Winnetou Band 1. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия: Winnetou
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742772329
Скачать книгу
dann die

       Schinken und die Tatzen ausgezeichnet schmecken zu lassen.«

       »Ihr seid ein ganz unverbesserlicher Mensch, und es wird mir himmelangst um Euch. Dankt lieber Gott,

       wenn Ihr diese Schinken und Tatzen niemals kennen lernt! Dabei will ich freilich nicht verhehlen, daß es

       keine größere Delikatesse gibt, soweit die Erde reicht; sie gehen sogar noch weit über die feinste

       Büffellende.«

       »Wahrscheinlich braucht Ihr jetzt noch nicht um mich besorgt zu sein. Oder sollte es auch hier in dieser

       Gegend graue Bären geben?«

       »Warum nicht? Der Grizzly kommt im ganzen Gebirge vor; er folgt den Flüssen und geht zuweilen sogar

       weit in die Prärie hinein. Wehe dem, auf den er trifft! Reden wir nicht mehr davon!«

       Er ahnte ebensowenig wie ich, daß schon am nächsten Tage dieses Thema wieder und noch ganz anders

       als heut zur Sprache kommen und dieses so gefürchtete Tier uns in den Weg treten werde. Es gab

       überhaupt keine Zeit, das Gespräch fortzuführen, denn wir waren jetzt bei dem Lager angelangt. Man

       hatte es eine ziemliche Strecke vorgeschoben, weil dieselbe während unserer Abwesenheit vermessen

       worden war. Bancroft hatte sich mit den drei Surveyors außerordentlich ins Zeug gelegt, um endlich auch

       einmal zu zeigen, was er leisten konnte. Wir erregten Aufsehen.

       »Ein Maultier, ein Maultier!« wurde gerufen. »Wo habt Ihr es her, Hawkens, woher?«

       »Direkt geschickt bekommen,« antwortete er im ernsthaftesten Tone.

       »Nicht möglich! Von wem, von wem?«

       »Durch die Eilpost, per Kreuzband für zwei Cents. Wollt ihr den Umschlag vielleicht sehen?«

       Einige lachten, die Andern schimpften; aber er hatte seinen Zweck erreicht; man fragte ihn nicht weiter.

       Ob er gegen Dick Stone und Will Parker jetzt gleich mitteilsamer war, konnte ich nicht beobachten, weil

       ich mich sofort an der Vermessungsarbeit beteiligte. Diese schritt bis zum Abend so weit fort, daß wir

       morgen früh das Tal in Angriff nehmen konnten, in welchem wir gestern das Zusammentreffen mit den

       Bisons gehabt hatten. Als wir am Abende davon sprachen, fragte ich Sam, ob wir da vielleicht von den

       Büffeln gestört werden

       [Tafel Nr. 2: "Bd. VII. Seite Arme hielten den Baum fest umschlungen ... (Zu S. 87.)"]

       könnten, da diese, wie es ja scheinen wollte, ihre Richtung durch das Tal einschlagen würden. Wir hatten

       es mit einem Vortrupp zu tun gehabt und konnten uns nun wohl auf das Erscheinen der Hauptherde

       gefaßt machen. Da antwortete er:

       »Denkt das ja nicht, Sir! Die Bisons sind nicht weniger klug als die Mustangs. Die von uns verjagten

       Vorposten sind zurückgekehrt und haben die Herde gewarnt; diese schlägt nun sicher eine ganz andere

       Richtung ein und wird sich hüten, durch dieses Tal zu kommen.«

       Als der Morgen anbrach, verlegten wir unser Lager nach dem oberen Teil desselben. Hawkens, Stone und

       Parker beteiligten sich nicht daran, denn der Erstere wollte seine neue "Mary" zureiten, und die beiden

       Andern begleiteten ihn, als er sich nach der Präirie entfernte, auf welcher wir das Maultier gefangen

       hatten; dort gab es für sein Vorhaben Platz genug.

       Wir Surveyors beschäftigten uns zunächst mit dem Anbringen der Meßstangen, wobei uns einige

       Untergebene von Rattler halfen; dieser selbst schlenderte mit den Andern nichtstuend in der Umgebung

       herum. Dabei kamen wir und auch er der Stelle näher, an welcher ich die beiden Büffels erlegt hatte. Zu

       meinem Erstaunen bemerkte ich da, daß der alte Bulle nicht mehr da war. Wir gingen hin und sahen, daß

       von dem Punkte, wo er gelegen hatte, eine breite Spur nach den Büschen führte; das Gras war gegen zwei

       Ellen breit niedergeschleift.

       »Alle Wetter! Ist so etwas möglich?« rief Rattler aus. »Ich habe, als wir das Fleisch holten, die beiden

       Bullen doch genau untersucht; sie waren tot, und doch hat dieser hier noch Leben in sich gehabt.«

       »Meint Ihr das?« fragte ich ihn.

       »Jawohl. Oder denkt Ihr, daß ein toter Büffel sich entfernen kann?«

       »Muß er sich selbst entfernt haben? Er kann doch auch entfernt worden sein.«

       »So? Von wem denn?«

       »Von Indianern zum Beispiel. Wir haben weiter oben die Spur eines Indianerfußes entdeckt.«

       »So! Wie klug und weise doch so ein Greenhorn reden kann! Wenn er von Indianern fortgeschafft

       worden wäre, woher sollen diese gekommen sein?«

       »Irgend woher.«

       »Das ist sehr richtig. Vielleicht sogar vom Himmel herunter! Denn von da herunter müssen sie gefallen

       sein, weil man sonst ihre Fährte sehen müßte. Nein, es ist noch Leben in dem Büffel gewesen, und er hat

       sich, als er erwachte, von hier fort und in die Büsche geschleppt; dort ist er natürlich inzwischen verendet.

       Wollen gleich einmal nachsuchen.«

       Er ging mit seinen Leuten der Spur nach. Vielleicht hatte er geglaubt, ich würde mitgehen; ich tat dies

       aber nicht, denn die höhnische Art und Weise, in der er mit mir gesprochen hatte, gefiel mir nicht, und ich

       hatte zu arbeiten; übrigens konnte es mir auch sehr gleichgültig sein, wohin die Leiche des alten Bullen

       gekommen war. Ich wendete mich also meiner Beschäftigung wieder zu, hatte aber noch nicht zur

       Meßstange gegriffen, als aus dem Gebüsch ein vielstimmiges Angstgeschrei erscholl; zwei, drei Schüsse

       krachten, und dann hörte ich Rattler rufen:

       »Auf die Bäume, schnell auf die Bäume, sonst seid ihr verloren! Er kann nicht klettern.«

       Wen meinte er, der nicht klettern konnte? Da kam einer seiner Leute aus dem Gebüsch gesprungen, und

       zwar in Sätzen, wie man sie nur in der Todesangst zu machen vermag.

       »Was ist's, was gibt's?« rief ich ihm zu.

       »Ein Bär, ein gewaltiger Bär, ein grauer Grizzlybär!« keuchte er, indem er an mir vorüberrannte.

       Zu gleicher Zeit schrie eine zeternde Stimme:

       »Zu Hilfe, zu Hilfe! Er hat mich fest! Oh, oh!«

       In dieser Weise konnte ein Mensch nur dann brüllen, wenn er den offenen Rachen des Todes vor sich

       gähnen sah. Der Mann befand sich jedenfalls in der äußersten Gefahr; es mußte ihm Hilfe werden. Aber

       wie? Ich hatte mein Gewehr beim Zelte gelassen, weil es mich bei der Arbeit hinderte. Dies war keine

       Unvorsichtigkeit von mir gewesen, da wir Surveyors ja die Westmänner zu unserem Schutze bei uns

       hatten. Wollte ich erst nach dem Zelte laufen, so wurde der Mann, ehe ich zurückkam, von dem Bären

       zerrissen; ich mußte also hin zu ihm, so wie ich war; ich hatte nur das Messer und die beiden Revolver im

       Gürtel. Was sind aber das für Waffen gegen einen Grizzlybären! Der Grizzly ist ein naher Verwandter des

       ausgestorbenen Höhlenbären und gehört eigentlich mehr der Urzeit als der Gegenwart an. Er wird bis