Weitere Stationen meines Lebens waren Arbeit im Zentralheizungsbau und im Kohlebergbau unter Tage. Auf Umwegen kam ich dann nach Hermannsburg in der Lüneburger Heide an die evangelische Volkshochschule. Hier bekam mein Leben eine christliche Prägung, und ich wurde sogar mit 10 Jahren Verspätung konfirmiert. So wuchs in mir der Entschluss, zur Diakonenausbildung ins Rauhe Haus einzutreten. Bevor ich aber den Schritt in die vierjährige Ehelosigkeit und Armut auf Zeit tat, lieferte ich meine Ersparnisse anlässlich einer Abschlussreise der Kursteilnehmer der Volkshochschule nach Venedig in den Kunsttempeln Italiens ab. Von dieser Reise habe ich mir ein lebendiges Andenken mitgebracht, das mir auch in der Zukunft treu bleiben sollte, meine spätere liebe Frau. Per Anhalter und ohne Geld traf ich am 9.04.1954 im Rauhen Haus ein.“
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Karlheinz Frankes weitere Lebensweg: Praktikum auf dem Brüderhof, einer landwirtschaftlichen Zweigeinrichtung des Rauhen Hauses, im Lehrlingsheim in Cuxhaven und bei der Flussschiffermission in Hamburg. Unterrichtsbeginn im Rauhen Haus am 22.8.1955. 23. März 1956: „schulwissenschaftliche“ Prüfung, die statt des Mittelschulabschlusses die Fachschulreife bescheinigte. Am 18. März 1958 bestand Karl-Heinz Franke das Wohlfahrtspflegerexamen im Hauptfach Jugendwohlfahrtspflege und Sozialpädagogik, am 2. März 1959 das Diakonenexamen. Nach der Diakonenausbildung heiratete er Ilse Cohrs, mit der er drei Kinder großzog.
Ab 1959 war er zunächst als Hausvater im Lehrlingsheim der Evangelischen Kirchengemeinde Schwelm in Westfalen, später als Heimleiter in einem Mütter- und Kindererholungsheim in Bad Rothenfelde, in Altersheimen in Hamburg-Rahlstedt, in Boppard am Rhein, und in Wildeshausen tätig. Seine letzte Stelle als Diakon und Sozialarbeiter beim Diakonischen Werk in Bremen beendete er 1990 mit Eintritt in den Ruhestand. Am 24.11.1989 verwitwete Karlheinz Franke. Jetzt verlebt er seit Jahren als Rentner der Seekasse seinen Lebensabend in seinem eigenen Haus in Wildeshausen.
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Die ausführliche Autobiographie des Karlheinz Franke ist als 108-Seiten-Extraband beim Herausgeber dieses Buches zu beziehen. – Siehe letzte Seite!
Karlheinz Franke zusammen mit dem Herausgeber Jürgen Ruszkowski
http://rauheshausbruder.klack.org/seite2.html
Heizraum-Erlebnisse des Gerd Peters
Entdeckt im Schiffs-Ingenieur Journal
Neulich hab ich beim Stöbern einen Koffer und einen Karton voll mit Dias, Filmen, Postkarten, Prospekten und Zeitungsausschnitten wieder gefunden: Relikte der Seefahrt aus den 1950er und 60er Jahren. Sie fielen seiner Zeit unter den Bannstrahl meiner Frau (mit der ich damals schon zusammen war), weil sie Angst hatte, dass unsere beiden Söhne auch Interesse an der Seefahrt finden könnten, wenn sie davon zu viel erzählt bekämen. Später fehlte mir die Zeit und vor allem die Muße, mich an diese Sammlungen zu erinnern. Auch heute noch, wenn wir mit Bekannten und Verwandten aus der Seefahrtbranche zusammen kommen, wird mir vorher die gelbe Karte gezeigt und die drohende Bitte geäußert: „Pack ja nicht wieder die Werkzeugkiste aus!“ Mir fallen dann spontan einige Treffen ein, wo nicht über Seefahrt gesprochen wurde. Aber ich bekenne freimütig: Leicht ist es mir nicht immer gefallen. Denn das Erleben bei der Seefahrt oder auch sonst im Beruf ist schon allein wegen der zeitlichen Länge gegenüber dem Familienleben während der Schaffensjahre intensiv und prägend. Also, wo, wenn nicht unter Kollegen kann man sich ausreichend an die berufsbezogene Vergangenheit erinnern? Nur noch beim Stöbern in alten Unterlagen. Und das Erzählen davon ist eine Art „oral history“, irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit.
Seefahrt, das waren vor allem Lehrjahre, in denen man Verständnis für Fremde, deren Können und vor allem deren Unzulänglichkeiten im wahrsten Sinne des Wortes erfahren musste. Man erinnert sich mit einem Schmunzeln, auch wenn einem damals überhaupt nicht zum Lachen zumute war. Und Neptun möge mir vergeben, wenn ich heute nicht mehr alles so erinnere, wie es damals war.
Ich war Maschinenschlosserlehrling bei „Boilermaker & Co“, einige sagten auch despektierlich „Buddel & Lutscher“, sprich Bartels & Lüders. Da ich schon etwas älter war, hatte ich daher Gelegenheit, ein Reparaturschiff von England mit zu holen: Kolbendampfmaschine, Kohlenfeuer. Der Zustand lässt sich am besten dadurch beschreiben, dass beim Anwärmen der Dampf schon aus dem Mitteldruckframe kam. Aber ich will nicht über die Arbeit klagen – und auch nicht über Kopfschmerzen und Magenverdrehung – denn ich lernte hier das Grundwissen des Kohleheizens. Dieses konnte ich nicht nur beim Maschinenkurs, abends bei Opa Oldenburg und anderen verwenden, sondern vor allem auf meinem ersten Schiff als Assi.
Ich hatte am Freitagmittag die mündliche Prüfung in der Gewerbeschule bestanden, wanderte nach Erhalt des Assischeins bei Herrn Scharfenberg in der Ingenieurschule Richtung Lehrfirma durch die Stadt, und da ich vor wenigen Tagen auf der BETEIGEUZE gearbeitet hatte, schaute ich bei der Orion Schifffahrtsgesellschaft Reith & Co. in der Rosenstraße vorbei, um nach einem Dampfer zu fragen, denn mindestens sechs Monate Dampferfahrzeit waren vorgeschrieben. Montagmorgen könnte ich in Rotterdam auf der BELLATRIX einsteigen, wenn mich denn B & L noch 14 Tage vor Ablauf meiner vertraglichen Lehrzeit laufen lassen würde. Sie ließen! Das Seefahrtbuch gab es damals noch auf dem „Stall“ im „weißen Haus“, dem heutigen Hotel „Hafen Hamburg“ und die Gesundheitskarte im Zippelhaus. Beide Dokumente hatte ich schon.
Mit dem damals üblichen Kurswagen (Sonntagabend kurz vor 24 Uhr ab Hamburg, Montagmorgen gegen 7 Uhr Rotterdam) kam ich mit schwerem Koffer (damals musste ich noch eigenes Bettzeug mitbringen) und einem bereits befahrenen Kollegen am Zielort an: Straßenbahn, Spido, Frans Swartouw – Vaalhaven.
Der Empfang an Bord durch den Chief war herzlich und bestimmt: „Wo hast du gelernt? Dann kannst du nach dem Mittagessen in der Wendekammer Rohre walzen!“ Ich wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass wegen starker Wasserverluste und einem völlig heruntergefahrenen Verdampfer der Mittelkessel zur Speisewasserzeugung genutzt wurde. Ich hatte also eine gute Lehrstelle – ein Arbeitsschiff – erwischt.
Ich kam beim 2. Ing. auf 4/8-Wache, damit ich vormittags zutörnen konnte. Als mich wenige Wochen später Hans Edwin Reith fragte, ob ich Pauschale oder Einzelüberstunden bezahlt haben wolle, und ich mich für letzteres entschied, hatte ich mir eine große Sparbüchse eröffnet.
Gute Ratgeber hatten mir empfohlen, mich als „Unteroffizier“ nicht von den Heizern, insbesondere vom Oberheizer rumkommandieren zu lassen. Bubi Witt war zwar nicht groß, aber untersetzt und ein unbestrittener Herrscher im Heizraum. Der 2. Ing. ging jedenfalls nicht ohne vorherige freundliche Anfrage „ob er dürfe“ in den Heizraum. Die Tagesform war dort entscheidend. Ich war ja noch nicht vorbelastet, ich durfte. Bereits während meiner zweiten Seewache rief Bubi mich in den Heizraum. Seltsamerweise waren alle Heizer und Trimmer anwesend, was mich aufmerksam machte, ohne mir etwas anmerken zu lassen. Er zeigte mir, wie man ein Feuer sauber macht und sparte nicht mit guten Ratschlägen. Er konnte ja nicht wissen, dass ich schon einige Griffe kannte. Dann kam der eigentliche