Winnetou Band 1. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия: Winnetou
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742772329
Скачать книгу
Greenhorn. Ich habe mich nicht bei ihm bedankt und werde es auch nicht tun; aber wenn nachher unsere

       Lende gebraten ist, soll er das beste und saftigste Stück bekommen; ich schneide es ihm selbst herab; er

       hat es verdient. Und wißt ihr, was ich morgen mache?«

       »Was?« fragte Stone.

       »Ihm eine große Freude.«

       »Womit?«

       »Er soll einen Mustang fangen dürfen.«

       »Du willst auf Mustangs gehen?«

       »Ja. Ich muß doch ein neues Pferd haben. Du borgst mir das deinige zur Jagd. Da sich heut die Büffel

       gezeigt haben, werden auch die Mustangs kommen. Ich denke, daß ich nur nach der Prairie hinunter zu

       reiten brauche, wo wir noch vorgestern die Bahn abgesteckt und vermessen haben. Dort muß es Mustangs

       geben, sobald diese wilden Pferde hier in dieser Breite angekommen sind.«

       Ich lauschte nicht weiter, sondern ging wieder zurück und durch ein Buschwerk, um mich den drei Jägern

       von einer andern Seite zu nähern. Sie durften nicht erfahren, daß ich gehört hatte, was ich doch nicht

       hören sollte.

       Es wurde ein Feuer angebrannt, neben welchem zwei Gabeläste in die Erde gesteckt wurden. Sie gaben

       die Unterlage für den Bratspieß, der aus einem starken, geraden Aste bestand. Die drei befestigten an ihm

       die ganze Lende, und dann begann Sam Hawkens den Spieß langsam und mit künstlerischem

       Verständnisse zu drehen. Das wonnevolle Gesicht, welches er dabei machte, machte mir heimlich Spaß.

       Als die Andern mit dem Fleische zurückkehrten, folgten sie unserm Beispiele, indem sie sich auch einige

       Feuer anbrannten. Freilich ging es da bei ihnen nicht so ruhig und friedlich her wie bei uns. Da jeder für

       sich braten wollte, so mangelte es an Platz, und die Folge war, daß sie ihre Portionen halb roh verzehrten.

       Ich bekam wirklich das beste Stück; es mochte drei Pfund wiegen, und ich aß es auf. Man halte mich ja

       nicht infolgedessen für einen Vielesser; ich habe im Gegenteile immer weniger gegessen als Andere, die

       sich in meinen Verhältnissen befanden; aber es ist für Einen, der es nicht weiß oder nicht selbst erlebt und

       mitgemacht hat, kaum zu glauben, was für Fleischmengen ein Westmann zu sich nehmen kann und auch

       zu sich nehmen muß, wenn er bestehen will.

       Der Mensch braucht zu seiner Ernährung außer den anorganischen Stoffen eine gewisse Menge von

       Eiweiß und von Kohlenstoff und vermag sich beides gar wohl in der richtigen Mischung zu verschaffen,

       wenn er in einer zivilisierten Gegend lebt. Der Westmann, welcher viele Monate lang in keine bewohnte

       Gegend kommt oder kam, lebte nur vom Fleische, welches wenig Kohlenstoff enthält; er mußte also

       große Portionen essen, um seinem Körper die notwendige Menge Kohlenstoff zuzuführen. Daß er dabei

       unnötig viel Eiweiß genoß, welches seiner Ernährung nicht zugute kam, mußte ihm gleichgültig sein. Ich

       habe einen alten Trapper acht Pfund Fleisch auf einmal essen sehen, und als ich ihn dann fragte, ob er satt

       sei, antwortete er schmunzelnd:

       »Muß es wohl sein, denn ich habe nicht mehr; wenn Ihr mir aber ein Stück von dem Euren geben wollt,

       so sollt Ihr nicht ewig zu warten brauchen, bis Ihr es nicht mehr seht.«

       Während des Essens unterhielten sich unsere »Westmänner« von unserer Büffeljagd. Sie hatten, wie ich

       hörte, als sie die beiden Bullen sahen, denn doch einen andern Begriff von der »Dummheit« erhalten, die

       ich begangen haben sollte.

       Am andern Morgen tat ich, als ob ich an die Arbeit gehen wolle; da kam Sam zu mir und sagte:

       »Laßt Eure Instrumente nur immer liegen, Sir; es gibt etwas zu tun, was interessanter ist.«

       »Was?«

       »Werdet es erfahren. Macht Euer Pferd fertig; wir reiten aus.«

       »Spazieren? Da geht die Arbeit vor!«

       »Pshaw! Habt Euch genug geplagt. Ich denke übrigens, daß wir schon zu Mittag zurück sein werden.

       Dann könnt Ihr meinetwegen messen und rechnen, so viel Ihr wollt.«

       Ich machte Bancroft die nötige Mitteilung, und dann ritten wir fort. Sam tat unterwegs sehr

       geheimnisvoll, und ich sagte ihm nicht, daß ich seine Absicht bereits kannte. Der Ritt ging auf der von

       uns vermessenen Strecke zurück, bis wir die Prairie erreichten, welche Sam gestern bezeichnet hatte.

       Sie war wohl zwei englische Meilen breit und doppelt so lang und wurde von bewaldeten Höhen

       umrandet. Da sie von einem ziemlich breiten Bach durchflossen wurde, gab es Feuchtigkeit genug und

       infolgedessen einen saftigen Graswuchs. Im Norden konnte man zwischen zwei Bergen hervor auf diese

       Prairie gelangen, und im Süden endete sie in einem Tale, welches nach dieser Richtung weiterführte. Als

       wir hier angelangt waren, blieb Hawkens halten und überflog die Ebene mit einem forschenden Blicke;

       dann ritten wir weiter, nordwärts und am Bache hin. Plötzlich stieß er einen Ruf aus, parierte sein Pferd,

       welches freilich nicht das seinige, sondern ein geborgtes war, stieg ab, sprang über den Bach und ging auf

       eine Stelle zu, wo das Gras niedergetreten war. Er untersuchte den Ort, kam zurück, stieg wieder in den

       Sattel und ritt weiter, doch nicht wie bisher in nördlicher Richtung, sondern er bog von dieser in einem

       rechten Winkel ab, so daß wir nach kurzer Zeit den westlichen Rand der Prairie erreichten. Hier stieg er

       wieder ab und ließ sein Pferd grasen, band es aber sorgfältig an. Seit er die Spur untersucht hatte, war

       kein Wort aus seinem Munde gekommen, aber über sein bärtiges Gesicht war der Ausdruck der

       Zufriedenheit ausgebreitet wie Sonnenschein über eine waldige Gegend. Jetzt forderte er mich auf:

       »Steigt auch ab, Sir, und bindet Euer Pferd fest an! Wir werden hier warten.«

       »Warum fest anbinden?« fragte ich, obgleich ich es recht gut wußte.

       »Weil Ihr es sonst leicht verlieren könntet. Habe wiederholt gesehen, daß die Pferde bei solchen

       Gelegenheiten durchgegangen sind.«

       »Was für Gelegenheiten?«

       »Ahnt Ihr das nicht?«

       »Hm!«

       »Ratet einmal!«

       »Mustangs?«

       »Wie kommt Ihr darauf?« fragte er, indem er mich rasch und verwundert anblickte.

       »Weil ich es gelesen habe.«

       »Was?«

       »Daß die zahmen Pferde, wenn sie nicht fest angebunden werden, gern mit den wilden Mustangs

       durchgehen.«

       »Hol Euch der Teufel! Alles habt Ihr gelesen, und da ist es nicht gut möglich, Euch zu überraschen. Da

       lobe ich mir die Leute, welche gar nicht lesen können!«

       »Wollt Ihr mich überraschen?«

       »Natürlich.«

       »Mit einer Mustangjagd?«

       »Ja.«