"Weil du rotzbesoffen bist und deine Grenze mal wieder nicht kennst, Joe." Seine Stimme ist wieder ruhiger und seine Hand liegt immer noch auf meiner Hüfte.
"Joe, ich fahr dich nach Hause", meint Lucas und packt ihr an die Schulter.
Auch Aby und Noah haben mittlerweile ihre Aufmerksamkeit an uns gerichtet.
Joe sieht ihn wütend an. "Ihr seid solche Wichser! Niemand von euch hat eine Ahnung wie einsam dasch Leben als Lesbe sein kann. Ständig wird man abgeblockt und es nervt tierisch!" Sie sieht jetzt zu Aiden. "Und dann führscht du dich auch noch so auf, als wäre Rave deine Freundin, Alter!"
Ich schnappe erschrocken nach Luft und kaue nervös auf der Unterlippe herum. Aiden verhält sich doch nicht so, als wäre ich seine Freundin, oder?
Ich höre, wie Aiden hinter mir tief einatmet. "Wenn du dich so respektlos verhältst, wird das wohl auch nichts mehr werden." Er nimmt die Hand von mir weg.
Joe sieht mit wütender Miene auf ihre letzten Shots.
"Joe, vielleicht solltest du wirklich gehen. Das vom letzten Mal sollte sich nicht wiederholen, ansonsten dürfen wir wirklich nicht mehr hier rein", redet Aby auf sie ein.
"Aby hat Recht", fügt Noah hinzu und schiebt die letzten Shots von ihr weg, "Wenn es schon so weit kommt, dass du dich an Rave ranschmeißt, solltest du vielleicht wirklich aufhören."
Die Stimmung ist definitiv angespannt und ich fühle mich gerade wie der Auslöser dieser ganzen Diskussion. Vor allem, weil ich mich noch nicht einmal dazu geäußert habe, sondern die anderen reden lasse. Ich habe das Gefühl, dass ich etwas sagen sollte, aber ich weiß - um ehrlich zu sein - nicht was.
Lucas nickt. "Ja, komm mit, Joe." Er quetscht sich an Noah und Aby vorbei und wartet auf sie.
Joes Mund ist zu einer Linie verzogen und ihr ist die Wut immer noch ins Gesicht geschrieben. Sie nickt aber und folgt Lucas. "Tut mir leid, Rave", murmelt sie, als sie gerade gehen wollen.
Ich versuche ein Lächeln aufzusetzen, um die Situation ein wenig aufzulockern. "Schon okay."
"Also wir sehen uns Leute", winkt Lucas uns zu und zieht die torkelnde Joe nach draußen.
"Wow", seufzt Noah. "So hab ich Joe ja noch nie erlebt."
"Sorry", murmle ich und sehe auf meine Finger. “Wofür entschuldigst du dich? Du kannst doch auch nichts dafür, dass Joe dich im betrunkenen Zustand abgeleckt hat", lacht Aiden und sieht mich aufmunternd von der Seite an.
"Eben", lächelt Aby. "Mach dir nichts draus, du bist halt heiß."
Ich grinse. "Okay."
"Und wer trinkt jetzt die restlichen Shots?", fragt Noah und zeigt auf die restlichen Gläser.
Wir sitzen noch eine Stunde in der Bar ohne das Thema Joe noch einmal zu erwähnen. Ich muss wieder die ganze Zeit an Leon und Sophia denken. Auch wenn es mich überhaupt nicht betrifft, fühle ich mich deshalb einfach schlecht.
Ich stehe zwischen zwei Möglichkeiten, entweder ich sage es Leon oder ich sage es ihm nicht. Ich habe wirklich überhaupt keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Aiden meint, ich soll es Leon nicht sagen und ich denke, dass das auch die richtige Entscheidung ist. Sich in Beziehungen einzumischen ist nie schlau.
Als Aby und ich im Zimmer ankommen, schnappt sie sich sofort ihren Laptop und fängt an zu schreiben. Ich frage mich, worüber sie in letzter Zeit so oft schreibt und bereue es, ihr heute in der Bar nicht zugehört zu haben, als sie darüber geredet hat.
Ich habe mich umgezogen und mich ebenfalls mit meinem Laptop ins Bett gelegt, da ich schon lange nichts mehr für meinen Kurs geschrieben und einiges nachzuholen habe.
Als ich bei Seite zwei angekommen bin und gerade über Leon und Sophia schreibe, vibriert mein Handy. Aiden hat mir geschrieben. Sofort springt mein Herz.
Mach dir nicht so viele Gedanken um Sophia.
Daran hat er noch ein Bild von einer Katze im Supermanoutfit gehängt, die total grimmig guckt.
Sofort fange ich an breit zu grinsen. Es ist wie als wüsste er, dass ich gerade über Sophia und Leon geschrieben habe. Mein Handy vibriert ein zweites Mal, als ich gerade zurückschreiben will.
Ich hab mal irgendwo gehört, dass Bilder von Katzen einen glücklich machen. Hat es funktioniert?
Mein Grinsen wird breiter und ich schaue kurz zu Aby, um mich davon zu überzeugen, dass sie nicht gerade sieht, wie ich grinse wie ein Idiot. Zum Glück ist sie immer noch mit ihrem Laptop beschäftigt und hat Kopfhörer im Ohr.
Hat definitiv funktioniert.
Schreibe ich ihm und lege mein Handy wieder zur Seite. Ich beschließe das Thema Sophia und Leon an meinem Laptop schneller zu beenden und fange stattdessen an darüber zu schreiben, wie Aiden heute war, als Joe mich geküsst hat.
Aiden: Das menschliche Gehirn, huh? Man sollte ein Buch über dieses Katzenphänomen schreiben.
Ravely : Brilliante Idee. Wenn das mal kein Bestseller wird. Apropos Bestseller; verrätst du mir jetzt den Namen deines Buches?
Aiden: Neugier ist manchmal eine Tugend, Raven.
Ravely: Bitte!
Aiden: Nein. Ich werde jetzt schlafen. Schlaf schön. x
Ich verdrehe die Augen und wünsche ihm eine gute Nacht. Wieso will er mir den Titel einfach nicht nennen? Immerhin haben dieses Buch bestimmt schon mehrere Leute gelesen. Wieso sollte ich es also nicht lesen dürfen? Aiden macht aus dieser Sache ein so großes Geheimnis, das mich immer neugieriger macht.
Kapitel 17
"Einen kreativen guten Morgen, Klasse", begrüßt uns Professor Snow.
Aiden ist wieder nicht im Unterricht und Leon sitzt - wie gestern - neben mir.
"Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass ich den Unterricht an der Stelle auch schon beenden muss. Der Rektor ruft alle Lehrer zu einer ganztägigen Konferenz zusammen und deshalb können Sie jetzt gehen."
Die Klasse jubelt und die Schüler springen auf.
"Aber bitte vergessen Sie nicht ihre täglichen Tagebucheinträge!", ruft Professor Snow noch durch das Durcheinander.
"Gott sei Dank", seufzt Leon und packt seine Sachen ein. "Ich bin so was von müde. Gestern war echt noch eine lange Nacht mit Sophia."
Ich stehe auf. "Zu viele Informationen, Leon."
Leon folgt mir aus dem Hörsaal und lacht dann: "Sorry, übrigens hat Sophia die Kette total gut gefallen. Ich hab sie ihr um Mitternacht geschenkt. Dafür muss ich mich noch bei dir bedanken."
Sophia hat die Kette überhaupt nicht verdient. Ich wünschte, ich könnte Leon die Wahrheit sagen. Ich zwinge mir ein Lächeln auf. "Kein Problem."
Wir kommen am Campus an und die Sonne strahlt uns entgegen, sogar schon früh am Morgen.
"Ich werde mich jetzt in mein Bett legen und es mehr für die nächsten zwölf Stunden nicht verlassen", gähnt Leon. "Wir sehen uns morgen."
"Okay. Schlaf gut." Ich lächle ihm noch zu, als er geht und wünschte, ich hätte einfach mit der Wahrheit rausgerückt.
Es wundert mich, wieso Aiden heute wieder nicht da ist. Ich dachte eigentlich, dass er nicht so jemand ist, der ständig schwänzt. Er scheint ein engagierter Schriftsteller zu sein, aber dafür muss man doch normalerweise in Kurse gehen, oder? Kurzerhand beschließe ich, ihm einfach eine Nachricht zu schreiben.
Du scheinst mir extrem schulfaul zu sein.
Ich stecke mein Handy wieder zurück und gehe