Wenn er mit Rowdy abends gegen die untergehende Sonne nach Hause trottete, fühlte er sich wie der Held eines seiner Romane.
Frau Walter hatte Siegfried zwei Euro zugesteckt. Wenn er von allen Frauen so viel Trinkgeld bekäme, könnte er Emma in die Eisdiele einladen zu einem richtig großen Eisbecher mit Früchten. Sofort schüttelte er den Kopf. Dieser Traum würde nicht in Erfüllung gehen, denn Emma hatte bereits einen Freund, einen etwa zehn Jahre älteren Typ, der sie mit einem roten BMW Cabriolet von der Schule abholte. Er sei Architekt, hieß es.
Am Nachmittag wusch Siegfried zwei Frauen die Haare, am nächsten Tag waren es fünf und am darauf folgenden drei. So ähnlich ging es noch sechs Tage weiter. Er übte, lernte, lächelte, erhielt Lob und sagte danke. Bei jungen Frauen machte ihm seine Arbeit Spaß, bei älteren dachte er an das Trinkgeld. Er hatte herausgefunden, dass er ein größeres Trinkgeld bekam, wenn er bei der Arbeit seine Kundin zärtlich an den Ohren und am Hals berührte, wie zufällig, nicht plump und nur einmal. Auch schmeichelhafte Worte über ihre schön geformten Ohren und ihren schlanken Hals hörten Frauen gern.
Er habe magische Hände, sagte Isabel Gander, eine junge Witwe, die ein kleines Modegeschäft in der Innenstadt besaß. Weil sie gern lachte und lustige Geschichten über den Hund ihrer Nachbarin, einen frechen Foxterrier, erzählte, bekam Siegfried zu ihr einen guten Draht. Es war sie, die ihn bedauern ließ, dass Anja gesund zurück kam und ihm seine Arbeit nahm.
Sieben Monate später musste Siegfried wieder im Friseursalon einspringen. Diesmal war Anja nicht krank sondern schwanger.
„Dieses dumme Ding“, schimpfte seine Mutter. „Mit siebzehn ungeschützt herumvögeln; die hat doch einen Vogel.“ An Siegfried gewandt sagte sie: „Das ist dir hoffentlich eine Lehre. Kein Sex ohne Kondom.“
„Ja, ja“, antwortete er. Mann war dieses Gespräch ihm unangenehm. Bislang hatte er überhaupt keinen Sex, weder mit noch ohne Kondom. Außer nächtlichen Fantasien gab es nichts.
Kapitel 3: Liebeslehrerin Isabel
Isabel Gander hatte ihn nicht vergessen. Freudvoll lächelnd begrüßte sie ihn im Friseursalon; es sei schön, dass er wieder seiner Mutter helfe. Siegfried überlegte, was er ihr antworten könnte. Da ihm auf die Schnelle nichts Gescheites einfiel, lächelte er. Während er ihr die Haare wusch und sie zärtlich an Ohren und Hals berührte, lobte sie wieder seine magischen Hände. Diese Hände würde sie am liebsten mitnehmen. Siegfried lachte, und sie lachte mit ihm. Bevor er sie an seine Mutter weitergab, erzählte sie ihm von einem Posten exquisiter Poloshirts, den sie vor ein paar Tagen hereinbekommen habe. Diese Shirts solle er sich einmal anschauen; da sei bestimmt eines dabei, das ihm gefalle. Oh ja, das interessiere ihn, versicherte er und fragte, wann es ihr passe. Am besten abends nach Ladenschluss, dann habe sie Zeit für ihn, antwortete sie.
Warum er am Abend seine Mutter anlog und sagte, er wolle wegen der Klassenarbeit in Mathematik noch kurz zu Oliver, wusste er selbst nicht. Er solle vorsichtig fahren, rief sie ihm nach. Vorsichtig fahre er immer, rief er zurück, schwang sich auf sein Fahrrad und trat in die Pedale. Es war kein weiter Weg; nach fünf Minuten schloss er sein Velo an den Radständer der Apotheke neben der Boutique Isabel. Schnurstracks ging er zur Ladentür und drückte die Klinke. In seinem Schwung wäre er beinahe mit dem Kopf gegen die Glasscheibe gekracht, denn die Tür war abgeschlossen. Durch das Schaufenster sah er, dass sich innen jemand bewegte; ja, es war Frau Gander, die lächelnd herbeieilte und ihm öffnete. Schön sah sie aus mit ihren brünetten Haaren, die leicht gewellt über ihre Ohren fielen. Ihre großen braunen Augen und ihre dunkelrot geschminkten Lippen waren ihm schon im Friseursalon aufgefallen. Sie sei immer elegant gekleidet, hatte Siegfried von seiner Mutter gehört. Ja, das konnte er bestätigen. Heute trug sie eine beigefarbene Seidenbluse, einen blauen Rock und blaue Pumps.
Er komme spät, stellte sie fest.
Das tue ihm leid; seine Mutter habe ihn nicht früher gehen lassen.
Es sei alles okay, sagte sie, er solle sich locker fühlen.
Interessiert schaute Siegfried auf die vielen Kleider, Blusen, Röcke, Jacken und Mäntel. An einer Modepuppe, die unvollständig mit weißer Unterwäsche in feiner Spitze bekleidet war, schien Frau Gander gerade gearbeitet zu haben. Für Siegfried war das alles neu.
Ob es ihm in ihrer Boutique gefalle, fragte Isabel.
Ja, sehr, so einen Laden habe er noch nie betreten.
Frau Gander berührte seinen Arm und forderte ihn auf ihr zu folgen. Die Poloshirts lägen im Nebenraum bei den Unisex Klamotten. Nach ein paar Schritten hielt sie vor einem Tisch mit zwei Stapeln von Shirts. Die links seien aus reiner Baumwolle und die rechts aus Baumwolle mit fünf Prozent Kaschmir, erklärte sie. Die mit Kaschmirwolle müsse er einmal anfassen, die seien wunderbar weich, so weich, dass sie die Haut liebkosten. Sie zog ein dunkelblaues, mittelgroßes Shirt aus dem Stapel und reichte es ihm. Diese Größe sollte ihm passen. Ob ihm die Farbe gefalle.
Ja, dunkelblau sei seine Lieblingsfarbe.
Langsam ließ er den Stoff durch seine Finger gleiten, lächelte und sagte, so etwas Weiches habe er noch nicht gefühlt.
Ob er ihr eine Freude mache und dieses Shirt anprobiere; sie würde es gerne an ihm sehen. Nebenan gebe es eine Umkleidekabine.
Damit hatte Siegfried nicht gerechnet; doch weil er nicht sagen wollte, nein, diese Freude möchte er ihr nicht machen, ging er mit dem Shirt in die Kabine, zog seinen Pulli aus und das Poloshirt an. Was er im Spiegel sah, gefiel ihm. Selbstsicher lächelnd trat er aus der Kabine.
„Super“ hörte er von Frau Gander. Sie ging auf ihn zu, zupfte an seinen Schultern herum und zog den Stoff an der Taille glatt. Dabei kam sie ihm so nah, dass sie ihn mit ihrem Busen berührte. Er konnte nicht anders als sie in seinen Armen aufzufangen. Statt ihm mit Worten zu danken, schlang sie ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn auf den Mund. Ungestüm küsste er zurück. Sie kraulte ihn am Hinterkopf. Er streichelte sie an den Ohren und am Hals. Gespannt wartete er darauf, was als Nächstes passieren würde.
Lächelnd fragte sie ihn, ob er schon einmal gevögelt habe.
Nein, antwortete er, nur im Internet.
Im Internet zugeschaut?
Weil er darauf nichts sagte, schob sie die Frage nach, ob er gerne einmal richtig vögeln wolle, zusammen mit ihr.
Ein lautes „Ja“ schoss aus seinem Mund; sie sei seine Traumfrau.
Sie lachte; er sei süß.
Beim nächsten Kuss öffnete sie den Knopf und den Reißverschluss an seiner Jeans. Keck griff er an ihren Po und zog ihren Rock hoch. Jetzt gab es kein Halten mehr. Isabel bückte sich zu ihrer Handtasche und fischte ein verschweißtes Päckchen heraus. Was dann genau passierte, konnte er nicht sagen, denn er hatte einen Blackout. Als er wieder zu sich kam, lag er auf einer Isomatte und Isabel saß auf ihm; und dann durchströmte ihn ein grandioses Gefühl. Etwas so Schönes habe er noch nicht erlebt, gestand er. Danke, danke.
Es sei auch für sie wunderschön gewesen, versicherte Isabel. Nach einem Kuss richtete sie sich auf. Sie reichte ihm ein Kosmetiktuch und wollte das Kondom. Damit kein Sperma auslief, verknotete sie das offene Ende, bevor sie das Gummisäckchen