Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig Bechstein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783742772725
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und mag dich nicht länger ernähren, daher du ausgehen

       mußt, dir einen Dienst bei einer Herrschaft zu suchen.

       « Und sie buk von Asche und Milch einen Kuchen,

       füllte ein Krüglein mit Wasser, gab beides der

       armen Maria und schickte sie aus dem Hause.

       Maria war sehr betrübt ob dieser Härte; doch

       schritt sie mutig durch die Felder und Wiesen, und

       dachte: es wird dich schon jemand als Magd aufnehmen,

       und vielleicht sind fremde Menschen gütiger als

       die eigene Mutter. Als sie Hunger fühlte, setzte sie

       sich in's Gras nieder, zog ihren Aschenkuchen hervor

       und trank aus ihrem Krüglein, und viele Vöglein flatterten

       herbei, pickten an ihrem Kuchen, und sie goß

       Wasser in ihre Hand und ließ die munteren Vöglein

       trinken. Und da verwandelte sich unvermerkt ihr

       Aschenkuchen in eine Torte, ihr Wasser in köstlichen

       Wein. Gestärkt und freudig zog die arme Maria weiter,

       und kam, als es dunkel wurde, an ein seltsam gebautes

       Haus, davor waren zwei Tore, eins sah pechschwarz

       aus, das andere glänzte von purem Gold. Bescheiden

       ging Maria durch das minder schöne Tor in

       den Hof und klopfte an die Haustüre. Ein Mann von

       schreckbar wildem Ansehen tat die Türe auf und fragte

       barsch nach ihrem Begehren. Sie sprach zitternd:

       »Ich wollte nur fragen, ob Ihr nicht so gütig sein

       möchtet, mich über Nacht zu beherbergen?« und der

       Mann brummte: »Komm herein!« Sie folgte ihm, und

       bebte noch mehr zusammen, als sie drinnen im Zimmer

       nichts weiter sah und hörte als Hunde und Katzen,

       und deren abscheuliches Geheul. Es war außer

       dem wilden Thürschemann (so hieß dieser Mensch)

       niemand weiter in dem ganzen Hause.

       Nun brummte der Thürschemann der Maria zu:

       »Bei wem willst du schlafen, bei mir oder bei Hunden

       und Katzen?« Maria sprach: »Bei Hunden und Katzen.

       « Da mußte sie aber gerade neben ihm schlafen,

       und er gab ihr ein schönes weiches Bette, daß Maria

       ganz herrlich und ruhig schlief. Am Morgen brummte

       Thürschemann: »Mit wem willst du frühstücken, mit

       mir oder mit Hunden und Katzen?« Sie sprach: »Mit

       Hunden und Katzen.« Da mußte sie mit ihm trinken,

       Kaffee und süßen Rahm. Wie Maria fortgehen wollte,

       brummte Thürschemann abermals: »Zu welchem Tor

       willst du hinaus, zum Goldtor oder zum Pechtor?«

       und sie sprach: »Zum Pechtor.« Da mußte sie durchs

       goldene gehen, und wie sie durchging, saß Thürschemann

       oben darauf und schüttelte so derb, daß das Tor

       erzitterte und daß Maria ganz von Gold überdeckt

       war, das von dem Goldtore auf sie herabfiel.

       Nun ging sie wieder heim, und ins elterliche Haus

       eintretend kamen ihre Hühner, die sie sonst immer gefüttert,

       ihr freudig entgegen geflogen und gelaufen,

       und der Hahn schrie: »Kikiriki, da kommt die Goldmarie!

       Kikiriki!« Und ihre Mutter kam die Treppe

       herunter und knixte so ehrfurchtsvoll vor der goldenen

       Dame, als wenn es eine Prinzessin wäre, die ihr die

       Ehre ihres Besuches schenkte. Aber Maria sprach:

       »Liebe Mutter, kennst du mich denn nicht mehr? Ich

       bin ja die Maria.«

       Jetzt kam auch die Schwester ganz erstaunt und

       verwundert, wie die Mutter, und beide voll Neides,

       und Maria mußte erzählen, wie wunderbar es ihr ergangen,

       und wie sie zu dem Golde gekommen war.

       Nun nahm sie ihre Mutter wohl auf, und hielt sie

       auch besser wie zuvor, und Maria wurde von jedermann

       geehrt und geliebt; bald fand sich auch ein braver

       junger Mann, der Marien als Gattin heimführte

       und glücklich mit ihr lebte.

       Der andern Maria aber wuchs der Neid im Herzen,

       und sie beschloß, auch fortzugehen und übergoldet

       wiederzukommen. Ihre Mutter gab ihr süßen Kuchen

       und Wein mit auf die Reise, und wie Maria davon aß

       und Vöglein geflogen kamen, um auch mit zu

       schmausen, jagte sie dieselben ärgerlich fort. Ihr Kuchen

       aber verwandelte sich unvermerkt in Asche, und

       ihr Wein in mattes Wasser. Am Abend kam Maria

       ebenfalls an Thürschemanns Tore; sie ging stolz zu

       dem goldenen hinein, und klopfte dann an die Haustüre.

       Wie Thürschemann auftat und nach ihrem Begehren

       fragte, sagte sie schnippisch: »Nun, ich will

       hier übernachten.« Und er brummte: »Komm herein!«

       Dann fragte er auch sie: »Bei wem willst du schlafen,

       bei mir oder bei Hunden und Katzen?« Sie sagte

       schnell: »Bei Euch, Herr Thürschemann!« Aber er

       führte sie in die Stube, wo Hunde und Katzen schliefen

       und schloß sie hinein. Am Morgen war Mariens

       Angesicht häßlich zerkratzt und zerbissen. Thürschemann

       brummte wieder: »Mit wem willst du Kaffee

       trinken, mit mir oder mit Hunden und Katzen?« »Ei,

       mit Euch«, sagte sie, und mußte nun gerade wieder

       mit Katzen und Hunden trinken. Nun wollte sie fort.

       Thürschemann brummte abermals: »Zu welchem Tor

       willst du hinaus, zum Goldtor oder zum Pechtor?«

       und sie sagte: »Zum Goldtor, das versteht sich!« Aber

       dieses wurde sogleich verschlossen und sie mußte

       zum Pechtor hinaus, und Thürschemann saß obendrauf,

       rüttelte und schüttelte, daß das Tor wackelte

       und da fiel so viel Pech auf Marien herunter, daß sie

       über und über voll wurde.

       Als nun Maria voll Wut ob ihres häßlichen Ansehens

       nach Hause kam, krähte der Gluckhahn ihr entgegen:

       »Kikiriki, da kommt die Pechmarie! Kikiriki!«

       Und ihre Mutter wandte sich voll Abscheu von ihr,

       und konnte nun ihre häßliche Tochter nicht vor Leuten

       sehen lassen, die hart gestraft blieb, darum, daß

       sie so auf Golderpicht gewesen.