All diese Spinnenwesen sind fast so groß wie irdische Menschen, haben ein effektiveres Atmungssystem entwickelt als die Spinnen auf Erden und atmen eine sauerstoffreiche Luft. Sie alle sind intelligente Wesen.
Diese eine Spinne aber weint. Nicht, dass da Tränen flössen aus einem ihrer sechs kleinen oberen oder den beiden vorderen großen Augen. Innerlich weint sie und betet zu ihrer Spinnengöttin, dass sie ihre Geschwister wiederbringe, die ein großes Ding - vielleicht war es ja ein gewaltiger Schnabel oder ein Kiefer? - ihr nahm. Wir hören ihr Gebet einen Augenblick lang aus all den Wünschen so vieler Wesen dieser von uns erschaffenen Welt. Wir haben die Macht, ihren Wunsch zu erfüllen. Wir könnten es, und tun es doch nicht. Täten Wir es, dann würde ein junger Riesenvogel verhungern. Und zahlreiche Beutetiere/Mahlzeiten dieser wiederbelebten Spinnen müssten dann sterben, die so überleben. Und manche ihrer Geschwister würden eine Zeitlang leben und dann doch verhungern. Denn ihre Welt ist grausam, und ihr Leben ist hart. Und diese würden die ungerechte Göttin beklagen, denn sie hatten doch niemandem etwas getan außer dem, was ihnen angeboren war, nämlich andere Wesen zu töten und zu essen. Womit hatten sie all das verdient? Das war doch einfach nicht fair.
So ist es. Stirbt nicht der eine, stirbt ein anderer.
Wäre einst auf Erden die eine oder andere Spitzmaus erbeutet worden, so hätte es vielleicht niemals Halbaffen gegeben, keine Affen, keine Menschen und keine Menschengötter, zu denen einige von Uns wurden.
Und das alles sind nur die Gedanken kleiner Götter, Unsere Gedanken.
Nur GOTT allein weiß, was wie alles anders geworden wäre und wie es vielleicht in unzähligen parallelen Welten realisiert ist.
Wir wissen es nicht.
Saturn
Jetzt schwebe ich über dem sechsten Planeten mit dem römischen Götternamen Saturn.
Still scheint auch er da zu stehen, einen Augenblick lang. Dann verändere ich die zeitliche Auflösung meiner Sinneswahrnehmung. Jetzt kann ich das, was einst auf Erden nur Kameras konnten, ich sehe vor mir, seine Ringe sich im Zeitraffer drehen. Auch hinken die Pole dem Äquator ganz schön hinterher. Ist eben alles nur Gas, nichts Festes. Da haben wir ja schon etwas gemeinsam. Körperlos, wie ich bin, Seelengeist, könnte ich dort unten eins mit Helium und Wasserstoff werden, ein winziges Teilchen vom großen Ganzen - Saturn.
Hier oben aber warten die Ringe auf mich.
Und eine Stimme in mir spricht: „Eine Milliarde Kilometer reisen und dann in deinen Ringen aufgehen, das wäre doch was!“
Ja, da gebe ich meinem Herr und Meister Dort Oben Recht. Ich tue das, wovon Er nur träumen kann. Körperlos dringe ich in einen der vielen Steine ein und werde eins mit ihm. Bin nun einer von vielen, doch nicht im Mineral aufgegangen und verloren. Ich denke, also bin ich.
Und all die anderen denken wohl nicht und sind doch?
So ist es. Träumend treiben wir durch stillen Raum dahin.
Irgendwann, es mögen Sekunden, Tage, Jahre, Jahrzehnte oder auch Jahrhunderte, Jahrtausende - die irdischen Zeitbegriffe sind noch immer in mir lebendig - vergangen sein, löse ich mich aus meinem träumenden Treiben.
Und da flüstert mir schon wieder die Stimme, der ich andächtig lausche, Namen zu. Worte sind es, Menschennamen: „Albiorix, Atlas, Calypso, Dione, Enceladus, Epimetheus, Erriapo, Helene, Hyperion, Ijiraq, Janus, Japetus, Kiviuq, Methone, Mimas, Mundilfari, Narvi, Paaliaq, Pan, Pallene, Pandora, Phoebe, Polydeuces, Prometheus, Rhea, Siarnaq, Skathi, Suttungr, Tarvos, Telesto, Tethys, Thrymr, Titan, Ymir. So viele Monde gibt es hier, so viele und noch viel mehr.“
Unter all den vielen rufen nur drei Erinnerungen wach. Drei Monde ziehen mich magisch an.
Auf Japetus landen und verweilen. Dort stehen, Saturn und seine Ringe sehen. Welch ein Traum, den unsere Kindeskinder erleben werden, die keine Menschen mehr, sondern Cyborgs und neue Wesen sein werden, die ihre Körper nach ihren Bedürfnissen wechseln, so wie es die Lebenden unter uns Menschen heute mit ihrer Kleidung tun. Auch ich kann das. Doch sie werden es als Lebende tun. Sie sind noch nicht geboren. Ich bin tot, stehe doch nun hier auf Japetus und schaue den Saturn mit seinen Ringen.
Dann ist da der Mond, der den Namen des zweiten Göttergeschlechts trägt: Titan. Einst war er bei den alten Griechen Sohn des Himmelsgottes Uranos. Sohn von Saturn ist er hier, der fing ihn mit seiner gigantischen Masse ein. Titan ist sein größtes Kind, nicht öde, leer und nackt, wie so viele Planeten und Monde, sondern nebelbedeckt. Das weckt meine Neugier. Ich schwebe zu ihm hinab.
In mir flüstert die bekannte Stimme von längst vergangenen Erdendingen: „Mein Mond, nannte vor mehr als 300 Jahren Christian Huygens Titan. In Ferngläsern und Teleskopen zeigt er sich, und die Sonden Pioneer, Voyager sowie Cassini-Huygens erkundeten und landeten auf ihm.“
Ich aber verweile jetzt körperlos hier und fühle mich in ihn ein. Da ist in der Tiefe ein steinerner Kern, umhüllt von Wassereis. Über mir ziehen Wolken aus Methan in dieser in Menschenaugen orangenen Stickstoffatmosphäre. Wäre es hier nicht so kalt, so könnte dies die Urerde sein.
Sollte es etwa hier Leben geben?
Ich spüre es nirgendwo.
Noch einen gibt es, der unter all den vielen Monden auffällt, denn er trägt unter seinem Eispanzer ein Wassermeer. Es ist der kleine Enceladus. Und hier auf ihm im Süden inmitten von Eisbrocken schaue ich mich um. Doch wie kam ich hierher? War ich nicht vor einem Augenblick noch auf Titan? Folgt mein körperloser Geist noch immer dem Ruf des Wassers, dem irdischen Lebenselement, aus dem Menschen-, Tier- und Pflanzenkörper zum größten Teil bestehen? Sollte auch hier dem irdischen ähnliches einfaches Leben welcher Art auch immer existieren? Wenn nicht schon jetzt, so wird es mit den Menschen kommen: Bakterien und Pilze, Pflanzen und Tiere, Viren und - Mischwesen, neue Wesen, die es heute auf Erden noch gar nicht gibt.
Genug gegrübelt, jetzt geht's in die Außenbereiche des Sonnensystems, doch nicht in Sprüngen mit Leere, Traum und Erwachen, nein, da hat mich wohl das Wasser munter gemacht, in rasendem Flug komme ich nun voran, bin schon da und halte staunend an.
All die Kleinen dort draußen
Im hellen Blau erstrahlt da Uranus. Erde, denke ich beim Anblick dieser Farbe, während ich noch immer auf den siebten Planeten zustürze, näher und näher komme und die Wolkenbänder wahrnehme. Schon bin ich mitten in seiner Atmosphäre aus Wasserstoff und Helium, ein wenig Methan und weiteren Stoffen. Jenseits liegen Ringe und Monde mit Namen aus Sommernachtsträumen und von Engeln. Hier aber auf dem Planeten mit dem Namen des alten Himmelsgottes toben gewaltige Wirbelstürme. Also tobe auch ich mich ein wenig aus. Bin Sturm unter Stürmen und brause so wochenlang dahin.
Schließlich löse ich mich hoch im Norden wieder auf. Losgelöst und frei steige ich auf. Schaue mich noch kurz im Süden um, wo die Stürme sich hin und her wiegen, als tanzten sie zu einer unhörbaren Melodie, die Uranus ihnen singt. So scheint es von hier oben, wo alles nun im Zeitraffertempo vorüberrast.
Weiter geht meine Reise zum nächsten Planeten, dem achten. Ich falle ihm förmlich entgegen. Auch er strahlt so wunderbar blaugrün.
„Die Farbe kommt vom Methan in seiner Atmosphäre“, flüstert die Stimme in mir, „ja, er ist nun der äußerste, denn die, die dann noch kommen, werden heute nicht mehr zu den Planeten gezählt.“
Stürme soll’s hier geben wie nirgendwo sonst, ja, und gratis dazu für Menschenkörper tödliche Kälte.
Ich lasse Ringe Ringe sein und stürze mich sofort hinab ins Toben der Naturgewalten, leihe mir ein wenig Materie und kann nun durch die Lüfte reiten. Stürme davon und immer weiter und ringsherum, bis ich schließlich meine Ruhe wiederfinde. Jetzt reinige ich meinen Seelengeist von allen Neptunteilchen, lasse sie unter mir, hinter mir zurück und steige wieder auf.
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