Wieder bäumte er sich auf, um seine Fesseln zu sprengen, doch es war aussichtslos. Er stiess einen langen, unartikulierten Wutschrei aus.
"Es tut mir leid."
Ferry riss den Kopf herum.
"Annunfala!"
An seiner Seite stand tatsächlich die Königin und schaute ihn aus treuherzigen, grossen, schwarzen Augen an. Er hatte nicht gehört, wie sie hereingekommen war, und er fragte sich, wie und wo sie hereingekommen war. Die Wand hinter ihr war immer noch eine durchgehende Fläche. Ferry konnte keinerlei Öffnung oder Tür entdecken.
"Geht es dir gut? Hast du Schmerzen?", fragte Annunfala, respektive die Stimme in Ferrys Kopf.
"Scheisse, nein, es geht mir nicht gut! Mach mich sofort los! Wo ist Laura? Wo sind die anderen?" Ferry schrie fast, es fiel ihm schwer, sich zu beherrschen.
"Es tut mir leid.", wiederholte die Königin. In Ferrys Kopf rauschte und klopfte es. Es fühlte sich an, als ob etwas in seinem Schädel herumwackelte. Ein stechender Kopfschmerz zog sich von seiner Schläfe bis in den Nacken. Er stöhnte auf.
"Du musst ruhig bleiben, Ferry.", sagte Annunfala. Ferry riss die Augen auf und starrte sie an, obwohl ein neuerlicher Schmerz durch seinen Schädel zuckte. Was für eine saublöde Aussage! Wie konnte man einem Gefangenen sagen, er müsse ruhig bleiben! Er fand, dass er jedes verfluchte Recht hatte, sauer zu sein und sich aufzuregen! Er wollte wissen, wo Laura war und ob es ihr gut ging. Ein neuerlicher Schwall von Wut stieg in ihm auf. Er spürte, wie seine Ohren glühten.
"Wo… ist… Laura?", knurrte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Seine Stimme hatte jetzt einen drohenden Ton angenommen. Er würde jeden verfluchten Grauen persönlich niedermetzeln, wenn ihr etwas passiert war.
"Laura geht es gut. Deinen Freunden auch. Du wirst sie bald wiedersehen. Es tut mir leid, dass wir euch fesseln mussten. Bitte glaub mir, wir wollen euch nichts Böses.", versicherte ihm die Königin eindringlich.
Ferry liess den Kopf auf die harte Platte fallen, auf der er lag und schloss die Augen. Er blies hörbar die angehaltene Luft durch den Mund aus. Laura ging es gut! Seinen Freunden ging es gut!
Falls Annunfala die Wahrheit sagte. Doch Ferry hatte das Gefühl, dass sie ehrlich geklungen hatte. Nur…
Irgend etwas war seltsam! Etwas, was Annunfala gesagt hatte. Wie sie es gesagt hatte. Wie sie geklungen hatte. Was er gehört hatte. Wie er es gehört hatte… Was war es bloss? Er konnte nicht den Finger darauf legen, doch irgend etwas war irgendwie… falsch! In seinem Kopf begann es wieder zu rauschen und zu pochen. Ferry wurde schwindelig. Erneut stöhnte er auf.
"Mach mich los! Mein Kopf…", keuchte er. Er wollte seinen Kopf in die Hände nehmen und zusammendrücken, die Handballen an die Schläfen drücken, auf die Augen pressen, die gerade aus ihren Höhlen zu treten schienen.
"Bleib ruhig, Ferry! Du musst dich ausruhen." Er spürte, wie Annunfala ihm ihre warme Hand auf seine Schläfe legte und dann sachte über sein Haar nach hinten strich. Als ihre Hand über eine Stelle an der Seite seines Schädels strich, holperte sie ganz leicht und ein stechender Schmerz durchzuckte Ferry.
"Au!", schrie er auf. Was war das? Hatte er eine Beule am Kopf? Hatten sie ihn niedergeschlagen? Mehr denn je hatte Ferry das Bedürfnis, sich an den Kopf zu fassen.
"Mach mich los, bitte!", flehte er.
"Ich kann nicht. Wir müssen warten. Du musst dich jetzt ausruhen. Alles wird gut.", flüsterte Annunfala. Sie hob ihre Hand über die schmerzende Stelle an Ferrys Schädel und liess sie dort verharren. Ferry konnte eine angenehme Wärme spüren, die von der Hand ausging und in seinen Kopf eindrang. Augenblicklich wurde der Schmerz gelindert. Seine Gedanken schienen sich zu verlangsamen und die eindringende Wärme breitete sich erst in seinem Kopf aus, um danach in seinen Torso zu fliessen. Bevor er einschlief, wurde Ferry bewusst, dass die Königin einen mächtigen Energiestrom in ihn fliessen liess.
"Laura!"
Ferry schreckte aus dem Schlaf hoch und tastete um sich. Laura war nicht da! Es war auch nicht ihr Bett! Es roch anders. Es war bequem und warm, aber es war nicht ihr Bett. Ferry setzte sich auf, blinzelte und sah sich um. Er fühlte sich benommen, verkatert. Er hatte einen schlimmen Alptraum gehabt, in dem er gefesselt gewesen war und Schmerzen hatte. Er war gefangen gewesen in einer kleinen Zelle und Annunfala hatte mit ihm gesprochen, ihn aber nicht losgebunden. Er rieb sich die Augen und schüttelte sich, um wach zu werden. Noch einmal blickte er sich um. Dann dämmerte es ihm.
Er war noch immer in der kleinen, grauen Zelle, die keine Türen hatte! Die harte Pritsche war gegen ein bequemes Bett ausgetauscht worden, er war nicht mehr festgeschnallt, aber ansonsten war alles genau gleich! Er war immer noch eingesperrt! Es war kein Traum gewesen!
Er blickte hoch zur Decke. Ja, dort hing noch immer die kleine Lichtkugel und verströmte ein diffuses Licht. Wie ein kalter Wasserschwall kam die Erinnerung an den vermeintlichen Traum zurück.
Ferrys Hand schnellte hoch zu seiner Schläfe. Er tastete seinen Schädel ab. Da war sie, die Beule! Behutsam befingerte er die Stelle über seinem linken Ohr. Nein - das war keine Beule! Es war eine Narbe! Er konnte die geschwollene, verkrustete Oberfläche spüren! Eine Platzwunde! Hatten sie ihm so stark eins übergebraten, dass die Haut aufgesprungen war? Er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern. Er befingerte die Wunde weiter. Um die Kruste herum war eine kleine Zone, in der er feinste Stoppeln spüren konnte. Die Stelle war rasiert worden! Vorsichtig befühlte er die Wunde weiter. Hatte man die Platzwunde genäht? Er konnte keine Enden von chirurgischem Faden spüren. Er drückte nun etwas stärker. Die Wunde tat nicht weh. Auch darum herum spürte er keinen Schmerz, auch wenn er etwas fester drückte. Das war seltsam. Wenn es eine Platzwunde von einem Schlag war, dann müsste der Bereich um die Wunde herum äusserst druckempfindlich sein? Ein mieses Gefühl stieg in Ferry auf. Hatten sie etwa an ihm herumgedoktert? War es vielleicht eine Narbe von einem chirurgischen Eingriff? Seine Nackenhaare stellten sich auf und er fühlte, dass seine Ohren zu glühen begannen.
Er liess den vermeintlichen Traum noch einmal Revue passieren. Fala hatte ihm die Hand aufgelegt und ihn mit einem starken Energiestrom ruhiggestellt. Sie hatte behauptet, dass es Laura und den anderen gut ging. Und irgend etwas an dem, was sie gesagt hatte, oder wie sie es gesagt hatte, war ihm fremd vorgekommen.
"Hallo Ferry. Geht es dir besser?", fragte die glockenhelle Stimme Annunfalas hinter ihm. Sie hatte sich schon wieder an ihn angeschlichen, ohne dass er etwas davon gemerkt hatte! Ferry fuhr herum.
Plötzlich war ihm klar, was ihm falsch vorgekommen war. Er nahm die Stimme der Königin in seinen Ohren wahr. Nicht in seinem Kopf! Es war, als ob ein normaler Mensch mit ihm spräche! Kein Dolmetscher. Er hörte und verstand sie ganz einfach! Der Wortschatz des Dolmetschers war extrem beschränkt gewesen - und nun? Auf einmal hatten Annunfalas Sätze eine grammatikalische Ordnung, Verben wurden konjugiert, es gab Zeitformen! Ausserdem nahm Ferry die Stimmfarbe des Gesprochenen wahr: er konnte heraushören, ob die Königin leise, laut, bedächtig, traurig oder erregt klang! Wie konnte das sein? Er sprang mit einem Satz aus dem Bett und stellte sich vor Annunfala.
"Du hast viele Haare. Das ist hübsch. Es sieht lustig aus.", lächelte ihn die Königin an. Sie blinzelte.
Ferry war noch viel zu perplex, um darüber nachzudenken, ob es vielleicht nicht wichtigere Themen gab, über die es sich zu sprechen lohnte. Er griff sich ins Gesicht und spürte sein Bärtchen um die Mund- und Kinnpartie herum. Er fuhr sich über die Wangen, die vermutlich gerade rot wurden und bemerkte einen Dreitagebart. Das war seltsam, denn er hatte sich kurz vor dem Abflug rasiert gehabt. Er schaute an sich herunter. Er war nackt. Keine Uniform. Kein Pyjama. Nur nackte Haut - und Haare. Davon hatte er wirklich sehr viele am Körper.
Die Hände vor dem Schritt verschränkt, die Schamesröte im Gesicht, versuchte Master Black die Haltung zu bewahren.
"Wieso sprichst du plötzlich unsere Sprache so gut?", fragte er und sah sich dabei