„Setzen Sie sich erst einmal!“, sagte Lora mit freundlicher Stimme: „Möchten Sie ein Glas Wasser?“
„Ja, das wäre sehr freundlich.“, sagte Oliver und setzte sich auf das große Sofa in der Besprechungsecke: „Bitte verraten Sie mich nicht. Ich wollte nur nicht mehr im Dreck herumliegen und die besten Jahre meines Lebens verschwenden.“
„Ist schon OK.“, beruhigte ihn Joe: „Kann ich verstehen.“
Lora reichte Oliver das Wasser, welches dieser in einem Zug leer trank.
„Danke!“, sagte er, lehnte sich zurück und atmete tief durch. Die anderen drei standen um ihn herum und beobachteten ihn schweigend.
„Wer seid ihr, wenn ich fragen darf?“ Oliver sah neugierig in die Runde.
„Ich bin Joe, das hier ist Lora und der Mann mit der Kanone hier ist Oulax. Lora und ich betreiben hier eine Privatdetektei. Oulax ist Stationstechniker.“
„Ihr seid Detektive? Echt? Ohne Witz?“
„Ja klar. Was ist so seltsam daran?“, fragte Joe zurück.
„Na ja, der Mann mit der Kanone ist der Techniker. Sollte das nicht eher umgekehrt sein? Seit wann macht Ihr denn den Job?“
„Seit ein paar Stunden.“, sagte Joe: „Wie wunderbar, dass jeder sofort erkennt, dass wir blutige Anfänger sind.“
„Hey, kein Problem. Jeder fängt mal an. Aber hört mal: Braucht Ihr noch Einen? Ich will Euch ja nicht zu nah treten, aber jemand, der ein wenig Kampferfahrung hat, wäre vielleicht nicht schlecht für Euch.“
„Auf Rawadian wurde doch gar nicht gekämpft, oder?“
„Das nicht, aber ein ausgebildeter Soldat bin ich trotzdem, oder besser: war ich. Ich kann mit fast allen Waffen umgehen, bin trainiert für Nahkampf und habe einen Flugschein für alle möglichen Raumschiffe. Außerdem brauche ich einen Job und eine Tarnung.“
Joe sah in die Runde. Lora schwieg vor sich hin und auch Oulax stand regungslos im Raum herum. Also blieb die Entscheidung bei ihm selbst hängen. Er atmete tief durch und sah Oliver noch einmal fest in die Augen, aber irgendwie, und selbst für ihn vollkommen unerwartet, öffneten sich seine Lippen und heraus kam ein deutliches: „Na wir können es ja mal probieren.“
Lora sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an: „Joe, kann ich Dich mal unter vier Augen sprechen?“
„Na klar!“
Lora und Joe gingen in die Küche.
„Was soll das denn?“, flüsterte Lora in recht barschem Ton: „Wir kennen den Typen doch gar nicht. Der kann den größten Schwachsinn erzählen oder einfach nur ein blöder Fiesling sein. Das wissen wir nicht.“
„Was sollen wir denn tun?“, flüsterte Joe zurück: „Verpfeifen will ich ihn nicht und in der Lüftungsanlage können wir ihn ja schließlich auch nicht wohnen lassen, oder?“
Lora sah Joe für ein paar Sekunden tief in die Augen und erkannte, dass er es vollkommen ernst meinte. Also ging sie ohne ein weiteres Wort wieder zurück zur Lounge: „OK Oliver, willkommen an Bord!“
„Danke! Super! Wir werden ein Spitzenteam!“, rief Oliver, sprang auf und umarmte Lora im spontanen Überschwang und auch Joe konnte der Zeremonie nicht entkommen.
Oulax lachte laut auf: „Ein Prominenter, ein steckbrieflich Gesuchter und eine Schlangenfrau, die auffällt, wie der blaue Hans vom Mars: Eine Superdetektei! Da muss ich mitmachen!“
„Willst Du wirklich?, fragte Joe nach: „Einen Computerspezialisten, der auch noch mit altertümlichen Waffen umgehen kann, könnten wir sicher gut gebrauchen!“
„Na ja.“, erklärte Oulax: „Ich wohne auf Gesius, habe aber viele Aufträge hier auf der Falkenstation. Ich kann Euch in jedes Netz hacken, jede Kamera anzapfen, jede Sicherheitseinrichtung lahmlegen und außerdem besitze ich ein Schiff, sogar ein sehr schnelles Schiff. Und zuerst werde ich Eurem Deserteur mal eine neue Identität und eine reine Weste verpassen.“
„OK, abgemacht!“, sagte Lora etwas zögerlich, aber dennoch bestimmt: „Dann kann es ja richtig losgehen!“
„Na ja, zunächst muss ich mal die Computer verdrahten.“, sagte Oulax, ging wieder in Joes Zimmer und machte sich an die Arbeit.
6. Kapitel
Joe fuhr hinauf zum Commercial-Deck, um seine erste Observierung in Angriff zu nehmen. Dabei gaben ihm die Spiegel im Inneren des Fahrstuhls die willkommene Gelegenheit, noch einmal den Sitz seines Hemdes und seines Haares zu kontrollieren. Doch als der Lift abbremste und langsam zum Stehen kam, stieg Joes Puls rasant an und auch das Atmen fiel ihm deutlich schwerer als sonst. Mit einem flauen Gefühl schaute er auf die bereits in die Jahre gekommene Kabinentür. Sie öffnete sich wie immer mit leichtem Quietschen und den üblichen Klappergeräuschen, doch dieses Mal schien alles viel intensiver und unbarmherziger zu sein.
Der freie Blick auf das Commercial-Deck, auf dem sich wie jeden Tag ein unendlich erscheinender Strom von Kreaturen aus allen Ecken der Galaxie halb geordnet, halb chaotisch vorwärtsbewegte, durchfuhr Joe wie ein eisiger Windstoß. Schwindel überkam ihn und seine Knie schienen unter ihm nachzugeben.
Er war schon auf unzähligen ähnlicher Orbital- und auch Interstellarstationen gewesen und ihm war klar, dass auf fast allen von ihnen viele zwielichtige Gestalten ihr Unwesen trieben: Schmuggler, Diebe, Betrüger, Drogendealer und jede Menge andere Sorten Krimineller. Bisher hatte er sich nicht weiter damit beschäftigt. Er lief einfach durch die Massen und versuchte, nicht anzuecken. Jetzt aber wartete diese Meute als Teil seiner neuen Arbeit auf ihn.
Doch Joe dachte an all die vielen Shows und an das Lampenfieber, kurz bevor er auf die Bühne trat. Und hier war das ja eigentlich ganz ähnlich. Also riss er sich zusammen, trat mit einem beherzten Schritt aus dem Lift heraus und wurde direkt von einem etwa zweieinhalb Meter großen Wesen im schwarzen Pilotenanzug über den Haufen gerannt.
Mit Schwung wurde Joe zu Boden geschleudert und fiel unsanft auf Ellenbogen und Schulter. Er konnte gar nicht so schnell ausmachen, was oder wer ihn da getroffen hatte. Also stand er nach wenigen Sekunden mutig wieder auf, bereit den Schuldigen zur Rede zu stellen, aber als er sich umdrehte, stand da der etwa zweihundert Kilogramm schwere Koloss, der ihn leicht um drei Köpfe überragte und ein tiefes Grollen von sich gab. Dann sagte er etwas zu Joe, das wie eine Mischung aus Hundegebell und einem kaputten Müllschlucker klang. Joe starrte wie gelähmt in die tiefschwarzen, leblos und bedrohlich wirkenden Augen der gigantischen Kreatur.
Dann aber ging der Riese schnell und wortlos weiter, ohne jedoch darauf zu verzichten, Joe noch einen kräftigen Rempler mitzugeben, den dieser nur mit Mühe ausbalancieren konnte.
Joe atmete ein paar Mal tief durch, sammelte erneut seine Kräfte zusammen und trat in den Strom der Vorbeieilenden hinein. Aber schon im nächsten Moment wurde er von ihm regelrecht fortgespült. Joe blieb keine andere Wahl, als einfach mit der Strömung zu schwimmen: Er folgte seinem Vordermann oder ging in die Richtung, in die er von hinten geschoben wurde. Aber bald schon löste sich das Gedränge auf, denn der Weg führte weg vom Bereich der Flugticketschalter und Gates.
Als Joe dann am Laden seiner Auftraggeberin vorbeikam, entdeckte er einen kleinen Coffee-Shop genau gegenüber. Also dachte er sich, dass es wohl das Beste sei, dort erst einmal einen Kaffee zu trinken und dabei, durch die große Glasfront hindurch, den Laden unter Beobachtung zu nehmen.
Gesagt - Getan: Joe öffnete die Tür zum Café, trat ein und im gleichen Moment durchfuhr ein Schreck seinen Körper wie ein elektrischer Schlag und ließ ihn fast zu Eis erstarren: Ein großer, kahlköpfiger Mann mit olivgrüner Haut saß direkt an der Bar und seine großen, roten Insektenaugen starrten Joe direkt an.
„Er kennt mich nicht!“, dachte Joe: „Er kann mich gar nicht kennen!“ und nach einem kurzen,