Ihr nicht die Pfänder auslösen, die ich redlich erworben
habe? Euer Leibroß mit zweihundert Kronen,
Eurer Gemahlin Trauring und das Tuch mit hundert
Kronen, des Pfarrers und Schulmeisters Geld mit hundertundzwanzig
Kronen! Wo nicht, so fahr ich damit
von dannen.« Den Edelmann rührte fast der Schlag; er
sprach: »Lieber Pate, das war ja alles nur ein Spaß,
du wirst diese Güter nicht an dir behalten wollen; ich
schenke dir ja das Leben.« – »Nun, so will ich gehen,
und Euch die Sachen alle herbringen!« sprach der
Meisterdieb; ging und ließ seinen Wagen anspannen,
seinen alten Vater und seine Mutter hineinsetzen,
setzte sich selbst auf des Edelmanns Roß, steckte den
prächtigen Ring an den Finger und schickte dem
Edelmann nur das Bettuch mit einem Brieflein, darin
stand: »Gebt dem Pfarrer und dem Schulmeister ihr
Geld zurück, sonst stiehlt Euch Eure Frau
Dero untertäniger Pate und Meisterdieb.«
Da bekam der Edelmann große Furcht, trug den Schaden
und wollte nichts mehr von seinem Paten wissen,
erfuhr auch nichts mehr von ihm, denn der war mit
seinen Eltern in ein fernes Land gezogen und ein ehrlicher
und angesehener Mann geworden.
Die verzauberte Prinzessin
Es war einmal ein armer Handwerksmann, der hatte
zwei Söhne, einen guten, der hieß Hans, und einen
bösen, der hieß Helmerich. Wie das aber wohl geht in
der Welt, der Vater hätte den bösen mehr lieb als den
guten.
Nun begab es sich, daß das Jahr einmal ein mehr
als gewöhnlich teures war und dem Meister der Beutel
leer ward. Ei! dachte er, man muß zu leben wissen.
Sind die Kunden doch so oft zu dir gekommen, nun
ist es an dir höflich zu sein und dich zu ihnen zu bemühen.
Gesagt getan. Früh morgens zog er aus und
klopfte an mancher stattlichen Tür; aber wie es sich
denn so trifft, daß die stattlichsten Herren nicht die
besten Zahler sind, die Rechnung zu bezahlen hatte
niemand Lust. So kam der Handwerksmann müde und
matt des Abends in seine Heimat und trübselig setzte
er sich vor die Türe der Schenke ganz allein, denn er
hatte weder das Herz mit den Zechgästen zu plaudern,
noch freute er sich sehr auf das lange Gesicht seines
Weibes. Aber wie er da saß in Gedanken versunken,
konnte er doch nicht lassen hinzuhören auf das Gespräch,
das drinnen geführt ward. Ein Fremder, der
eben aus der Hauptstadt angelangt war, erzählte, daß
die schöne Königstochter von einem bösen Zauberer
gefangen gesetzt sei und müsse im Kerker bleiben ihr
lebelang, wenn nicht jemand sich fände der die drei
Proben löste, welche der Zauberer gesetzt hatte.
Fände sich aber einer, so wäre die Prinzeß sein und
ihr ganzes herrliches Schloß mit all seinen Schätzen.
Das hörte der Meister an zuerst mit halbem Ohr, dann
mit dem ganzen und zuletzt mit allen beiden, denn er
dachte: mein Sohn Helmerich ist ein aufgeweckter
Kopf, der wohl den Ziegenbock barbieren möchte, so
das einer von ihm heischte; was gilt's, er löst die Proben
und wird der Gemahl der schönen Prinzeß und
Herr über Land und Leute. Denn also hatte der
König, ihr Vater, verkündigen lassen. – Schleunig
kehrte er nach Haus und vergaß seine Schulden und
Kunden über der neuen Mär, die er eilig seiner Frau
hinterbrachte. Des andern Morgens schon sprach er
zum Helmerich, daß er ihn mit Roß und Wehr ausrüsten
wolle zu der Fahrt, und wie schnell machte der
sich auf die Reise! Als er Abschied nahm, versprach
er seinen Eltern, er wolle sie samt dem dummen Bruder
Hans gleich holen lassen in einem sechsspännigen
Wagen; denn er meinte schon, er wäre König. Übermütig
wie er dahinzog, ließ er seinen Mutwillen aus
an allem, was ihm in den Weg kam. Die Vögel, die
auf den Zweigen saßen und den Herrgott lobten mit
Gesang wie sie es verstanden, scheuchte er mit der
Gerte von den Ästen und kein Getier kam ihm in den
Weg, daran er nicht seinen Schabernack ausgelassen
hätte.Und zum ersten begegnete er einem Ameisenhaufen;
den ließ er sein Roß zertreten, und die Ameisen,
die erzürnt an sein Roß und an ihn selbst krochen
und Pferd und Mann bissen, erschlug und erdrückte er
alle. Weiter kam er an einen klaren Teich, in dem
schwammen zwölf Enten. Helmerich lockte sie ans
Ufer und tötete deren elf, nur die zwölfte entkam.
Endlich traf er auch einen schönen Bienenstock; da
machte er es den Bienen wie er es den Ameisen gemacht.
Und so war seine Freude die unschuldige
Kreatur nicht sich zum Nutzen, sondern aus bloßer
Tücke zu plagen und zu zerstören.
Als Helmerich nun bei sinkender Sonne das prächtige
Schloß erreicht hatte, darin die Prinzessin verzaubert
war, klopfte er gewaltig an die geschlossene Pforte.
Alles war still; immer heftiger pochte der Reiter.
Endlich tat sich ein Schiebefenster auf und hervor sah
ein altes Mütterlein mit spinnewebfarbigem Gesichte,
die fragte verdrießlich, was er begehre. »Die Prinzeß
will ich erlösen«, rief Helmerich, »geschwind macht
mir auf.« »Eile mit Weile, mein Sohn«, sprach die
Alte; »morgen ist auch ein Tag, um neun Uhr werde
ich dich hier erwarten.« Damit schloß sie den Schalter.
Am andern Morgen um neun Uhr, als Helmerich
wieder erschien, stand das Mütterchen schon seiner
gewärtig mit einem Fäßchen voll Leinsamen, den sie
ausstreute auf eine schöne Wiese. »Lies die Körner
zusammen«, sprach sie zu dem Reiter, »in einer Stunde
komme ich wieder, da muß die Arbeit