Lende gebraten ist, soll er das beste und saftigste Stück bekommen; ich schneide es ihm selbst herab; er
hat es verdient. Und wißt ihr, was ich morgen mache?«
»Was?« fragte Stone.
»Ihm eine große Freude.«
»Womit?«
»Er soll einen Mustang fangen dürfen.«
»Du willst auf Mustangs gehen?«
»Ja. Ich muß doch ein neues Pferd haben. Du borgst mir das deinige zur Jagd. Da sich heut die Büffel
gezeigt haben, werden auch die Mustangs kommen. Ich denke, daß ich nur nach der Prairie hinunter zu
reiten brauche, wo wir noch vorgestern die Bahn abgesteckt und vermessen haben. Dort muß es Mustangs
geben, sobald diese wilden Pferde hier in dieser Breite angekommen sind.«
Ich lauschte nicht weiter, sondern ging wieder zurück und durch ein Buschwerk, um mich den drei Jägern
von einer andern Seite zu nähern. Sie durften nicht erfahren, daß ich gehört hatte, was ich doch nicht
hören sollte.
Es wurde ein Feuer angebrannt, neben welchem zwei Gabeläste in die Erde gesteckt wurden. Sie gaben
die Unterlage für den Bratspieß, der aus einem starken, geraden Aste bestand. Die drei befestigten an ihm
die ganze Lende, und dann begann Sam Hawkens den Spieß langsam und mit künstlerischem
Verständnisse zu drehen. Das wonnevolle Gesicht, welches er dabei machte, machte mir heimlich Spaß.
Als die Andern mit dem Fleische zurückkehrten, folgten sie unserm Beispiele, indem sie sich auch einige
Feuer anbrannten. Freilich ging es da bei ihnen nicht so ruhig und friedlich her wie bei uns. Da jeder für
sich braten wollte, so mangelte es an Platz, und die Folge war, daß sie ihre Portionen halb roh verzehrten.
Ich bekam wirklich das beste Stück; es mochte drei Pfund wiegen, und ich aß es auf. Man halte mich ja
nicht infolgedessen für einen Vielesser; ich habe im Gegenteile immer weniger gegessen als Andere, die
sich in meinen Verhältnissen befanden; aber es ist für Einen, der es nicht weiß oder nicht selbst erlebt und
mitgemacht hat, kaum zu glauben, was für Fleischmengen ein Westmann zu sich nehmen kann und auch
zu sich nehmen muß, wenn er bestehen will.
Der Mensch braucht zu seiner Ernährung außer den anorganischen Stoffen eine gewisse Menge von
Eiweiß und von Kohlenstoff und vermag sich beides gar wohl in der richtigen Mischung zu verschaffen,
wenn er in einer zivilisierten Gegend lebt. Der Westmann, welcher viele Monate lang in keine bewohnte
Gegend kommt oder kam, lebte nur vom Fleische, welches wenig Kohlenstoff enthält; er mußte also
große Portionen essen, um seinem Körper die notwendige Menge Kohlenstoff zuzuführen. Daß er dabei
unnötig viel Eiweiß genoß, welches seiner Ernährung nicht zugute kam, mußte ihm gleichgültig sein. Ich
habe einen alten Trapper acht Pfund Fleisch auf einmal essen sehen, und als ich ihn dann fragte, ob er satt
sei, antwortete er schmunzelnd:
»Muß es wohl sein, denn ich habe nicht mehr; wenn Ihr mir aber ein Stück von dem Euren geben wollt,
so sollt Ihr nicht ewig zu warten brauchen, bis Ihr es nicht mehr seht.«
Während des Essens unterhielten sich unsere »Westmänner« von unserer Büffeljagd. Sie hatten, wie ich
hörte, als sie die beiden Bullen sahen, denn doch einen andern Begriff von der »Dummheit« erhalten, die
ich begangen haben sollte.
Am andern Morgen tat ich, als ob ich an die Arbeit gehen wolle; da kam Sam zu mir und sagte:
»Laßt Eure Instrumente nur immer liegen, Sir; es gibt etwas zu tun, was interessanter ist.«
»Was?«
»Werdet es erfahren. Macht Euer Pferd fertig; wir reiten aus.«
»Spazieren? Da geht die Arbeit vor!«
»Pshaw! Habt Euch genug geplagt. Ich denke übrigens, daß wir schon zu Mittag zurück sein werden.
Dann könnt Ihr meinetwegen messen und rechnen, so viel Ihr wollt.«
Ich machte Bancroft die nötige Mitteilung, und dann ritten wir fort. Sam tat unterwegs sehr
geheimnisvoll, und ich sagte ihm nicht, daß ich seine Absicht bereits kannte. Der Ritt ging auf der von
uns vermessenen Strecke zurück, bis wir die Prairie erreichten, welche Sam gestern bezeichnet hatte.
Sie war wohl zwei englische Meilen breit und doppelt so lang und wurde von bewaldeten Höhen
umrandet. Da sie von einem ziemlich breiten Bach durchflossen wurde, gab es Feuchtigkeit genug und
infolgedessen einen saftigen Graswuchs. Im Norden konnte man zwischen zwei Bergen hervor auf diese
Prairie gelangen, und im Süden endete sie in einem Tale, welches nach dieser Richtung weiterführte. Als
wir hier angelangt waren, blieb Hawkens halten und überflog die Ebene mit einem forschenden Blicke;
dann ritten wir weiter, nordwärts und am Bache hin. Plötzlich stieß er einen Ruf aus, parierte sein Pferd,
welches freilich nicht das seinige, sondern ein geborgtes war, stieg ab, sprang über den Bach und ging auf
eine Stelle zu, wo das Gras niedergetreten war. Er untersuchte den Ort, kam zurück, stieg wieder in den
Sattel und ritt weiter, doch nicht wie bisher in nördlicher Richtung, sondern er bog von dieser in einem
rechten Winkel ab, so daß wir nach kurzer Zeit den westlichen Rand der Prairie erreichten. Hier stieg er
wieder ab und ließ sein Pferd grasen, band es aber sorgfältig an. Seit er die Spur untersucht hatte, war
kein Wort aus seinem Munde gekommen, aber über sein bärtiges Gesicht war der Ausdruck der
Zufriedenheit ausgebreitet wie Sonnenschein über eine waldige Gegend. Jetzt forderte er mich auf:
»Steigt auch ab, Sir, und bindet Euer Pferd fest an! Wir werden hier warten.«
»Warum fest anbinden?« fragte ich, obgleich ich es recht gut wußte.
»Weil Ihr es sonst leicht verlieren könntet. Habe wiederholt gesehen, daß die Pferde bei solchen
Gelegenheiten durchgegangen sind.«
»Was für Gelegenheiten?«
»Ahnt Ihr das nicht?«
»Hm!«
»Ratet einmal!«
»Mustangs?«
»Wie kommt Ihr darauf?« fragte er, indem er mich rasch und verwundert anblickte.
»Weil ich es gelesen habe.«
»Was?«
»Daß die zahmen Pferde, wenn sie nicht fest angebunden werden, gern mit den wilden Mustangs
durchgehen.«
»Hol Euch der Teufel! Alles habt Ihr gelesen, und da ist es nicht gut möglich, Euch zu überraschen. Da
lobe ich mir die Leute, welche gar nicht lesen können!«
»Wollt Ihr mich überraschen?«
»Natürlich.«
»Mit einer Mustangjagd?«
»Ja.«