossen zu sein. In diesem Moment schaute er sie an, als wäre sie der einzige Mensch auf der Welt. Nach einer Weile des Schweigens ergriff er vorsichtig, immer noch benommen, das Wort. >> Wie wollen wir beide denn nun verbleiben? Soll ich ihnen das Geld für die Reinigung vielleicht gleich geben? << Er griff schon nach seinem Portemonnaie.

      Jetzt lächelte sie, so als ob ihr die Situation Freude bereitete, und ihre weißen Zähne strahlten.

      >> Woher soll ich wissen was die Reinigung kostet, und ich weiß erst recht nicht, ob die Reinigung es überhaupt schafft, daraus noch mal ein sauberes Mäntelchen zu zaubern. << Ihre Stimme war melodisch, und die Vokale klangen weich und rund. Frank lächelte jetzt auch, ließ keinen Blick von dieser Frau. Irgendwie war ihm schwindlig, sicherlich hatte die Röte in seinem Gesicht zugenommen, irgendwas in seinem Körper kochte und er wusste nicht was es war. Trotzdem gab er sich die größte Mühe, nicht erkennen zu lassen, was sich gerade in ihm abspielte.

      >> Lassen sie es gut sein. Das Maleur ist passiert und ich glaube schon, dass mich die Kosten für die Reinigung nicht ins Armenhaus bringen. Außerdem muß ich jetzt dringend ins Büro. << Sie schaute nervös auf ihre Uhr.

      >> Kommt gar nicht in Frage, das kann ich nicht annehmen, das wäre ungehörig. Ich denke, dass ich ihnen meine Karte gebe und sie rufen mich einfach an, wenn der Schaden zu bemessen ist. Ist das okay für sie? << Er nahm eine Visitenkarte aus dem Sakko und reichte sie ihr.

      >> Okay, ich denk schon, dass es so in Ordnung ist. Aber jetzt muß ich unbedingt los, << erklärte sie ungeduldig und ihre Hand winkte schon nach einem Taxi.

      >> Tut mir wirklich leid, dass ich so ungeschickt…..<<

      Sie warf ihm einen fast verführerischen Blick zu. >> Schon gut, << sagte sie, während sie immer noch den gestreckten Arm auf die Strasse hielt. >> Sie brauchen sich für nichts zu entschuldigen. <<

      >> Heißt das, sie verzeihen mir? << fragte Frank.

      >> Verzeihen werde ich ihnen das nie, << antwortete sie mit spöttischer Mimik. >> Aber wenn es sie tröstet, ich hab’s schon vergessen. <<

      Ein gelber Wagen hielt an. Sie schaute ihn noch mal an, reichte ihm die Hand und sagte sacht ein kurzes, >> Bye<<. Frank spürte ihre zarten Finger, sein Herz schien einen Schlag auszusetzen. Er versuchte, seine Aufregung zu verbergen und erwiderte ebenso kurz angebunden wie sie, ein leises Bye.

      Sie öffnete die Tür des Taxis und stieg ein. Er hörte nur noch wie sie zum Fahrer sagte:

      >>