Veyron Swift und der Schattenkönig. Tobias Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tobias Fischer
Издательство: Bookwire
Серия: Veyron Swift
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738003642
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endlich fertig verarztet war, schickten sie ihn hinaus in den Warteraum. Dort traf er auf Detective-Chief-Inspector Gregson, Janes Vorgesetzten und engen Vertrauten Veyrons. Der hünenhafte Inspector eine absolute Respektsperson, der man nichts zu verheimlichen traute, und normalerweise sehr besonnen. Doch heute wirkte der silberhaarige Gregson besorgt und aufgeregt. Er sprach gerade mit Danny, der ihm Details ihrer haarsträubenden Flucht berichtete. Agent Hunter sah Tom nicht. Er glaubte, dass sie sich nach der ärztlichen Behandlung in aller Stille abgesetzt hatte – vermutlich, um sich in irgendeinem MI-6-Versteck zu verkriechen. Wahrscheinlich musste sie sich vor C verantworten und ihm ausführlich Bericht erstatten. Veyron war ebenfalls nicht anwesend.

      Nachdem Gregson ihn kurz begrüßt hatte, fragte Tom nach dem Verbleib seines Paten.

      »Er ist bei Willkins, oben auf der Intensivstation. Komm, ich bring dich hin«, erklärte der Inspector, fasste Tom an der Schulter und führte ihn hinaus.

      Schweigend gingen sie den Korridor hinunter, vorbei an hin- und herhuschenden Krankenschwestern und Pflegern. Die aufsehenerregenden Ereignisse dieser Nacht beeinflussten sie offenbar nicht. Für sie waren alle Patienten gleich.

      »Hat es weitere Verletzte gegeben?«, wollte Tom wissen.

      Gregson schüttelte den Kopf. »Nur ein paar erschrockene Passanten, die neugierigen Fernsehjournalisten von einem ›wild gewordenen Busfahrer‹ berichtet haben. Einige behaupteten, zwei riesige Kerle gesehen zu haben, die dem Bus nachliefen und ihn sogar einholten.« Der Inspector lächelte säuerlich. »Zum Glück hat ihnen niemand geglaubt, sonst wär jetzt die Hölle los. Die Explosionen in der False Lane halten die meisten Medien derzeit für Terroranschläge, manche denken aber auch an Unruhen.«

      In Toms Kopf drehte es sich, als er versuchte, die Vielzahl an Informationen aufzunehmen und in den richtigen Kontext zu bringen.

      »Das wird die nächsten Tage viel Ärger geben. Ein ganzes Team der Polizei wurde ermordet. Wir haben keinen Täter, keine Terroristen, keinen Amokläufer«, raunte Gregson neben ihm.

      »Es war der Schattenkönig. Ich hab ihn selbst gesehen«, erwiderte Tom, worauf Gregson seine linke Schulter kurz drückte.

      »Ja, das hat Veyron auch schon berichtet«, sagte er. »Doch das können wir der Presse wohl kaum erzählen, oder? Diese Sache sieht einfach zu sehr nach einem Terroranschlag aus, und das wird dann letztlich auch die Runde machen. Die ganze Stadt wird in Furcht geraten, Politiker werden diskutieren, und wir, die Polizei, werden wie Idioten dastehen. Weil wir nicht in der Lage waren, diesen Angriff zu verhindern oder die Schuldigen festzunehmen.«

      Mit dem Lift ging es ein paar Stockwerke hinauf. Die Intensivstation wurde von zwei uniformierten Constables bewacht. Gregson zeigte seine Marke, und man ließ ihn hinein. Tom durfte ebenfalls passieren.

      »Polizeischutz«, erklärte Gregson. »Intern gehen wir von einem gezielten Anschlag aus, darum steht Willkins jetzt unter Bewachung. Niemand, der nicht autorisiert ist, darf zu ihr – nicht einmal das Personal des Krankenhauses.«

      »Das wird den Schattenkönig nicht aufhalten. Ich hab gesehen, dass er sich teleportieren kann«, raunte Tom halblaut.

      Gregson kniff kurz die Lippen zusammen – ein stilles Eingestehen der eigenen Hilflosigkeit.

      Sie kamen in den Vorraum, wo sie Veyron fanden. Einsam und allein saß er auf einem Stuhl. Dass ihn das Ganze ebenfalls sehr mitnahm, konnte Tom an seiner finsteren Miene erkennen – und sein Pate ließ sogar den Kopf etwas hängen. Das erschreckte ihn mehr als vieles andere in dieser Nacht. Hinter einer großen Scheibe erblickte er Jane. Leichenblass lag sie auf einem Krankenbett, an zahlreiche Schläuche angeschlossen. Ein furchtbarer Anblick.

      Ein Arzt kam soeben aus dem Raum und nickte ihnen zu.

      »Wie geht es meiner Kollegin?«, fragte Gregson sofort.

      »Sie ist stabil, aber sie hat viel Blut verloren«, antwortete der junge Mediziner. Er warf Tom einen abschätzenden Blick zu, nahm Gregson etwas beiseite und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »Und da ist noch etwas, das uns Sorgen bereitet. Ihr Herz ist angegriffen, und sie zeigt alle Anzeichen einer Vergiftung. Wir kennen aber das Gift nicht und wissen nicht, wie wir sie behandeln sollen. Wir wollen sie vorerst in ein künstliches Koma versetzen, um die Ausbreitung des Gifts zu verlangsamen.«

      Wenn er glaubte, Tom würde ihn nicht verstehen, irrte er. Er hörte es deutlich genug und schluckte. Veyron blieb allerdings ungerührt sitzen.

      »Danke, Doktor. Würden Sie uns einen Moment allein lassen?«, bat Gregson und nickte nach draußen.

      Der junge Arzt nickte. Kurz darauf waren sie unter sich.

      »Sie wird es doch überleben, oder Veyron?«, fragte Gregson besorgt.

      Zunächst reagierte Veyron gar nicht. Dann seufzte er und fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Ich bezweifle, dass unsere Medizin in der Lage ist, sich mit dem Gift des Schattenkönigs zu messen«, sagte er ausdruckslos.

      Sein Mangel an Emotionen machte Tom gleich wieder wütend. Jane lag im Todeskampf, und Veyron war nicht einmal jetzt in der Lage, ein wenig Mitgefühl und Wärme zu zeigen. »Moment mal! Sie reden da von Jane, Mann! Es muss doch etwas geben. Was ist mit den Elben? Königin Girians Heiler, die können sicher helfen. Den Heilungstrank der Elben habe ich schon mit ganz anderen Verletzungen fertig werden gesehen«, protestierte er – lauter, als er es beabsichtigte. Inspector Gregson bedeutete ihm, ruhig zu bleiben, doch er beachtete ihn gar nicht. »Lassen Sie uns nach Wisperton fahren und nach Elderwelt gehen. Bis spätestens morgen Abend können wir Hilfe für Jane organisiert haben und …«

      Veyron schnitt ihm das Wort ab. »Wir können nicht nach Wisperton reisen. Die Agenten des Schattenkönigs beobachten uns, sie würden uns verfolgen und angreifen.«

      Tom blieben die Argumente im Hals stecken. Ratlos blickte er auf die reglose Jane, schaute eine Weile dem hüpfenden Punkt auf dem EKG zu. »Es muss doch etwas geben, das wir tun können. Wir dürfen Jane nicht einfach sterben lassen«, meinte er leise und wischte sich die Augen. Der Kloß in seinem Rachen ließ seine Stimme versiegen. So durfte es auf keinen Fall enden.

      »Wir können gar nichts tun.« Veyrons Stimme war entschieden und, wie Tom fand, absolut eisig. Sein Pate stand auf und ging, ohne dabei Gregson oder Tom noch einmal anzusehen, Richtung Tür.

      Bevor er sie erreichte, trat ihm jedoch der Inspector in den Weg und packte ihn am Arm. »Sie dürfen ihn nicht gewinnen lassen, Veyron. Nicht noch einmal! Wenn jemand in der Lage ist, den Schattenkönig zu schlagen, dann sind Sie das«, herrschte er ihn ungewöhnlich scharf an.

      Veyron wand sich aus Gregsons Griff. »Nein, das bin nicht«, gab er zurück und verließ den Raum.

      Tom war mit Gregson allein und schüttelte verzweifelt den Kopf. Die abweisende Haltung seines Paten konnte er diesmal noch weniger als sonst verstehen. Dabei musste er sich doch auch um Jane sorgen. So düster kannte Tom ihn jedenfalls nicht, und diese unmenschliche Herzlosigkeit, gerade in dieser Lage, war ihm überhaupt nicht verständlich.

      »Es nimmt ihn schwer mit«, glaubte Gregson dagegen zu erkennen. »Ich habe das schon einmal erlebt. Er gibt sich die Schuld an Janes Zustand, auch wenn er jetzt so tut, als ließe ihn das alles völlig kalt. Glaub mir, Tom. Das tut es nicht. Ich kenne ihn lange genug. Wenn er so reagiert, dann nur, weil er sich wirklich große Sorgen um sie macht.«

      Tom wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Er erinnerte sich an Veyrons Doktrin, keine Gefühle zuzulassen, welche die Leistungsfähigkeit seines Verstandes einschränkten. Das schloss ja wohl neben Liebe auch Trauer, Wut oder Zuneigung ein. Aber hier ging es um Jane, verdammt! Jane Willkins hatte sich um Tom gekümmert, seit er nach dem Tod seiner Eltern auch noch von seiner Tante im Stich gelassen worden war. Außerdem hatte sie ihnen bei ihrem letzten Abenteuer geholfen und war auch sonst immer zur Stelle, wenn Veyron Unterstützung bei einem Fall brauchte. Jane hatte es schlichtweg verdient, dass man sich mit aller Kraft für sie einsetzte. »Mir ist egal, wie mächtig der Schattenkönig ist, ich werde das nicht zulassen! Ich nehme den Kampf gegen diesen Dämon auf. Was auch immer ich dafür tun muss, ich werde Jane