SCHWARZ. Markus Schweitzer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Markus Schweitzer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753188379
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teils gesunken. Endzeitstimmung angesichts der nahenden Mündung. Die Wassermassen der Stauseen von hohen Deichen gezähmt, sich aus der Landschaft erhebend. Zwischen den Stauseen sich lang erstreckende Deiche, gen Mündung die Wälder hinter den Deichen abtrennend, die unterhalb der Deiche ein eigenes Leben führen. Zum Wasser hin hohes Gras, Schilf, Pflanzen. In der Sommerhitze drückende Schwüle verbreitend. Zum Schluss hin bis zur Mündung befestigte Ufer. Das Wasser der Isar sich unspektakulär, fast scheu mit der Donau verbindend. Der Fluss, nach vorübergehender Breite, hier in einem nahezu schmalen Bett fließend. Braun, dunkel, verblüht, erschöpft. Sich auflösend.

      Schwarzglänzend

       Schwarze Nässe. Feuchtglänzend erstreckt sich das frische Schwarz des ausgehenden Winters und des bald kommenden Frühlings. Vollgesogen mit Schmelzwasser und Regen die vermodernde Basis des Neuen bildend. Grobkörniger schwarzer Dreck. Feingranular flüssiger, schwarzer Schlamm. Plattgedrückt schwarz verfaulendes Grün. In den Augen brennend, an den Füssen klebend. Sich verspritzend überall verteilendes, flüchtiges Schwarz. Schwer, feucht, erdig riechend. Gehaltvolles, nahrhaftes Schwarz. Klammer Schatten des Winters, schmieriger Vorbote des aufkeimenden Frühlings. Schwarzdurchnässte, sich ausbreitende Feuchte.

      

      Er läuft erwartungsvoll auf die Isar zu. Gespannt, wie sie sich heute darstellen wird. Es ist morgens, die Luft frisch, die Sonne gerade hinter den Wolken aufgetaucht. Das Schwarz der Nacht gerade verblasst. So früh sind noch nicht ganz so viele Leute unterwegs. Die Isar und die Stadt wachen gerade auf, während er schon munter ist. Er schaut nach links auf die Isar, läuft rechts der Isar in Richtung der weit entfernten Donaumündung. Sieht das Wasser, die ersten Enten, die sich noch müde mit dem Wasser treiben lassen. Sieht, wie die Sonnenstrahlen die letzten noch verbliebenen Herbstblätter bunt erleuchten. Sieht die noch nicht abgetrocknete Morgenfeuchtigkeit auf den immergrünen Blättern und den Grashalmen. Er läuft ohne auf den Weg zu achten, den Blick von links nach rechts und wieder zurück schweifen lassend. Läuft an einer Staustufe vorbei und hört das erst lauter und dann mit zunehmender Entfernung wieder leiser werdende Rauschen des Wassers, das über die Stufe weiß schäumend nach unten stürzt und, eine kleine Walze bildend, sich wieder glättend weiterströmt. Er läuft an einigen wenigen anderen Joggern vorbei. Bekannte Gesichter, unbekannte Personen. Er spürt den vom gestrigen Regen aufgeweichten samtigen Boden unter den Füssen. Überspringt kleine Pfützen. Weicht Fliegen und anderen umherschwirrenden Insekten aus, versucht die zwitschernden Vögel zu erspähen. Läuft vom baumbestandenen Weg ins Freie, über eine Brücke. Spürt die Wärme der aufsteigenden Sonne, sieht über die freie Wasserfläche zurück. Sieht die frischen Nagespuren eines Bibers an einem mittlerweile rechtwinklig umgeknickt in der Isar liegenden Baumstamm. Die hellen frischen Späne am Boden.

      Er läuft rechts abbiegend weiter. An alten ausgehöhlten, von Insekten durchbohrten, zersetzten, fast schon zu Staub zerfallenden Baumstämmen vorbei. An Brücken vorbei, unter Brücken hindurch. In und um München herum ist die Brückendichte über die Isar hoch. Während sonst etliche Kilometer lang keine Brücke den Wechsel auf die andere Isarseite erlaubt, überspannt hier mindestens alle paar hundert Meter eine Brücke den Fluss. Verbindet beide Seiten zu einer Einheit. Macht den Fluss auch von der Wassermitte aus erlebbar. Bietet einen Blick aus der Vogelperspektive auf die Wasseroberfläche hinab. Er läuft vorbei an Feldern, über kleine Seitenkanäle und Bäche. Erfreut sich an der durch für Strommasten geschlagene Schneisen scheinenden Sonne. Läuft nun fast direkt auf die Sonne zu. Der Weg an der Isar größtenteils flach steigt mal auf mehrere Meter über dem Wasserspiegel an, um dann wieder fast auf dasselbe Niveau mit dem Wasserspiegel hinabzuführen. Führt mal direkt am Wasser lang, um dann von Bäumen und Büschen, mal auch durch eine Wiese oder eine größere Baumgruppe vom Wasser getrennt zu werden. Hat schattig kühle und sonnig schwüle Passagen. Irgendwann kehrt er um, läuft an den nun mehr werdenden anderen Joggern, Radfahrern und Fußgängern vorbei. Sieht die Isar nun aus der anderen Perspektive. Fühlt sich locker und leicht. Spürt keine Anstrengung. Erfreut sich an der wärmer werdenden Luft und einer nun aufkommenden leichten Brise. Läuft nun mit der Sonne im Rücken in den Morgen hinein, in einen neuen Arbeitstag. Aus der beruhigenden, gefühlt unberührten Natur in die umtriebige Stadt hinein. Mit neu gesammelter Energie und Motivation. Ausgepowert und doch energiegeladen.

      2 Leuchtendes Schwarz

       Ein leuchtendes Schwarz. Heterogen durch ein glimmerndes Leuchten. Aus dem Inneren kommend. Ein vielfältiges, unterschiedliches Schwarz. Pulsierend, changierend. Ein strahlendes Schwarz. Uneben, reflektierend. Leuchtend. Es betont die Farben, ist ihr Verbündeter, ihr Mentor, drängt sich nicht in den Vordergrund. Es ist einfach da. Ist die Bühne für die Unterschiedlichkeit. Es bringt die Individualität, die individuellen Stärken und Schwächen, die ganz privaten Emotionen zum Leuchten. Immer anders, immer neu. Ein niemals gleiches, schwarzes Leuchten.

      Isar-Frühling

      Blattlose Sträucher, Büsche, Bäume säumen Knospen sprießend die Ufer, das breite Kiesbett. Graubraune Grasflächen beginnen sich wieder einzufärben. Weitgehend ungehindert erreichen die noch kalten Sonnenstrahlen das Wasser, bevor später die die Zweige neu bedeckenden Blätter, einen Großteil der Sonne einfangend, als Farbfilter dienend die Flusslandschaft in warmen Tönen erscheinen lassen. Schmelzwasser spült aufgewühlte Erde, weggeschwemmten Lehm, ausgewaschene Kiesel, entwurzelte Bäume in einem reißenden Strom durch das sich rasch füllende Kiesbett. Regen lässt die Wassermassen anschwellen und erfüllt die den Fluss umgebende Landschaft mit einem intensiv erdigen, schlammigen Geruch. Das Wasser rauscht mit hoher Geschwindigkeit durch das Kiesbett. Gelblichbraun erst, dann karamellbraun bis hin zu dunkelgrünbraun.

      Das Wasser überschwemmt angrenzende Auen, Wege, Straßen. Panische Ratten retten sich quietschend auf Ufermauern und erhöht liegende Steine. Braunes Wasser quillt aus Gullischächten. Zurück bleiben auf Kiesbänken und in Flusskurven gestrandete Bäume und Äste, schlammüberzogene Wiesen, deren Grashalme in Strömungsrichtung ausgerichtet, plattgedrückt am Boden liegend, sich langsam wieder erholen. Unterspülte Wege, angefressene Ufer. Würziger Geruch der allmählich blühenden Pflanzen legt sich über die Flusslandschaft, der Fluss immer undurchlässiger eingerahmt und abgeschottet von mit dichtem Laub bedeckten Pflanzen und Bäumen, von hochwachsendem Gras und schilfbedeckten Ufern. Immer bunter werden die bewachsenen Uferbereiche, das Wasser erscheint in einem stetig intensiver werdenden Türkis, die Sonne leuchtet die noch schüchterne Szenerie aus. Regenschauer lassen die Farben leuchten, die Pflanzen glänzen. Weichen die Erde zu einer matschigen Fläche werdend auf. Trocknend durchzogen von Spuren und Rillen, ein braunes Relief hinterlassend. Gefüllt mit Regenwasser.

      Sonne wechselt sich mit Regenschauern ab, in der Mittagshitze Schwüle verbreitend, in den noch kühlen Abendstunden angenehme Frische anbietend. Die Landschaft vom Winter kommend erst noch kahl und braun, sich zum Sommer hinbewegend immer intensiver grün und leuchtend bunt gefärbt. Die Kiesbänke in der Isar färben sich, durch die sprießenden Pflanzen einen grünen Schimmer bekommend, von hellgrauweiß langsam farbig ein. Die vormals ungehinderte, freie Sicht immer mehr einschränkend. Regen weicht zunehmend Sonnenschein, durch die Blätter dringend helle Sonnenstreifen werfend, Muster an Bäumen und am Boden bildend. Lauter werdende Geräusche der Fauna bilden einen akustischen Hintergrund zu den visuellen, sich verstärkenden Reizen. Ein sich bewegendes Rascheln, ein zwitschernder Schatten, ein weißer, sich spritzend ins Wasser tauchender Schwanenhals.

      Schwarzfröhlich

       Schwarz ist eine Melange. Bestehend aus diversen, sich abwechselnd in den Vordergrund schiebenden Bestandteilen. Mit verschiedenen Texturen, haptisch. Rau, geriffelt, körnig, piksend, glatt. Es überrascht, ist spannend, fühlt sich abwechslungsreich an, sieht vollkommen unterschiedlich aus, schmeckt niemals gleich. Definiert sich ständig neu. Neue Mischung, neue Bestandteile, neue Struktur. Heterogenes Schwarz.

      

      Das dauergraue Wetter hat sich verzogen.