Winnetou Band 1. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия: Winnetou
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742772329
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unterrichtet ist; Ihr aber hättet es mir, ehe die Pferde kommen, sagen müssen.«

       »Das ist richtig, hm! Also hört, die Mustangs sind schon dagewesen.«

       »War das vorhin ihre Spur?«

       »Ja; sie sind gestern hier durch. Es war ein Vortrab, wißt Ihr, so die Kundschafter. Ich muß Euch nämlich

       sagen, daß diese Tiere ungeheuer klug sind. Sie senden immer kleine Trupps voraus und nach den Seiten.

       Sie haben ihre Offiziere, grad wie das Militär, und der Hauptanführer ist stets ein erfahrener, starker und

       mutiger Hengst. Mögen sie weiden oder sich in Bewegung befinden, stets wird die Peripherie der Herde

       von den Hengsten gebildet; dann folgen nach innen die Stuten, und ganz in der Mitte befinden sich die

       Jungen. Dies geschieht darum, daß die Hengste die Stuten und Füllen verteidigen können. Ich habe Euch

       schon wiederholt beschrieben, wie man einen Mustang mit dem Lasso fängt. Habt Ihr es Euch gemerkt?«

       »Selbstverständlich.«

       »Habt Ihr Lust, einen zu fangen?«

       »Ja.«

       »Dann werdet Ihr heute vormittag Gelegenheit dazu finden, Sir.«

       »Danke! Ich werde sie nicht benutzen.«

       »Nicht? All devils! Warum nicht?«

       »Weil ich kein Pferd brauche.«

       »Aber, ein Westmann fragt doch nicht danach, ob er ein Pferd braucht oder nicht!«

       »Dann ist er keineswegs so, wie ich mir einen braven Westmann vorstelle.«

       »Wie soll er denn sein?«

       »Ihr habt gestern von Aasjägern gesprochen, von Weißen, welche die Büffel in Masse töten, ohne daß sie

       ihr Fleisch brauchen. Ich halte das für eine Versündigung an den Tieren und an den roten Menschen,

       denen dadurch Ihre Nahrung geraubt wird. Ihr doch auch?«

       »Freilich!«

       »Grad so ist's auch mit den Pferden. Ich mag keinem dieser herrlichen Mustangs die Freiheit rauben, ohne

       mich damit entschuldigen zu können, daß ich ein Pferd brauche.«

       »Das ist brav gedacht, Sir, sehr brav. Grad so, wie Ihr denkt und redet, muß jeder Mensch und Christ

       denken, reden und handeln. Aber wer hat denn gesagt, daß Ihr einem Mustang die Freiheit rauben sollt?

       Ihr habt Euch im Werfen des Lasso geübt und sollt nur die Probe machen. Ich will sehen, ob Ihr Euer

       Examen besteht. Verstanden?«

       »Das ist etwas Anderes; ja, da mache ich mit.«

       »Schön! Bei mir handelt es sich freilich um den Ernst. Ich brauche ein Pferd und werde mir eins holen.

       Ich habe es Euch schon oft gesagt und sage es Euch jetzt wieder: Sitzt ja recht fest im Sattel, und stemmt

       Euer Pferd gut ein in dem Augenblicke, an welchem sich der Lasso straff zieht und der Ruck erfolgt.

       Wenn Ihr das nicht tut, werdet Ihr umgerissen, und der Mustang rennt davon und zieht Euer Pferd am

       Lasso mit sich fort. Dann habt Ihr kein Pferd mehr und seid ein gemeiner Infanterist, so wie ich jetzt einer

       bin.«

       Er wollte weiter sprechen, hielt aber inne und deutete mit der Hand nach den bereits erwähnten beiden

       Bergen am Nordende der Prairie. Dort erschien ein Pferd, ein einzelnes, lediges Pferd. Es lief langsam

       und ohne zu grasen vorwärts, warf den Kopf bald auf diese, bald auf jene Seite und sog die Luft durch die

       Nüstern ein.

       »Seht Ihr es?« flüsterte Sam. Er sprach vor Erregung nicht laut, sondern leise, obwohl das Pferd uns

       unmöglich hätte hören können. »Habe ich es nicht gesagt, daß sie kommen! Das ist der Späher, welcher

       vorausgesprungen ist, um zu sehen, ob die Gegend sicher ist. Ein schlauer Hengst. Wie er nach allen

       Richtungen äugt und windet! Uns bekommt er nicht weg, denn wir haben den Wind im Gesicht; ich habe

       deshalb diese Stelle gewählt.«

       Jetzt schlug der Mustang einen Trab ein; er rannte geradeaus, dann nach rechts, hierauf nach links, warf

       sich schließlich herum und verschwand da, wo wir ihn hatten erscheinen sehen.

       »Habt Ihr ihn beobachtet?« fragte Sam. »Wie klug er sich benimmt und jeden Busch zur Deckung benutzt

       hat, um nicht gesehen zu werden! Ein indianischer Späher kann es kaum besser machen.«

       [Illustration Nr. 5: Ein Mustang]

       »Das ist richtig. Ich bin ganz erstaunt darüber.«

       »Nun ist er zurück, um seinem vierbeinigen Generale zu melden, daß die Luft rein ist. Sollen sich aber

       getäuscht haben, hihihihi! Ich wette, in höchstens zehn Minuten sind sie da; paßt einmal auf. Wißt Ihr,

       wie wir es machen?«

       »Nun?«

       »Ihr reitet jetzt schnell bis an den Ausgang der Prairie zurück und wartet dort. Ich aber reite bis in die

       Nähe des Einganges hinunter und verstecke mich dort im Walde. Kommt die Herde, so lasse ich sie

       vorüber und jage dann hinter ihr her. Sie wird zu Euch hinauf fliehen; dann laßt Ihr Euch sehen, und da

       flieht sie wieder zurück. So treiben wir sie zwischen uns hin und her, bis wir uns die zwei besten Pferde

       ausgewählt haben; die fangen wir; ich lese mir da wieder das beste aus, und das andere lassen wir laufen.

       Seid Ihr einverstanden?«

       »Wie könnt Ihr so fragen! Ich verstehe ja gar nichts von der Pferdejagd, in welcher Ihr jedenfalls ein

       Meister seid, und habe mich also ganz nach Euren Anordnungen zu verhalten.«

       »Well, habt recht. Habe schon manchen wilden Mustang unter mir gehabt und ihn bezwungen und kann

       wohl behaupten, daß Ihr mit dem "Meister" nichts Dummes gesagt habt. Also, macht Euch davon, sonst

       vergeht die Zeit und wir sind dann nicht an Ort und Stelle.«

       Wir stiegen wieder auf und ritten auseinander, er nordwärts und ich nach Süden, bis dahin, wo wir die

       Prairie betreten hatten. Da mir mein schwerer Bärentöter bei dem, was wir vorhatten, hinderlich war,

       hätte ich mich gern einstweilen seiner entledigt; aber ich hatte gelesen und gehört, daß ein vorsichtiger

       Westmann sich nur dann von seinem Gewehre trennt, wenn er ganz sicher weiß, daß er nichts zu

       befürchten hat und es also nicht brauchen wird. Dies war aber hier nicht der Fall; es konnte in jedem

       Augenblick ein Indianer oder gar ein Raubtier erscheinen; darum sorgte ich nur dafür, daß das "alte Gun"

       fest am Riemen hing und mich nicht schlagen konnte.

       Nun wartete ich mit Spannung auf das Erscheinen der Pferde. Ich hielt zwischen den ersten Bäumen des

       Waldes, an den die Prairie stieß, band das eine Ende des Lasso am Sattelknopfe fest und legte ihn dann in

       Schlingen so vor mich hin, daß ich ihn nur zu erfassen brauchte.

       Das untere Ende der Prairie war so weit von mir entfernt, daß ich die Mustangs, wenn sie dort erschienen,

       nicht sehen konnte. Sie konnten mir erst dann, wenn Sam sie getrieben brachte, sichtbar werden. Ich war

       noch keine Viertelstunde am Platze, als ich da unten eine Menge von dunklen