Ins All - Im Eins. Rainar Nitzsche. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rainar Nitzsche
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738035292
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ich Angst?

       Ich weiß es nicht. Ich sehe die Leere.

       Irgendwann werde ich plötzlich zehn Jahre jünger sein, also geboren werden.

       Doch wo werde ich vor dem Tag meiner Geburt sein?

       Im Bauch meiner Mutter?

       Na klar, wo sonst?

       Und neun Monate weiter zurück nur ein befruchtetes Ei und dann?

       Das alles wird geschehen, doch jetzt bin ich zehn und will dir von den Dingen berichten, die ich dort oben (er zeigt mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand in den Himmel) nach meinem Tod auf Erden erlebte. Folge mir ins Sonnensystem und weiter, immer weiter hinaus! So viele Welten warteten dort auf mich, liegen dort noch immer für uns Menschen verborgen und harren der Entdeckung, so viele Dinge und so viele Wesen - so viele Abenteuer und Erfahrungen ... Nun aber schließe deinen staunenden Mund - sei still! Schließe auch deine Augen, Ohren und Nase, damit du riechen, hören und sehen kannst, und erfahre alles in dir - JETZT!“

      Welten über Welten

      Es zieht vorbei der Wanderer

      auf seinem weiten Weg

      ins Nichts.

       Unterwegs

      Du erwachst.

      Nein, du hast nicht geschlafen.

      Du erwachst aus den Träumen deiner Tage.

      Wo bin ich?

      Was tue ich hier?

      Wer bin ich, der da fragt?

      Aus den Spiegeln vor dir und ringsherum

      schauen dich zitternd fremde Wesen an.

       Erinnerungen

      Lächelnd

      durch Wände gehen,

      durch Raum und Zeit.

      Bewegung im Verharren.

      Sein werden.

      Sein sein.

      Jenseits aller Illusionen.

       Lächelnd

      Kleine Götter im weiten All

      Mit aufgerichtetem Haupt

      blicke ich

      über das Himmelsgewölbe hinweg.

      Ich habe mein Menschsein überwunden.

       Lu Hsiang-Chan

      Aus den Himmeln geworfen, gesandt aus WEISS

      in eine expandierende Welt

      voller Chaos, Lug und Trug,

      nicht nur unter den Menschen,

      sondern auch bei Pflanzen und Tieren.

      In eine der Höllenwelten mit Menschennamen Universum

      wurde der geboren,

      den wir Manfred den Magier nennen.

       Gefallen

      Im Weltraum reisen, heißt:

      Entweder die Erde mitnehmen – Körper und Technik,

      oder loslassen - körperlos sein im All,

      sich neue Körper schaffen auf anderen Welten

      und in ihnen wohnen.

      Nur so, nicht anders,

      dachte körperlos wiedergeboren

      Manfreds Seele.

       Im Weltraum

      Reise durchs Sonnensystem

      

       Im Orbit

      Öffne die Au...

       Da sind keine Augen und kein Kopf - kein Menschentierpflanzenkörper. Und doch ist er da, für Menschenaugen unsichtbar. Er sieht, hört, riecht, schmeckt und fühlt mit all den Sinnen der Erdenwesen, die er einst war, mit den Sinnen der Menschen, ihrer Vorfahren und all der anderen Säuger, aber auch mit denen vor ihnen: Reptilien, Amphibien, Fische und mit denen, die sich parallel zu ihnen entwickelten und sich im Federkleid als Vögel erhoben. So ist er weder Mensch, Androide noch K. I. (Künstliche Intelligenz), sondern ähnelt mehr einem Vertreter der neuen Art, die morgen schon zwischen den Sternen im kalten All, in bläulicher Schwärze mit Funken von Licht, existieren wird.

       Wer?

      „Der, der einst Manfred der Magier war“.

       Welch langer Name für einen Toten! Nennen wir ihn der Einfachheit halber weiterhin „Manfred“.

       Manfred ist nun wie Horus der Falke, wie der in der Ferne, der alles sieht. So schaut er sich zunächst einmal in der Umgebung um und erblickt ein sonnensegelbestücktes Gerät, das nicht das erste seiner Art ist, aber nun schon seit siebzehn Jahren im Erdorbit schwebt.

      Gewaltig ragt es vor mir auf, der ich nicht viel mehr als ein Staubkorn bin und zudem auch noch fast materielos. Erinnere mich. Einst sah und hörte ich die Meldungen, las ich in Büchern und im Internet seinen Namen: Hubble-Welt­raum­teleskop. Acht Jahre, bevor meine Reise begann, 1990 wurde es mit einem Space Shuttle, einer Welt­raumfähre namens Disco­very, in den Erdorbit gebracht. Doch die ersten Fotos von den Sternen, die ohne störende Erdatmosphäre alles bis dahin Gewesene in den Schatten stellen sollten, enttäuschten. Erst drei Jahre später gab es mit korrigiertem Spiegelsystem jetzt scharfe, im infraroten, sichtbaren und ultravioletten Bereich aufgenommene Bilder von den Sternen. Und auch ich bin nun nicht mehr an Menschenaugen gebunden, kann jetzt über das gesamte Spektrum hinweg die Sterne sehen, wenn ich es will. Doch noch bin ich wohl sehr erdgebunden, schaue Hubble an, erinnere mich daran, dass es in 590 Kilometer Höhe die gute alte Mutter Erde umkreist. Aha, da weiß ich ja nun, wo ich bin. Gab es da nicht einmal eine Zeit in meinem Leben, wo ich hoch hinaus wollte? 590 Kilometer ist doch schon was - für den Anfang.

      Dann hänge ich mich mal an Hubble dran - gar nicht so einfach, fast substanzlos Halt zu finden - und kreise in anderthalb Stunden einmal um die Erde. Das hat doch was und wäre was fürs Guinnessbuch, wenn denn eine lebende Seele davon erführe: die erste Hubble-Toten-Erdumkreisung. Andererseits, woher weiß ich mit Sicherheit, dass ich der Erste bin? Könnten ja in den letzten Jahren noch andere verstorbene Magier hier oben gewesen sein, vielleicht auch menschliche Seelen von Nichtmagiern. Andererseits hat jedes Wesen seine speziellen Gelüste, und über Geschmäcker lässt sich bekanntlich nicht streiten. So bin ich vielleicht doch die erste körperlose Seele hier.

      Für die Ewigkeit ist Hubble nicht gemacht, fällt mir ein, soll irgendwann in den Ozean fallen. 2013 soll es durch das neue „James Webb Teleskop“ ersetzt werden. Schöne Aussichten im wahrsten Sinne des Wortes, wenn auch nur in Infrarot, für alle Menschen die jetzt dort unten leben und bis dahin geboren werden. Wo aber und vielleicht auch was mag ich dann sein?

      Ach ja, die Lebenden, all die vielen Milliarden dort unten mit ihren vielen alltäglichen Sorgen, was kümmern sie mich eigentlich noch! Ich bin ja tot, gestorben und begraben. Loslassen heißt jetzt also die Devise, die Erde verlassen, hinfort schweben.

      Oder aber wiedergeboren werden, eingehen ins Licht?

      Das sehe ich nicht - noch nicht oder nie, das ist hier die Frage - oder ist sie es nicht?

      Wie auch immer, ich löse mich von diesem