dem Vöglein fröhlich nach. Mit einem Male
sahen sie ein kleines Häuschen, auf dessen Dach das
Vöglein flog; es pickte darauf, und wie die Kinder
ganz nahe daran waren, konnten sie sich nicht genug
freuen und wundern, denn das Häuschen bestand aus
Brot, davon waren die Wände, das Dach war mit Eierkuchen
gedeckt, und die Fenster waren von durchsichtigen
Kandiszuckertafeln. Das war den Kindern
recht, sie aßen vom Häusleindach und von einer zerbrochenen
Fensterscheibe. Da ließ sich plötzlich drinnen
eine Stimme vernehmen, die rief:
»Knusper, knusper, kneischen!
Wer knuspert mir am Häuschen?«
Darauf antworteten die Kinder:
»Der Wind, der Wind,
Das himmlische Kind!«
und aßen weiter, denn sie waren sehr hungrig gewesen,
und schmeckte ihnen ganz vortrefflich.
Da ging die Tür des Häusleins auf, und trat ein
steinaltes, krummgebücktes, triefäugiges Mütterlein
heraus von nicht geringer Häßlichkeit, Gesicht und
Stirne voll Runzeln und in mitten eine große, große
Nase. Hatte auch grasgrüne Augen. Die Kinder erschraken
nicht wenig, die Alte aber tat ganz freundlich
und sagte: »Ei, traute Kindlein, kommt doch herein
ins Häuschen, kommt doch herein! Da gibt's noch
viel bessern Kuchen!«
Die Kinder folgten der Alten gerne, und drinnen
trug die Alte auch auf, daß es eine Lust war. Da gab
es Herz was magst du? Biskuit und Marzipan, Zucker
und Milch, Äpfel und Nüsse, und köstlichen Kuchen.
Und während die Kinder immerfort aßen und fröhlich
waren, richtete die Alte zwei Bettchen zu von feinen
Dunenkissen und lilienweißen Linnen, da hinein
brachte sie die Kinder zur Ruhe, die meinten im Him-
mel zu sein, beteten einen frommen Abendsegen und
entschliefen alsbald.
Es hatte aber mit der Alten ein gar schlimmes Bewenden.
Sie war eine böse und garstige Hexe, welche
die Kinder fraß, die sie durch ihr Brot- und Kuchenhäuslein
anlockte, nachdem sie sie erst recht fett gefüttert.
Dies hatte sie auch mit Hänsel und Gretel im
Sinne. In aller Frühe stand die Alte schon vor dem
Bette der noch süß schlafenden Kinder, freute sich
über ihren Fang, riß Hänsel aus dem Bette, und trug
ihn nach dem eng vergitterten Gänsestall, verstopfte
ihm auch, damit er nicht schreie, den Mund. Dann
weckte sie die arme Gretel mit Heftigkeit und schrie
sie mit rauher Stimme an: »Steh auf, faule Dirne!
Dein Bruder steckt im Stall, wir müssen ihm ein gutes
Essen kochen, auf daß er fett wird, und für mich einen
guten Braten gibt!«
Da erschrak die Gretel zum Tode, weinte und
schrie, half aber nichts, sie mußte gehorchen und aufstehn,
Essen kochen helfen, und durfte es selbst nach
dem Stalle tragen, und mit ihrem eingesperrten Bruder
weinen. Sie selbst ward von der Hexe gar gering gehalten.
Das dauerte so eine Zeit, während welcher die
Alte öfters nach dem Stalle schlich und Hänsel befahl,
einen Finger durch das Gitter zu stecken, damit sie
fühle, ob er fett werde. Hänsel aber steckte immer ein
dürres Knöchelchen heraus, und sie verwunderte sich,
daß der Junge trotz dem guten Essen so mager blieb.
Endlich war sie das müde und sprach zur Gretel:
»Kurz und gut, heute wird er gebraten«, und machte
ein mächtiges Feuer in den Backofen, der neben dem
Häuschen stand, da schob sie hernach Brot hinein,
damit sie frischbackenes zum Braten habe. Das Gretel
wußte seines Herzens keinen Rat, und endlich hieß
ihm die alte Hexe sich auf die Schiebeschaufel zu setzen
und in den Backofen zu lugen, die Alte wollte sie
nur ein bissel in den Ofen schieben, damit die Gretel
sehe, ob das Brot braun sei, eigentlich aber wollte sie
das arme Mägdlein gleich zuerst darin braten.
Da kam aber das schneeweiße Vögelein geflogen
und sang: »Hüt dich, hüt dich, sieh dich für!« Und da
gingen der Gretel die Augen auf, daß sie der Alten
böse List durchschaute und sagte: »Zeiget mir's
zuvor, wie ich's machen muß, dann will ich's tun.«
Gleich setzte sich die Alte auf das Ofenbrett, und die
Gretel schob am Stiel, und schob sie so weit in den
Backofen, als der Stiel lang war, und dann klapp,
schlug sie das eiserne Türlein vor dem Ofen zu, schob
den Riegel vor, und da der Ofen noch erstaunlich heiß
war, mußte die alte Hexe drinnen brickeln und braten
und elendiglich umkommen zum Lohn ihrer Übeltaten.
Gretel aber lief zum Hänsel, ließ den aus dem
Gänsestall, und der kam heraus und fiel vor Freude
dem treuen Schwesterchen um den Hals, küßten sich
und weinten vor Freude und dankten Gott.
Und da war das weiße Vöglein wieder da, und auch
viele viele andre Waldvöglein, die flogen auf das Kuchendach
des Häusleins, darauf war ein Nest, und
daraus nahm jedes Vöglein ein buntes Steinchen oder
eine Perle, und trugen sie hin zu den Kindern, und
Gretel hielt sein Schürzchen auf, daß es alle die vielen
Steinchen fasse. Das schneeweiße Vöglein sang:
»Perlen und Edelstein,
Für die Brotbröselein.«
Da merkten die Kinder, daß die Vöglein dankbar
dafür waren, daß Hänsel Brotkrumen auf den Weg gestreut
hatte, und nun flog das weiße Vöglein wieder
vor ihnen her, daß es ihnen den Weg aus dem Walde
zeige. Bald kamen sie an ein mächtiges Wasser, da
standen sie ratlos, und konnten nicht weiter und nicht
darüber. Plötzlich aber kam ein großer schöner