Ich denke, ja. Und nicht nur auf der erdzugewandten Seite, sondern über die ganze Oberfläche und unter der Oberfläche verteilt, also auch dort, wo ich jetzt träumend im Sonnenlicht badend liege: auf der „dunklen Seite“, die der Erde niemals zugewandt ist.
Irgendwann erhebe ich mich wieder, steige auf, schwebe über der Rückseite dahin und nehme mit Menschen- und Nichtmenschensinnen alles dort unten wahr und in mich auf: Unmengen von Kratern, Hochländern und auch das gewaltige Aitken-Südpolbecken, kilometertief, gigantisch in seinen Dimensionen.
Was schlug hier wann wohl ein?
Dort liegt der große Krater namens Bailey mit einem Durchmesser von 295 Kilometern und 4000 Meter Tiefe, der sie sicherlich nicht erwartet, die eines Tages auf ihm herumtrampeln werden: die ersten Bergsteiger und Touristen.
Und da ist noch etwas anderes. Oh ja, ich kenne es ein wenig. Es ist ein Teil von dem, das auf dem Grund des Erdenmeeres liegt. Es ist von ES und ist es doch nicht. Es schlummert und träumt von Dingen, die kein Mensch, weder Geist noch Seele, jemals verstehen kann. Es träumt von seiner schwarzen Heimat T-her.
Und mir wird einiges klar, was ich niemals sah und was doch geschah. Ich sehe die Bilder von damals, von den Donnerpferden der Prärie, von den großen Knochen, die die Krieger fanden und andere später Dinosaurier nannten. Ich sehe IHN dort in der Nacht mit erhobenem Schwert stehen. Ich sehe in mir, was einst fern von hier auf Erden geschah: ER hält SEIN Schwert mit Namen MO empor. Nun glüht es auf, färbt sich rot in der heraufziehenden Nacht. Rote Flammenzungen züngeln ringsum, darin, aus IHM heraus. Sonst geschieht nichts.
So bleibt es lange Zeit.
Dann schießt ein Feuerstrahl aus der Klingenspitze in die schwarzen Wolken dort oben, die nun im Rot des noch immer untergehenden Sonn brennen.
Dies geschieht. Mehr passiert nicht.
Wieder vergeht Zeit.
Der Sonn ist längst versunken. Es ist Nacht. Noch immer steht ER dort still, zur Säule erstarrt. Von tiefstem und reinstem Schwarz ist SEIN Körper, und schwarz ist MO. Schwarz ist der Himmel - sternenlos, dort, wo SEIN Körper ihn verdeckt. SEINE Augen strahlen rot - glühende Sonnen in der Nacht. Hell scheint die Volle Mondin dort über IHM. ER und MO, längst schon eins, schimmern in mildblauem Schein. Dann und wann springt ein Blitz vom Schwert zur Mondin empor. Und auch von oben zu IHM hinab?
Jetzt verstehe ich. Kommunikation. ER schickte Signale aus. Zu wem?
Hier nun, fast eins mit der Mondin geworden, weiß ich, dass sie es nicht war, mit der ER damals sprach, sondern mit jemandem auf oder tief in ihr. Mittels der Blitze aus SEINEM Schwert sprach ER einst mit SEINER Schwester hier oben auf der „dunklen“ Seite der Mondin, mit IHR, die Millionen von Jahren älter war als ER. Wie aber gelangten die Blitze auf diese erdabgewandte Seite? Gingen sie durch sie hindurch, in dem sie sich in Schall verwandelten, die Mondin erbeben ließen und die Empfängerin erreichten? Nein. Sie bildeten einen Ring aus der gewaltigen Energie, die irdische Blitze in sich tragen, einen um die Mondin rotierenden Ring, der SIE suchte und hier an dieser Stelle, wo ich nun schwebe, fand und schwarze Feuerpulse zu IHR hinunter sandte. Und schwarze Blitze schickte SIE IHM auf dem gleichen Weg zurück, die kein Mensch sah und kein Erdenwesen außer ES und SEINEN Kindern wahrnehmen konnte.
SIE ist es, die ich dort unten spüre. Nein, SIE ist nicht mehr da. Dort lag SIE und schlief und träumte. Jahrmillionen ist es her, dass SIE die Erde verließ und sich hier zur Ruhe legte. So war es bis zu der Nacht, in der sie alle, ER und SIE in ES, nach T-her heimkehrten. Das aber ist noch gar nicht lange her.
Ich denke an den Tod, denn ER und SIE, beide gingen in ES auf. Ich denke an den Tod und weine. Wie oft tat ich es, als ich noch lebte! Nun bin ich selber tot, körperlos lebe ich doch und weine noch immer. Ach ja, da ist ein Unterschied. Damals waren da noch Tränen aus Wasser und Salz, die beide Wangen meines Menschengesichts hinabliefen. Jetzt weint „nur“ meine Seele.
Ich kehre auf die erdzugewandte Seite der Mondin zurück, doch lande ich nicht mehr, bin einfach nur da, schwebe über allen Dingen, und meine Seele atmet die Stille, die nirgends auf Erden mehr ist, seit es dort eine Atmosphäre gibt.
Ach ja, fällt mir ein: Die Schwerkraft, von der wir immer reden und die es gar nicht gibt, denn es ist ja die Raumkrümmung der Massen, die die Dinge an sich zieht, diese sogenannte Schwerkraft beträgt auf der Mondin bekanntlich nur ein Sechstel so groß wie auf Erden. Ich sehe die ersten Astronauten vor mir: Einer unter ihnen schlug hier einst einen Golfball 200 Meter weit. Ein anderer entdeckte, dass die Fortbewegung durch Kängurusprünge, wie es auch Menschenkinder gerne tun, hier einfacher als Laufen ist. Also hüpften hier einst Astronauten in ihren weißen, klobigen Anzügen über den Sand. Ich fand ja ihre Spuren. Ein kleiner Schritt für einen Menschen und ein großer Sprung für die Menschheit. So soll es doch ganz spontan einer gesagt haben?
Wie auch immer, auch ich könnte ja hier ein Zeugnis für meinen Besuch hinterlassen. Einen Körper besitze ich nicht mehr, doch alles ist nur eine Sache der Konzentration, von Gelassenheit, Stille. So lasse ich Steine sich schärfen, ha, die Steinzeit hat jetzt hier begonnen. Und mit einem Faustkeil, der eigentlich gar kein Faustkeil ist, denn ich bilde keinen Körper, also auch keine Hand, und forme keine Faust, mit ihm schreibe ich in den Stein:
FÜR ALLE MENSCHEN NACH MIR
Grüße von einem Toten,
der ewig lebt in allen Dingen.
Kommt in Frieden - Werdet endlich eins – Menschen!
Manfred
Ich schwebe zurück und schaue mir meine Worte an, die gewiss auch bald auf Erden bekannt sein und heftige Spekulationen über Aliens auslösen werden.
Werden?
Werden hier irgendwann zwölf Meter große, grazile Wesen leben, deren ferne Ahnen Menschen waren, die längst Kinder der Mondin sind, deren Körper nicht mehr für die Erde taugen?
Ich schwebe davon.
Noch einmal schaue ich zurück.
Wie seltsam dreigeteilt und verzerrt sie mir nun erscheint, die ich nie mehr im Le..., im Tode betreten werde.
Ich drehe mich um und sehe einen Wirbel vor mir, der immer größer wird.
Also komme ich näher. Oder nähert er sich mir?, frage ich mich noch.
Schwärze.
Nairras Tod und Wiedergeburt
Du hältst Manfred fest umschlungen. Denn er ist die Liebe deines Lebens, die erste, einzige - und letzte. Dich gebe ich nie wieder her, denkst du so glücklich. Du könntest die ganze Welt umarmen. Ach, jetzt halten wir uns gar an den Händen wie Hänsel und Gretel im dunklen Wald. Doch da ... Er lächelt dir zu. Das letzte Bild, das du ewig von ihm in dir trägst, als etwas von unten ... Schreist du noch vor Schmerzen auf? Ist da was? Was ist da in dich eingedrungen? Da ist doch wer in dir. Du ...
Nairras Körper fällt, denn SEIN Schwarzes Schwert mit Namen MO hat sie von unten nach oben, durch Geschlecht, Bauch, Brust, Hals und Kopf, in zwei Teile gespalten. Lautlos fallen ihre Körperhälften zu Boden. Kein Urin, kein Kot, kein Blut, denn alles verbrannte und versiegelte MO. Nairras Seele steigt auf.
Dort unten nimmst du verschwommen die Reste deines Körpers noch wahr. Dort unten ist ER, der nicht lieben kann und deshalb alle Liebenden hasst!? Dort unten hörst du ein letztes Mal Manfred, deine große Liebe, der IHM seinen Schmerz, doch auch seinen Hass entgegenbrüllt: „SCHAITAN!!!“
Dann siehst du IHN gehen und Manfred vergeblich versuchen, deinen Körper wieder zum Leben zu erwecken. Wie verzweifelt er ist! So sehr hat er dich geliebt! Du hauchst ihm Mut zum Weiterleben ein, denn noch ist die Zeit der Wiedervereinigung nicht gekommen. Du siehst, wie er dich unter einem Steinhügel begräbt: in sitzender Position mit dem Gesicht nach Osten, dem aufgehenden Sonn entgegen.
Jetzt ist alles gut. Manfred ist weitergezogen. Alles