Ziegel - Phantastische Kurzgeschichten. B. Hank Hoefellner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: B. Hank Hoefellner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754178713
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Von den Anfängen ...“

      Lydia klopfte ihm rasch auf die Schulter.

      „Nicht so bescheiden, Lukas. Es läuft so gut, dass wir bereits eine zweite Maschine auf das Verfahren umgestellt haben.“

      „Verbraucht so ein Verfahren nicht eine ungeheure Menge an Energie?“, warf Ngo ein.

      Lydia:

      „Weniger als Sie vermuten würden. Und das Beste daran ist, wir sparen das an anderer Stelle wieder ein. Weniger Transport von A nach B über C. Lagerhallen werden über kurz oder lang obsolet und man kann pro Kuppel bis zu 200 Wohneinheiten mehr unterbringen.“

      „Das wäre in der Tat bemerkenswert!“, lobte Ngo Lukas und klopfte ihm ebenfalls auf die Schulter. Das bescherte ihm einen weiteren Schwall Schweiß, der in Strömen seinen Rücken hinab lief.

      „Könnten wir so etwas einmal in Aktion erleben?“

      „Ich weiß nicht, ob ...“

      „Aber natürlich.“

      Lukas mochte Lydia, aber ihr forsches Auftreten und ihre überschwängliche, oft vorschnelle Art machten ihn rasend. Vor allem jetzt.

      „Wie Sie sehen, meldet die Maschine bereits, dass es einen Baustopp aufgrund falsch disponierter Materialien gibt. Noch muss man manuell eingreifen, aber unsere IT arbeitet an einem automatisierten Prozess, der die Vorgänge in der Grube erheblich beschleunigen wird.“

      „Faszinierend!“, sagte Brown anerkennend.

      „Lukas: Würdest du?“

      „Gerne, Lydia. Ich werde die Maschine also anweisen, eine Falte im Raum zu bilden. Sehen Sie? Dazu drücke ich hier und vorne, direkt neben dem Bergbaulaser, der für Analysen durch plasmainduzierte Emissionsspektroskopie ebenso geeignet ist, wie dafür, große Löcher in Stein und Fels zu fräsen, schaltet sich ein Linearpartikelbeschleuniger zu.“

      An der Spitze eines robusten Greifarms öffnete sich eine bläulich schimmernde Lanzette. Die Luft flimmerte und schwaches Pulsieren erfüllte den Raum. Man konnte den Eingriff auf die Struktur der Raumzeit tatsächlich fühlen.

      „Hier werden einzelne massereiche Partikel derart mit Energie angereichert und schließlich nach Erreichen einer kritischen Geschwindigkeit auf einen winzigen Punkt im Raum gefeuert. Das bei der Kollision mit statischer Materie auf Ebene der Planckeinheiten entstehende Higgsfeld beugt den Raum so stark, dass sich der Raum lokal in sich selbst hinein faltet – es bildet sich eine temporär stabile Tasche im Raum, eingebettet in der Struktur der Raumzeit selbst.“

      „Wie regeln Sie das?“

      „Dr. Daria, dieses Problem hat uns in der Tat lange beschäftigt, bis wir Mittel und Wege gefunden haben.“

      „Sagen Sie es uns in einfachen Worten. Sie wissen, wir sind wenig mit der Welt exotischer Materie vertraut.“

      Er dachte kurz nach, sagte:

      „Also, einfach ausgedrückt wird dies über die Geschwindigkeit und natürlich die Frequenz der beschleunigten, hochfrequent schwingenden Partikel bewerkstelligt.“

      „Danke, Mr. Hashimoto. Fahren Sie fort!“

      „Nach dem Erreichen der gewünschten Größe der Tasche im Raum, werden die zu lagernden Bauelemente Stück für Stück transferiert.“

      Unten sah man diverse Greifarme, die sich daran machten, die unzähligen Rot schimmernden, gepressten und gesinterten Ziegel auf Förderbänder zu legen. Diese setzten sich automatisch in Bewegung und wurden so oft umgelenkt, bis schließlich die ersten Steine über die Förderkante fielen und in einem unsichtbaren Punkt des Raums verschwanden.

      „Und auf dieses Lager kann man von überall zugreifen?“

      „Theoretisch könnten Sie von der Erde aus auf die eingelagerten Bauteile zugreifen. Ja, sofern Energieinhalt und Frequenz der Blase präzise bekannt sind.“

      „Das ist originell. Und absolut genial!“

      Brown, Daria und Ngo klatschten gefällig und lächelten.

      Lydia ergriff das Wort.

      „Es tut mir leid, aber wir müssen leider weiter. Ihr Aufenthalt ist kurz und ihr Terminplan eng getaktet.“

      „Mr. Hashimoto, es hat uns sehr gefreut. Vielen Dank für die erhellende Demonstration!“

      „Wir behalten Sie im Auge, junger Mann!“

      „Es war mir ein Vergnügen, Doktor, die Herren.“

      Wieder verbeugte er sich.

      Als sich die Tür hinter den hohen Gästen verschlossen hatte, ließ er sich erschöpft in seinen Sessel fallen. Ihm war nicht wohl dabei. Die Blicke, die die Vorstände am Ende der Demonstration untereinander ausgetauscht hatten, kannte Lukas nur zu gut. Es ging um Profit.

      Jeder der drei witterte in Lukas‘ Entdeckung ein Riesengeschäft. Das hatte auch er selbst getan.

      Anfangs.

      Bis er seine erste Maschine außerhalb des Labors getestet hatte.

      Im Labor gab es Probleme mit dem Prototypen, die aber erst auffielen, als bereits eine doppelt so große Einheit in Betrieb gegangen war.

      Ihm schauderte, als er an die kleine Maschine dachte, die weit unter ihm, in einem geheimen Labor unablässig vor sich hinarbeitete und Ziegel verschwinden ließ. Einmal hatten sie versucht, der Maschine Ziegel vorzuenthalten - daraufhin hatte sich die Falte im Raum vergrößert und drohte die ganze Einrichtung zu verschlingen. Jetzt wurde die Anlage täglich mit Ziegeln gefüllt, die die gefräßige Apparatur unablässig ins Nichts beförderte. Ein Ziegel pro Minute. Niemand hatte auch nur den Hauch einer Ahnung an welchen Ort. Es war die erste Falte. Keiner hatte eine Vorstellung, wohin sie sich geöffnet hatte. Verschließen klappte nicht mehr. Jede nur denkbare Art wurde versucht. Und an jeder dieser Arten scheiterte man. Die unheimliche Maschinerie bezog aus der Öffnung Energie und solange die Öffnung bestand, würde die Maschine laufen. Und Ziegel in ein unbekanntes Universum schicken. Hoffentlich konnte man dort etwas damit anfangen!

      Aber es gab noch andere, deutlich seltsamere Nebenwirkungen:

      In einem der ursprünglich verwendeten Container, der als Zwischenlager für Ziegel dienen sollte, tauchten in unregelmäßigen Abständen Kinder auf. Als wäre das nicht beängstigend genug, stellte sich heraus, dass es britische Kinder waren. Britische Kinder aus den späten 1960ger Jahren. Fein säuberlich mit Uniform und Buchpaket mit Lederriemen.

      Die Verantwortlichen versteckten alle 65 bisher erschienen Kinder in einer rasch gebauten Mustersiedlung. Man flog Erzieher und Lehrer von der Erde ein und bemühte sich, sie zu nützlichen Mitgliedern ihrer Marsgemeinschaft zu formen.

      Er dachte an das Labor von Kurisawa und Armstrong. Beide wollten aus der ersten stabilen Raumtasche, die erfolgreich geöffnet und wieder geschlossen wurde, Ziegel entnehmen. Leider kam kein Ziegel aus der Öffnung, sondern mehrere gewaltige Tentakel, welche die beiden Techniker in der Luft zerfetzen.

      Das kam nicht nur für die zwei Wissenschaftler überraschend, sondern für das ganze Team der Marsbasis.

      Man beeilte, sich alle Spuren zu verwischen. Anschließend erfand man einen grausigen Unfall mit dem Entsafter der Frühstückstheke und beerdigte die Überreste feierlich und mit der verfügbaren Würde im roten Staub des Mars am Fuße des Mount Olymp.

      Daraufhin wurde das Labor versiegelt und die Türen verschweißt. Durch das Laborfenster konnte man bis vor kurzem noch sehen, dass aus der Öffnung im Raumzeitgefüge Kreaturen gekrochen kamen und das Labor besiedelten. Eine Art von Pilz oder Flechte hatte binnen weniger Tage das gesamte Labor überwuchert. Das war vor dem Nebel, der mittlerweile aus dem Loch in das Labor entweicht und eine eigene Biosphäre zu bilden scheint.

      Lukas schüttelte sich. Eine grausige Vorstellung, dass sich 250 Meter unter seinen Füßen eine extradimensionale Flora und Fauna anschickte sich heimisch zu fühlen.