Ziegel - Phantastische Kurzgeschichten. B. Hank Hoefellner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: B. Hank Hoefellner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754178713
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machen die denn auf?“

      „Weiß nich'. Um 8?“

      „Das steht auf dem Schild.“, fragte ein anderer der Männer.

      Ich las.

      „Da steht geöffnet.“, sagte ich.

      „Dann hat Mary Lou wieder mal vergessen, das Schild umzudrehen.“

      „Passiert ihr in letzter Zeit häufiger.“

      „Sie wird alt, die Gute.“

      „Und wissen Sie, wo ich um diese Uhrzeit einen Kaffee bekommen kann?“

      „Hier.“, sagte der Eine.

      „Um 8.“, meinte der Andere.

      Noch fast 2 Stunden. Mein Blick überflog die Straße. Ödnis im Morgenschein. Schöner Titel für ein Bild, dachte ich. Allerdings war ich kein Maler. Oder Fotograf.

      Ich beschloss, mir die Beine zu vertreten, und ging langsam die Straße entlang.

      Der Himmel war wolkenlos, der Sonnenaufgang prächtig. Alle Töne zwischen rot und orange tauchten am Horizont auf. Wie sahen Sonnenauf- und -Untergänge wohl aus, als es noch keine globale Verschmutzung der Atmosphäre gab?

      Die Luft roch nach Staub. Und Blüten. Und Frühling.

      „Guten Morgen!“, rief mir eine Frau zu, die gerade ihren Laden für Tee und und Geschenkartikel öffnete.

      „Auch einen guten Morgen. Sie wissen nicht zufällig, wo ich eine Tasse Kaffee kriegen könnte?“

      „Um die Zeit? Bei Mary Lou würd ich sagen. Der beste Kaffee der Stadt. Und der beste Blaubeerkuchen der ganzen Gegend.“

      „Da war ich schon.“

      „Noch geschlossen?“

      „Allerdings!“

      „Aber um 8 macht sie auf. Vielleicht auch früher.“

      Damit war sie wieder in ihrem Laden verschwunden und ließ mich stehen. Also steckte ich meine Hände in die Hosentaschen und ging weiter.

      Wenige Schritte später tauchte neben mir, auf einer kleinen Straße zwischen zwei Häusern, eine Pyramide aus Ziegelsteinen auf. Mitten auf den spröden Asphalt gestellt und lose übereinandergestapelt. Ich trat näher. Es musste schon länger so stehen, denn zwischen den Fugen hatten sich erste Pflanzen heimisch gemacht.

      Im umrundete das kleine schmucklose Denkmal und ging weiter. Da entdeckte ich auf der gegenüberliegenden Seite, direkt an der Hauptstraße, eine niedrige Mauer aus aufgerichteten Ziegeln. Und etwas weiter vorne waren einige Ziegel hochkant so angeordnet, dass sie eine mannshohe Säule bildeten.

      Bei meinem Weg entlang der Hauptstraße fand ich noch weitere Ziegelsteingebilde. Am Ende der Ladenzeile machte die Hauptstraße eine Biegung nach rechts. Ich folgte der Straße und landete in einem Abrissviertel.

      Vor mir erstreckte sich die Straße ungefähr 500 Meter und war links und rechts gesäumt von verfallenden Häusern, Geschäften und noch einer Kirche. Holzgerippe, verfallene Mauerreste, Schutt, trockene Pflanzen, abblätternde Farbe. Ein paar verbeulte, zum Teil ausgebrannte Autos standen am Straßenrand, in Einfahrten und hinter Gebäuden. Ein paar Hunde streunten durch die Ruinen auf der Suche nach mehr, als Verfall und Dreck.

      Sonst war alles ruhig. Ein kühler Wind wehte und wirbelte mehr Staub auf.

      Ein Blick auf die Uhr. Ich hatte erst 20 Minuten verbummelt. Trotzdem machte ich kehrt und ging den Weg, diesmal auf der anderen Seite, zurück zu meinem Wagen. Vielleicht hatte ich ja Glück und diese Mary Lou würde heute etwas früher öffnen.

      Beim Vorbeigehen warf ich interessierte Blicke auf die aufgerichteten Ziegeldenkmäler.

      Zu welchem Zweck errichte man diese Haufen entlang der Hauptstraße? War das Kunst? Wenn, dann keine die ich verstand.

      Bei Mary Lous Café angekommen, die Alten saßen nach wie vor an Ort und Stelle, hatte ich tatsächlich Glück. Die Tür stand offen und als ich eintrat, empfing mich der Duft frisch aufgebrühten Kaffees.

      „Einen wunderschönen guten Morgen, schöner fremder Mann!“

      Hinter dem Tresen sortierte eine Frau, blond, Mitte 30, weiße Bluse, kurzer schwarzer Rock, freundliches Lächeln, Brownies, Cupcakes und Croissants in die Auslage.

      „Gibt es schon Kaffee?“

      „Was steht auf dem Schild, Hübscher?“

      Ich las.

      „Geöffnet ab 8 Uhr.“

      „Klar hab' ich Kaffee. Vielleicht auch Frühstück dazu?“

      Ich suchte mir einen Platz am Fenster zur Hauptstraße.

      „Ich bin Mary Lou!“, sagte die Frau und reichte mir eine laminierte Karte.

      „Hallo Mary Lou. Ich heiße Tony.“

      „Hallo Tony. Was darf ich denn bringen?“

      Ich überflog die Karte.

      „Rührei, zweimal Speck, Toast, 3 Pancakes mit Sirup. Und Kaffee. Literweise Kaffee.“

      „Kommt in wenigen Augenblicken.“

      Mary Lou zwinkerte mir zu und ging hinter ihren Aluminiumtresen.

      „Lester? Rührei, doppelt Speck, Toast, 3 Pancakes. Und zwar pronto!“, rief sie durch die Tür in die Küche des Cafés.

      Ein hünenhafter Schwarzer, ungefähr 60, kahl, freundliche Augen, Backenbart, T-Shirt, Jeans und weiße Schürze, erschien im Durchgang.

      „Jetzt nur keine Eile, Zuckerschnecke. Es ist, wie spät? Auf jeden Fall zu früh. Guten Morgen, wünsch ich!“

      Ich grüßte zurück und lehnte mich entspannt zurück. Mary Lou brachte den Kaffee.

      „Was verschlägt einen Kerl um diese Uhrzeit in unser gottverlassenes Kaff?“

      „Wenn Sie sich setzen, dann erzähl ich es Ihnen.“

      Sie nahm Platz.

      „Ich höre?“

      „Ich bin auf der Durchreise.“

      „Das, Süßer, dachte ich mir bereits!“

      „Ich bin unterwegs zur Hochzeit meiner Schwester.“

      „Und die heiratet wo?“

      „Frisco.“

      „Dann hast du ja noch ein gutes Stück des Wegs vor dir.“

      „Vor allem, weil ich heute Abend dort sein muss. Ich habe die Ringe!“

      „Dann läuft da also nichts ohne dich?“

      „Absolut nichts.“

      Sie lächelte.

      „Was ich Sie fragen wollte, Mary Lou.“

      „Ja?“

      „Ich bin gerade die Straße einmal rauf und runter und ... nun, da stehen überall aufgestapelte Ziegel herum. Hat das was zu bedeuten, was Spirituelles? Ist das was, dass Kunst darstellt? Oder gibt es hier nur eine Ziegelei, die da Warenmuster ausstellt?“

      „Die Ziegel? Also, das ist so eine Sache.“

      „Mary Lou, das Essen für Tisch 2!“

      Das musste ich sein. Tisch 2. Ich war schließlich der einzige Gast. Sie holte das Essen, platzierte es mir einem Lächeln auf dem Tisch und wollte gehen.

      „Wollten Sie mir nicht gerade erzählen, was es mit diesen Ziegeln auf sich hat?“

      „Ich weiß nicht, ob ich das wollte.“

      „Jetzt machen Sie doch kein Geheimnis drum. Es sind Ziegel. Kommen Sie schon. Ich bin die ganze Nacht durchgefahren und würde