Jetzt konnten sie in aller Ruhe ein Lager errichten. Auf einer in den Fluss reichenden Landzunge entfernten sie das Gestrüpp und errichteten ihr Lager auf dem körnigen Sand. Mit langenStecken sicherten sie den schmalen Übergang Richtung Wald, schon bald standen die ersten Zelte. Die größeren Knaben versuchten ihr Glück beim Angeln. Schnell stellte sich der Erfolg ein, große Fische zappelten an der Angel und wurden mit freudig erregtem Geschrei kundgetan. Die Kinder fingen enorme Mengen an Fisch, so dass die Älteren sie bremsen mussten, die vielen Fische konnten gar nicht gegessen werden.
Der Dorfälteste ließ seine Leute gewähren, die Strapazen de rvergangenen Tage verblassten allmählich. Der Alltag kehrte wieder ein. Das frische Grün der Pflanzen, der Blätter und das saftige Gras sagte ihm, dass es noch früh im Jahr sein musste, sie hatten also noch Zeit für die Vorbereitungen für die letzten Schritte in Richtung neue Heimat. Mit den anderen Ältesten und mit einigen Handwerkern suchte er passende Bäume aus und ließ sie nach und nach fällen, die astlosen Stämme ließ er nebeneinander lagern. Von den Heilerinnen wollte er Material zur Herstellung von Seilen haben und als nach und nach das benötigte Material zusammen gekommen war, berief er eines Abends eine Versammlung ein. Erstaunt und etwas besorgt, ja unruhig kamen die Menschen zusammen und als sich Ruheeingestellt hatte, begann der Dorfälteste zu sprechen: „Die Kundschafter haben den Fluss überquert“, und dabei zeigte der Alte mit zittriger Hand flussaufwärts, „dort gibt es eine seichte Stelle. Auf der anderen Seite des Flusses ist eine riesige, weite Ebene, unbewohnt, viele jagdbare Tiere, guter Boden, und durch zwei Flüsse, die durch die Ebene fließen, werden wir uns kaum Sorgen um das Wasser machen müssen, zumal die Kundschafter von mehreren kleinen und größeren Teichen und Seen berichten konnten.
Mit den Baumstämmen und den Seilen werden wir den Übergang sichern, so wird jeder von euch unbeschadet das andere Ufer erreichen, ebenso unsere Tiere.“
In der späten Nacht spürte Darkahr, dass sich etwas in seinem Wagen bewegte, nichts Bedrohliches, eher das Gegenteil, flatternde Kleidungsstücke und dann legte sich ein warmer, fester Frauenkörper neben ihn und Darkahr löste sich von allen Sorgen.
Darkahr wachte prächtig ausgeruht auf und war hungrig auf das Frühstück, beim Ankleiden sah er sich neugierig im Wagen um, aber es war nichts zu entdecken, kein Anhaltspunkt, kein Hinweis.
Während des Frühstücks trafen die vier Weisen bei Darkahr ein und besprachen die letzten Tage ihrer Flucht vor der wilden Horde. Thor-Tun äußerte sich besorgt darüber, dass sie mit den schweren Wagen einfach zu langsam voran kamen, Kuur-Sen rief seinen obersten Wagenlenker dazu und befragte ihn zu dem von Thor-Tun angesprochenen Problem. Etwas verlegen und ungelenk stand der sehr große Mann in seiner derben Kleidung vor den Weisen seines Volkes und bestätigte die Aussage von Thor-Tun.
Darkahr wies darauf hin, dass sie auf nichts verzichten konnten, das bestätigten alle. Sirgith trat zu der Gruppe und bat um das Wort, höflich neigten die Weisen ihre Häupter vor der Frau.
„Darkahr, mein Fürst“, begann Sirgith, „viele der Leichtverletzten benötigen nicht mehr den Transport auf den
großen Wagen, selbst einige der Schwerverletzten sind schon so weit genesen, dass sie schon zeitweise neben den Wagen her laufen können, einige reiten sogar. Wir benötigen also nicht mehr alle Fuhrwerke“, schloss Sirgith und sah Darkahr lange an.
Der Lenker bewegte sich nervös, Darkahr spürte, dass der Mann etwas sagen wollte und munterte ihn freundlich und ruhig dazu auf. Die Runde schaute erwartungsvoll auf den Mann. „Mein Fürst, als wir von Euch den Auftrag erhielten,die Wagen zu bauen, überlegten wir, wie wir die Wagen konstruieren mussten, damit wir mit ihnen in allen Geländeformen zu Recht kommen.“ Darkahr verstand, mit einer Handbewegung zeigte er an, dass er weiter sprechen sollte.
„Die einachsigen Wagen stellen kein Problem dar, die Ochsengespanne ziehen sie leicht, die zweiachsigen Wagen hingegen sind einfach zu groß und zu schwer.“ Der Lenker, sein Name ist Duboor, wurde durch das ihm vertraute Thema sicherer vor seinem Fürsten, er hockte sich hin und glättete den Boden vor sich, mit einem dünnen Stock zeichnete er eine erstaunlich klare Ansicht eines der großen Fuhrwerke.
„Hier können wir die Wagen ohne Probleme verkürzen, das haben wir bei dem Bau so vorgesehen. Wir machen aus den großen, zweiachsigen Wagen einfach bewegliche und leichter zu ziehende einachsigeWagen.“ Duboor schaute sich erwartungsvoll in der Runde um und freute sich über die Zustimmung in den Gesichtern der Weisen. Darkahr stand auf und legte Duboor die rechte Hand auf die Schulter. „Ich spreche dir und deinen Leuten unsere Anerkennung und unsere Hochachtung aus, du hast sehr gute Arbeit geleistet.“ Duboor neigte stolz sein Haupt vor seinem Fürsten, dieser fragte ihn dann, wie lange die Umrüstung der Fuhrwerke dauern werde. Die Weisen erkannten sofort, dass sich Duboor auch darüber seine Gedanken gemacht hatte, seine Antwort kam schnell und präzise: „Pro Tag fünf Wagen.“
Darkahr wandte sich an Kuur-Sen: „Stelle bitte fest, welche Wagen wir umbauen können.“ Duboor zeigte auf drei in der Nähe stehende Wagen und Darkahr sah an jedem einen zackigen Blitz als Markierung. Die fünf Weisen und auch Sirgith waren von der Übersicht des Mannes tief beeindruckt, obwohl Duboor noch relativ jung an Jahren war. Willger trat zu Duboor: „Du und deine Leute haben uns mit deiner klugen Arbeit tief beeindruckt, wir werden dich wohlwollend im Auge behalten.“ Duboor verneigte sich dankend vor den Weisen seines Volkes und verließ die Runde, er stieß einen lauten Pfiff aus und viele Männer liefen zu ihm. Duboor schilderte ihnen das Gespräch mit den Weisen und die Männer schauten Duboor nach jedem seiner Sätze mit mehr Anerkennung an. Er teilte seine Leute ein, andere Männer und Frauen hatten schon begonnen, die Wagen auszuräumen. Unter den ersten leeren Wagen wurden so etwas wie schwere und sehr stabile Böcke gestellt, dicke Balken wurden daran befestigt und mit dem Herauf- und Herunterbewegen der Balken hob sich der Wagen wie von Zauberhand.
Darkahr sah mit Zufriedenheit, mit welcher Sicherheit die Männer von Duboor die Arbeit durchführten. Die Männer und Frauen kümmerten sich indessen um die Tiere, die Ochsen wurden mit dicken Grasbüscheln abgerieben, einige Ziegen und Schafe wurden geschoren, Frauen kamen mit Körben zurück, voll mit Wurzeln, die sie ausgegraben hatten, und mit Beeren, die sie gesammelt hatten.
Darkahr nahm dies alles mit Erleichterung zur Kenntnis, sein Volk schaute nach vorn in Richtung Zukunft. Die von Thor-Tun ausgesandten Kundschafter baten Darkahr um ein Gespräch, sie berichteten ihrem Fürsten, dass sie auftragsgemäß bis zum ehemaligen Basislager vorgedrungen waren, um sich davon zu überzeugen, dass keine Verfolgung durch die wilde Horde bevorstand. Sie konnten berichten, dass weit und breit nichts von ihnen zu sehen war, sie mussten aber auch berichten, dass die wilde Horde von ihrer Heimat in der weiten Ebene nichts übrig gelassen hatte, alles war wie in wilder Wut zerstört worden, kein Haus stand mehr, kein Brunnen und die Felder, die Brücken gab es nicht mehr. Traurig und verstört schlossen die Kundschafter, Darkahr bedankte sich für ihre Arbeit und ihren Bericht. Es war tatsächlich so gekommen, wie er es schon von Anfang an befürchtet hatte, die wilde Horde tötete nicht nur wahl- und sinnlos alles Leben, nein, sie vernichtete auch das Land, um jedes Leben unmöglich zu machen.
Es wurde Darkahr immer klarer, sie mussten weiter, so weit weg von der weiten Ebene, dass sie sicher vor der wilden Horde waren.
Die Männer hatten den ersten Wagen getrennt, Darkahr konnte erkennen, dass diese schon so gebaut worden waren, dass eine Verkürzung relativ einfach durchgeführt werden konnte. Die Männer trennten die Plane und verpackten sie sorgfältig, die hinteren Räder des Wagens wurden zur Seite gestellt, ebenso die Bretter und das übrige Material. Die beiden anderen Wagen wurden auch getrennt und wieder beladen, Duboor ging mit seinen Männern an den vierten Wagen, während andere Männer die Räder und Bretter auf einem der großen Wagen verstauten. Zum frühen Nachmittag wurde der fünfte Wagen fertig und Duboor meldete seinem Fürsten stolz den Vollzug der Arbeit.
Darkahr erkundigte sich bei Duboor, wie viele Fuhrwerke so umgerüstet werden konnten. „Noch zwölf Wagen und wenn die Genesung der Verwundeten so weiter geht, kommen noch mal fünf bis acht Wagen hinzu.“ Darkahr sprach Duboor und seinen Männern noch