SCHWARZ. Markus Schweitzer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Markus Schweitzer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753188379
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Weich. Ein Schwarz-Weiß hingegen ist sehr hart. Ohne Grautöne ohne Zwischentöne, extrem, hart, kantig. Zuspitzend, betonend und fordernd. Einen harten Gegenpol bildend. Feinheiten, Details egalisierend. Es bedeutet das komplette Ausblenden von Zwischenstufen, Zwischentönen, von allem Weichen, allem Vagen. Es ist kompromisslos. Verschwinden zusätzlich zu den Zwischentönen noch die Strukturen und Konturen, ist Schwarz wirklich schwarz. Tiefe gebendes Schwarz. Undurchdringliches Schwarz. Aber Schwarz muss nicht so kompromisslos hart sein. Schwarz kann Textur haben. Es kann samtig und weich sein. Es kann rau und porös daherkommen. Oder eben hart und glatt. Im Kontrast neutral. Kontrastierendes Schwarz.

      

      

      Isar-Verlauf

      Er mag das Schwarz. Er mag das Laufen. Beides gehört für ihn zusammen. Beim Laufen tariert sich die Balance zwischen beidem in ihm aus. Das Schwarz in seinem Inneren ist nach dem Laufen ein anderes als davor. Jeder Schritt eine Veränderung des Schwarz. Jeder Meter ein Stück Weg zum schwarzen Gleichgewicht. Er läuft im Schwarz, mit dem Schwarz, für das Schwarz, gegen das Schwarz. Schritt für Schritt eine Neudefinition seines eigenen, individuellen, subjektiven Schwarz. Jeder Lauf ist eine Neuverhandlung des Schwarzanteils in ihm und um ihn herum. Er läuft um zu neutralisieren. Das Schwarz zu neutralisieren.

      Die Isar ist sein ständiger Begleiter. Sie ist immer da, nie gleich, jedes Mal neu. Mal ruhig und sanft, mal rau und wild, aber immer unterschwellig gefährlich. In ihrem Verlauf vom Ursprung bis zur Mündung verändert sie sich. Meter für Meter, Kilometer für Kilometer wird sie erwachsener, verliert ihren wilden Charakter, der in gezähmte Konformität übergeht. Steinig rau, grünlich bemoost, einem Rinnsal ähnelnd, tröpfelt sie die ersten Meter durch das Erdreich. Verwandelt sich schnell in einen klaren verwunschenen Bach, rundherum mit grünem Moos bewachsen, schwarz verwittert, leicht zu überspringen, ohne bemerkenswerte Tiefe. Eingeschlossen im Karwendelgebirge, sich einen Weg grabend, schnell breiter werdend. Klares Wasser, von den Seiten kommend, lässt sie schneller fließen, gibt Breite und Tiefe, sprudelt über Gesteinsbrocken und Kiesel hinweg, unter als improvisierte schmale Brücken dienenden Baumstämmen und Brettern hindurch. Sucht sich ständig sich verändernde Wege durch riesige Kiesflächen, säuselt an den Rändern der im Kiesbett mäandernden Rinnsale. Vorbei an Nadelbäumen, natürlichen, grauen Schutthalden, Endmoränen und grünen Wiesenflächen, sich immer breiter verteilend durch tiefe Schluchten. Transparentes Wasser wird auf weiß scheinenden hellgrauen Kieseln zu einem durchdringenden Türkis, funkelnd, glitzernd sich endlos bewegend. Sich massegewinnend schlängelnd, immer lauter rauschend. Um dann, jetzt noch nur wenige Kilometer alt, ein erstes Mal ausbeutend gebändigt zu werden.

      Flach noch breitet sie sich dann in der Ebene zwischen den Bergen im weit erscheinenden Kiesbett aus, das türkisfarbene Wasser sich in einer Hauptrinne bündelnd, am Rande des Kiesbetts mal kleinere, mal größere Bäume, Tannen, Latschenkiefern, mal eine Straße, ein Weg oder ein Trampelpfad, mal steil aufsteigende Hänge. Auch das Ufer mal flach, dann wieder höher mit harten Abbruchkanten, unterspült teilweise, den Querschnitt der Landschaft freilegend, offenbarend und präsentierend. Büsche ragen in das Wasser, Zweige, Äste, Bäume vereinnahmen den Raum über der fluiden Wasseroberfläche. Hier und da Kiesbänke zwischen den flachen Wasseradern. Am Ufer teils Zaunpfosten, ohne Verspannung, durchlässig eine Abgrenzung markierend. Unter der transparent türkisfarbenen, sich kräuselnden Wasseroberfläche erscheinen Steine und Kiesel wie unter der Lupe, Bewegung vortäuschend. Nahezu unbemerkt überschreitet das Wasser die Ländergrenze zwischen Österreich und Deutschland. Unbeeindruckt macht die Natur keinen Unterschied zwischen den Ländern. Wie reingeworfen bilden Felsbrocken, aus der Wasseroberfläche stechend, eine mal mehr, mal weniger durchlässige Sperre im Fluss. Mal vereinzelt, mal in der Gruppe entwickeln die Felsbrocken ein Eigenleben im rauschenden Wasser und reflektierenden, wechselhaften Sonnenlicht. Treibholz türmt sich auf Kiesbänken und im kurvigen Uferbereich mit fast vergessenen, versteckten Ecken.

      Dann, fast unvermittelt gehen die großzügigen, freien Uferbereiche in befestigte, gezähmte, den Fluss zügelnde, kanalisierende Ufer über. Sie zwängen das Wasser in eine definierte Breite. Ordnen es der menschlichen Zivilisation unter, sperren streckenweise den Menschen aus. Der Fluss wird industrialisiert, ausgebeutet. Dann, einer kurzen Erholung gleich, wird die Landschaft wieder weiter, das Kiesbrett breiter, die Ufer deregulierter. Auf den teils höher gelegenen Ufern zeugen die Buckelwiesen von zahllosen kleinen Moränen aus der Würmeiszeit. Auen tun sich auf, um dann genauso unvermittelt wieder zu verschwinden. Deichen platzmachend. Milchigtürkis mäandert das Wasser im wieder breiter werdenden Kiesbett zwischen Sand- und Kiesbänken dahin. Weite Auen, spärlich grasbewachsen, abwechselnd mit grünen Wiesen, Büschen und Sträuchern. Seitlich einmündende Bäche und Rinnsale, während sich das türkisfarbene Wasser durch Nadelholz bewaldete Hügel schlängelt. Plötzlich sich zu einer Art See weitend. Um dann, Wahrzeichen seiner Industrialisierung, in den Sylvensteinspeicher zu münden. Gelblich lehmige Uferbereiche, teils mit Büschen und Gras bewachsen, rahmen das petrolgrüne Wasser des künstlichen Sees, rundum eingeschlossen von Bergen. Die Landschaft spiegelnd erstreckt sich die weite Wasserfläche dahin. Gelbgrüne Wiesen, kontrastierend zum Türkis und Petrol des Sees. Schlammmarken markieren verschiedene Wasserstände, offenbaren den niedrigen Wasserstand. Freigelegte Baumstümpfe gefällter Bäume, morbide aus dem schlammigbraunen, flachen Wasser im Uferbereich ragend. Bräunlichgelbe Flecken aus Blütenstaub auf der Wasseroberfläche treibend. Tier-, Vogelspuren im Schlick. Feuerstellen vergangener Lagerfeuer an trockenen Sommerabenden. Dümpelnde, grün beplante Boote am Ufer. Die kaltgrüne Oberfläche des Speichersees zieht sich lang dahin, um dann tief unten, einer künstlich erzeugten, parasitären Astgabel gleichend, den Fluss wieder freizugeben.

      Das Wasser wieder freier fließend, das Flussbett weitend. Zögerlich erst, dann zu größerem Selbstbewusstsein zurückkehrend. Das Wasser fließt wieder türkisfarben über weiße, wo vom Uferwasser nur leicht benetzt bräunlichgelbe Kiesel, zur Flussmitte hin mit steigender Wassertiefe immer intensiver gefärbt bis hin zu einem Dunkeltürkis. Treibholz am Rand, morsche, verwitterte Baumstämme im Kiesbett liegend. Das Wasser, Sträucher umspülend, vom Kiesbett Besitz ergreifend. Dann wieder eingezwängt zwischen baumbestandenen, definierten Ufern, tiefer nun, smaragdgrün durchgefärbt, die weißen Kiesel verdeckend. Um sich bald darauf wieder auszuweiten. Der Fluss schlängelt sich durch die Landschaft, die Berge immer weiter zurückrückend, sich mal einseitig, mal beidseitig mehrere Meter tief in die weißbraunen, oben bewachsenen Kiesufer eingrabend. Vorbei an Stauwehren. Die Ufer mal steppengleich, mal bewaldet, mal riesige Kiesflächen und -bänke. Immer im Wechsel von eng geführter Zähmung und ungezähmter Ausbreitung, von kurzzeitiger Stauung und freifließendem Gewässer.

      Das Wasser allmählich wechselnd von Türkis zu Hellbräunlich, das Flussbett veralgend, Schlick ablagernd, die Kiesel teilweise bemoost, von Algen umwickelt. Abschnittsweise fast wieder so klar wie an der Quelle. Streckenweise sich aufteilend in einen Kanal und den Fluss, nebeneinanderher fließend, dem Fluss Energie und Wasser raubend. Richtung München, durch München hindurch, an München vorbei. Um München herum von zahlreicher werdenden Brücken überspannt. Vorbei an und begleitet von erholungsuchenden Großstädtern. Eine grüne, wenn auch künstliche, Ursprünglichkeit vortäuschende Schneise durch die Zivilisation grabend. Fast durchgehend eingedeicht jetzt, fast unmerklich, unaufdringlich noch.

      Hinter der Stadt die Deiche in immer größerer Brutalität, aufdringlich, rücksichtslos, je näher die noch entfernte Mündung rückt. Säumende Wälder mit immer älter werdenden Bäumen, morsch, brüchig, verwachsen, verwunschen, bemoost. Durch aufgebrochene Erdschichten drängen untere Gesteinsschichten im Flussbett nach oben. Nagelfluh, von früherer maritimer Vergangenheit berichtend, erscheint wie im Fluss planlos ausgeschütteter Beton. Knallgrün leuchtet das fast phosphoreszierende Moos im Unterholz, während das kanalisierte Wasser immer dunkler, brauner, älter wird. Die Frische des Ursprungs fast vergessen, die Berge nur noch eine vage Ahnung. Felder und Wiesen als neuer Rahmen. Trotzdem noch anmutig, teilweise wild, das Wasser noch klar. Vorbei an zahlreichen Wehren, durch flache Landschaft jetzt, Schilf und Gras am Ufer, weniger werdende Kiesstrände, kleinere Kiesbänke, die meisten großflächig bewachsen.

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