Auf eine ähnliche Weise konnten die Erfinder des Verbrennungsmotors und des Automobils, die beiden deutschen Ingenieure Karl Friedrich Benz (1844–1929) und Nikolaus Otto (1832–1891), die destruktiven Folgen ihrer Erfindung im 19. Jh. noch nicht voraussehen. Hundert Jahre später musste man feststellen, dass das Automobil durch seine Abgase maßgeblich daran beteiligt ist, eine globale Klimaerwärmung auszulösen und damit alles Leben auf diesem Planeten zu gefährden. Den Gipfel der Destruktivität menschlichen Fortschrittes erreicht die Atomtechnik: Wie entsetzlich unterentwickelt und dumm ist der hoch zivilisierte Mensch in seiner Menschlichkeit geblieben, wenn er nach Hiroshima (1945) und Tschernobyl (1986) noch einer weiteren atomaren Katastrophe in Fukushima (2011) bedarf, um zu begreifen, dass er hier an Naturgesetze rührt, von denen er die Hände lassen muß, wenn er Mensch bleiben und als Mensch überleben will. Wie erschütternd hilflos und bei aller Tragik des Anlasses in Fukushima doch geradezu lächerlich wirkte die Entschuldigung des Reaktorbetreibers vor der japanischen Bevölkerung. Diese Erfahrungen zeigen: Als superintelligenter Dinosaurier ist die species Mensch in der Evolution des Lebens nicht überlebensfähig. Denn seine hoch entwickelte technische Intelligenz hindert ihn keineswegs daran, in ethischer Hinsicht im selben Maße zu verkümmern, wie seine hoch spezialisierte Superintelligenz zunimmt. Schon allein aufgrund der Jahrmillionen fort dauernden Strahlung radioaktiver Abfälle bewegt sich die Atomtechnik bereits außerhalb jeder zuverlässigen und verantwortlichen Kontrolle und darum auch außerhalb jeder menschlichen Ethik.
An diesen destruktiven Folgen des Fortschrittes zeigt sich heute, daß der moderne Rationalismus und Materialismus nicht mehr die geistige Grundlage sein kann für eine neue, konstruktive Kulturepoche der Menschheit. Historisch ist er hervorgegangen aus einem durchaus gesunden und notwendigen Aufbegehren des menschlichen Geistes gegen den entmündigenden Geist des Mittelalters, der glaubte, den Geist Gottes für den Menschen verbindlich definieren und verwalten zu können. Die Epoche der Aufklärung im 17. / 18. Jahrhundert verbannte deshalb Gott zunächst einmal in den Bereich völlig jenseits der Schöpfung, damit der Mensch ungestört und nur noch geführt vom Licht seiner eigenen Vernunft die Welt entdecken und erobern könne. Das war eine durchaus wichtige Epoche geistiger Reifung und Emanzipation in der Entwicklung der Menschheitsgeschichte.
Aber seither hat keine geistige Kurskorrektur mehr stattgefunden. Seit zwei Jahrhunderten schwimmen wir bis heute noch immer kritiklos im Kielwasser der Aufklärung. Eine geistige Kurskorrektur wird aber in dem Augenblick dringend erforderlich, da es sich zeigt, welche lebensfeindlichen und destruktiven Wirkungen diese alte rationalistische und materialistische Weltanschauung heute in allen Bereichen des Lebens zeitigt. Mit aller Dringlichkeit stellt sich die Frage, ob und inwieweit wir diesem Geist unserer Zeit noch Folge leisten können, und welche neuen Wege sich uns eröffnen.
Durch die Folgen der Fehler unserer zivilisatorischen Entwicklung erkennen wir heute, daß es ein Irrtum ist zu meinen, die Substanz der Dinge sei Materie. Das Physikalische, das Greifbare und Sichtbare, eben das, was wir Stoff und Materie nennen, ist Gestalt gewordene Energie, die sich auf tausenderlei Weisen manifestiert. Wir kennen auf dieser Erde keine Materie an sich, sondern immer nur geistig geordnete, energetisch strukturierte und belebte Gestalt.
Sowohl durch die Erfahrung der Grenzen des Wachstums und des Fortschritts als auch durch die tieferen Einblicke der Naturwissenschaft in die Strukturen der Natur und der Materie erhalten wir in unserer Zeit einen vollkommen neuen Zugang zu der Tiefendimension aller Wirklichkeit, die man als Mysterium bezeichnen kann und die in der Kulturgeschichte der Menschheit „Gott“ genannt wurde. Der Physiker Albert Einstein (1879-1955) wurde kurz vor seinem Tod von einem Kollegen und Freund gefragt: „Ist das Weltall, wie Sie es kennen, ohne einen Schöpfergott denkbar?“ Albert Einstein antwortete: „Wenn dieses Universum in all seiner millionenfachen Ordnung und Präzision das Ergebnis eines blinden Zufalls sein sollte, so ist das so glaubwürdig wie wenn eine Druckerei in die Luft geht, worauf alle Druckbuchstaben wieder herunterfallen in der fertigen und fehlerlosen Form des Duden-Lexikons.“
Der Naturwissenschaftler Max Planck (1858-1947), der als Physiker auch der Lehrer von Albert Einstein war, faßt seine Sicht der Wirklichkeit folgendermaßen zusammen: „Als Physiker, also als Mann, der sein ganzes Leben der nüchternen Wissenschaft, der Erforschung der Materie diente, bin ich sicher von dem Verdacht frei, für einen Schwarmgeist gehalten zu werden. Und so sage ich nach meinen Erforschungen des Atoms Folgendes: Es gibt keine Materie an sich! Alle Materie entsteht und besteht nur durch eine Kraft, welche die Atomteilchen in Schwingung bringt und sie zum winzigsten Sonnensystem des Atoms zusammenhält. Da es im ganzen Weltall aber weder eine intelligente noch eine ewige Kraft gibt (es ist der Menschheit noch nie gelungen, das heiß ersehnte Perpetuum mobile zu erfinden), so müssen wir hinter dieser Kraft einen bewußten intelligenten Geist annehmen. Dieser Geist ist der Urgrund aller Materie. Nicht die sichtbare, aber vergängliche Materie ist das Reale, Wahre, Wirkliche, sondern der unsichtbare, unsterbliche Geist ist das Wahre ... So scheue ich mich nicht, diesen geheimnisvollen Schöpfer ebenso zu nennen, wie ihn alle alten Kulturvölker der Erde früherer Jahrtausende genannt haben: Gott!“ Max Planck ist der Überzeugung, daß „sich Religion und Naturwissenschaft in der Frage nach der Existenz und nach dem Wesen einer höchsten über die Welt regierenden Macht begegnen. Und hier werden die Antworten, die sie beide darauf geben, wenigstens bis zu einem gewissen Grade vergleichbar. ... Sie lauten übereinstimmend dahin, daß erstens eine von den Menschen unabhängige vernünftige Weltordnung existiert, und daß zweitens das Wesen dieser Weltordnung niemals direkt erkennbar ist, sondern nur indirekt erfaßt, beziehungsweise geahnt werden kann. ... Beide Wege divergieren nicht, sondern sie gehen einander parallel, und sie treffen sich in der fernen Unendlichkeit an dem nämlichen Ziel. ... Es ist der stetig fortgesetzte, nie erlahmende Kampf gegen Skeptizismus und Dogmatismus, gegen Unglaube und gegen Aberglaube, den Religion und Naturwissenschaft gemeinsam führen, und das richtungsweisende Losungswort in diesem Kampf lautet von jeher und in alle Zukunft: Hin zu Gott!“
Das materialistische Weltbild ist überholt seitdem wir erkennen, daß alle sichtbaren Erscheinungen der Schöpfung letztlich energetische und geistige Strukturen sind. Daß Gott die innerste Wirklichkeit von allem ist und daß es deshalb im Grunde nichts außer Gott gibt, das haben bereits Mystiker aller Zeiten erfahren und behauptet. Neu ist jedoch die Tatsache, daß uns heute dieselbe Naturwissenschaft, die sich ursprünglich als Frucht der Aufklärung dem Rationalismus und Materialismus verschrieben hatte, bis an jene Grenze menschlichen Forschens und Erkennens führt, jenseits derer eine reale, aber rational nicht definierbare geistige Macht in Erscheinung tritt, die der Ursprung von allem und in allem gegenwärtig ist. Damit hat die Aufklärung ihren Höhepunkt erreicht und vermag überzuleiten zu einer neuen Epoche menschlicher Kultur: Ursprünglich hatte die Aufklärung die überlieferte dogmatische Lehre von der Existenz Gottes beiseite geräumt, um der Erkenntnis der menschlichen Vernunft freie Bahn zu gewähren. Heute stößt die Vernunft auf diesem Weg ebenfalls auf die Wirklichkeit des Mysteriums göttlicher Macht als Ursprung von allem, was ist, wobei dieser letzte Grund in allem Seienden gegenwärtig ist. Damit erhält Mystik heute eine neue, vertiefte Grundlage und eine neue Aktualität für die künftige ethische und kulturelle Weiterentwicklung der Menschheit.
Unsere gegenwärtige Epoche eines menschheitsgeschichtlichen Wandels zeigt zwei Gesichter wie