Johann Heinrich Pestalozzi; Meine Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwicklung des Menschengeschlechts. Johann Buschmann Heinrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Buschmann Heinrich
Издательство: Bookwire
Серия: gelbe Buchreihe
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783753195223
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und sie nur zum Deckmantel ihrer bürgerlichen Gesetzlosigkeit und ihres gesellschaftlichen Unrechts braucht, so tut sie hierin nichts anders als was der Wolf und der Fuchs, wenn sie könnten, auch tun würden um das Schaf und die Henne zu einem unbedingten Zutrauen zu bewegen. Indessen tut die Henne wohl, wenn sie des Nachts auf den Bäumen schläft und das Schaf, wenn es trotz allem, was der Wolf sagt, sich an den Hirten hält.

       Wahr ist indessen doch auch, wenn die Macht durch persönlichen Edelmut freiwillig oder durch die Weisheit der Gesetze gezwungen in den Schranken einer gesetzlichen Rechtlichkeit feststeht, so ist ihre desfallsige Meinung, wenn sie sich schon auf Irrtum gründet, in diesem Fall dem Staat oft ganz unschädlich, sie kann ihm unter gewissen Umständen sogar vorteilhaft sein. Wenn sie aber, aus welchen Ursachen es auch immer sein mag, dahin versunken ist Volksdummheit und Volkssittlichkeit in ihren Begriffen miteinander zu verwechseln und beide als Polster ihrer tierischen Behaglichkeit und als Mittel anzusehen sich selbst im Besitz jedes gesellschaftlichen Unrechts soweit zu sichern, dass sie weder durch die Kraft der Gesetze noch durch diejenige des Volks im Genuss derselben beeinträchtigt werden, sondern in Sardanapalischer Sorglosigkeit jede noch so unrechtmäßige Handlungsweise ohne irgend eine Art von ihrer Sinnlichkeit unangenehmen Folgen zu gefahren, forthin als rechtmäßig oder wenigstens als sicher behaupten kann. In diesem Fall ist dann aber freilich die sinnliche Neigung der Macht ihr Verhältnis zum Volk diesem als ein sittliches Verhältnis in die Augen fallen zu machen, durchaus nichts anders als ein Ausdruck der Selbstsucht ihres eigenen inneren Verderbens.

      Indessen wird sie in jedem, so auch in diesem Fall dich allemal mit der Miene der Unschuld fragen: Wie sollte ein Staat bestehen können, dessen Gesetzgebung nicht auf Sittlichkeit gegründet ist? Sie sollte zwar freilich diese Frage nicht tun um den Verirrungen ihres eigenen Tier-Sinns einen Anstrich zu geben. Aber es begegnet ihr in diesem Fall, was dem Menschen überhaupt begegnet, wenn er seinen Leidenschaften unterliegt. Sie kommt mit sich selbst in Widerspruch und glaubt auf der einen Seite wirklich, der Staat müsse auf Sittlichkeit gegründet sein, auf der andern Seite führt sie ihre Bürger selber zu hundert und hundert Verhältnissen, Umständen und Genüssen, die alle Fundamente der Sittlichkeit in unserm Geschlecht auslöschen und im Gegenteil dem Tier-Sinn des Volks eine gesellschaftliche Verhärtung, Schlauheit und Verwegenheit erteilen, dass das Zwischenspiel der mitten durch alle diese Umstände angepriesenen Sittlichkeit selbst zu dem frommen Betrug nicht mehr dienen kann, zu dem es eigentlich bestimmt ist. Wenn es also der Macht schon zu verzeihen ist, dass sie das Verhältnis des Volks gegen sich selbst als ein sittliches ansehe und anpreise, so darf ein Gesetzgeber sich von diesem Irrtum nicht täuschen lassen, er darf weder den König noch das Volk sittlich glauben und muss die Rechte und Pflichten aller Stände im Staat also bestimmen, dass der allgemeine Tier-Sinn unsere Natur bei dem ersten Bürger wie bei dem letzten nicht zum Nachteil der andern in seiner bürgerlichen Lage Nahrung und Begünstigung finde.

      So sehr also die Macht wünscht, dass ich ein sittlicher Mensch sei, so darf sie es als Macht nicht von mir fordern.

      Die Macht darf nur insoweit von mir fordern, dass ich ein sittlicher Mensch sei, als sie selbst sittlich, d. i., als sie nicht Macht ist, nicht als Macht handelt. Sie darf es nur insoweit von mir fordern, als sie in der Göttlichkeit ihrer Kraft lebt und wallt, nicht, dass ihr gedient werde, sondern dass sie diene und ihr Leben gebe zur Erlösung für viele. Das ist der Stein in der Krone der Fürsten, der ihr Recht göttlich macht.

      Wo er glänzt, da kniet das Volk und begehrt kein Recht, aber wo er mangelt und falsch ist, da hat es ein Recht nötig. Die Macht als Macht ist auf der ganzen Erde gesetzlos und die gesetzlose Macht ist wie das Schlagen der Wellen im Sturm, diese vergeht, indem sie eine andere verschlingt.

       Wer will das Recht dieser Wellen, dieses Verschlingens, dieses Vergehens ansprechen?

      Herr verzeihe ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun!

      * * *

      Ehre

       Ehre

      Wenn der Wilde in seine Haut wie in ein hölzernes Brett schneidet, wenn er sich Farben anstreicht, die schlechter sind als er selber, wenn er sich Nase und Ohren durchsticht, damit etwas an ihm hänge, das glänzt, so tut er mit allem diesen weniger und macht sich weniger Plage als der Europäer zu gleichem Zweck.

      Der Schmuckkasten des Otaheiden ist von dem Schmuckkasten des Europäers nicht sehr verschieden und der Beinorden des Südländers ist mit allen Orden unseres Weltteils die nämliche Sache.

      Allenthalben führt der Trieb zur Auszeichnung den tierischen Menschen dahin, dass er die Schleppe seines Kleides und einen Ring an der Nase mehr achtet als sich selber und für Branntwein, Glaskorallen und Bänder einen jeden totschlägt, der dahin gekommen um Mord und Unterdrückung seines Geschlechts durch Glaskorallen, Branntwein und Orden anzuzetteln und bezahlen zu können.

      * * *

      Unterwerfung

       Unterwerfung

      Der Grund der Unterwerfung ist nichts weniger als ein unserm Geschlecht natürlicher Dienstwille; es ist keine Spur eines solchen Willens in unserer tierischen Natur.

      Der Grund der Unterwerfung ist Selbstsorge.

      Das gesellschaftliche Recht kann also die Grundsätze der Unterwerfung auf kein anderes Fundament bauen als auf dasjenige, auf welches unsere Natur sie selber gebaut hat. Auch kann die äußere Form, in welcher der unterworfene Mensch den tierischen Trieben seiner Selbsterhaltung und Selbstversorgung entgegenzustreben genötigt ist, das Wesen seines gesellschaftlichen Rechts auf keine Weise verändern. Er soll durch Unterwerfung nichts weniger als den Zweck der gesellschaftlichen Vereinigung, den Ersatz seiner Naturansprüche verlieren, er soll ihn vielmehr durch dieselbe sicherstellen. Er hat als unterworfener Mann vorzüglich Anspruch an eine weise Organisation des bürgerlichen Erwerbs, an gesetzliche Sicherstellung der niederen Rechte, des untergeordneten Eigentums, an gesicherte und allgemeine Volksbildungsanstalten, an Schutz eines jeden, dem Armen möglichen Erwerbs, an gesetzliche Beschränkung der Reichen in jeder gemeinschädlichen Benutzung ihrer Fonds.

       Eine andere Frage ist: Genießt der unterworfene Mann in den wirklich bestehenden bürgerlichen Einrichtungen sein gesellschaftliches Recht? Oder ist im Gegenteil wahr, dass die Unterwerfung in den Jahrbüchern des Menschengeschlechts allgemein bloß als ein Zwang- und Notstand zum Vorschein kommt, in welchem die Schwäche unseres Geschlechts, von aller Sicherheit des Rechts so viel als gesetzlich ausgeschlossen und in den wesentlichsten Bedürfnissen des Lebens beeinträchtigt, sich in Lagen versetzt sieht, die ihm nicht einmal erlauben sein Leben anders, wenn auch nicht mühsam und elend, doch in seinen ersten Gefühlen gekränkt und durch Rechtlosigkeit und Ehrlosigkeit erniedrigt, zu durchsterben. Eben diese Jahrbücher aber sagen dann auch, dass das Menschengeschlecht unter diesen Umständen allgemein neidisch, tückisch, diebisch, niederträchtig, untreu und verräterisch werde, dass sein Innerstes sich gegen jede größere gesellschaftliche Kraft und gegen einen jeden Menschen, der in einer gesellschaftlich besseren Lage ist, empöre.

      Die tierische Selbständigkeit, die meine Natur fordert, findet nur in der gesellschaftlichen Selbständigkeit einen befriedigenden Ersatz.

      Die Grundgefühle meiner tierischen Natur sind alle wider die Unterwerfung, sie stößt in ihrem Wesen an den gewaltsamen Trieb in den Angelegenheiten meiner Selbsterhaltung unabhängig und selbständig zu sein oder wenigstens mich unabhängig und selbständig machen zu können und gegen das mit so vieler Kraft in mir liegende Misstrauen gegen alles, was diese Selbständigkeit entreißen oder erschweren kann.

      Das Gefühl meiner rechtlosen, unsicheren Lage im gesellschaftlichen Zustand tötet alle Grundlagen des menschlichen Geistes, durch welche die Veredlung der Nation allein möglich gemacht wird. Die Geschlechter der Menschen versinken durch bürgerliche Erniedrigung in jedem Staat in Sümpfe hinab, in denen sich die Schlechtheit der Menschennatur so behaglich befindet als die Frösche in der Fette des Teichs und das Schwein in der Fette der Pfütze. Diese Geschlechter aber erheben sich denn auch durch die gesellschaftliche Selbständigkeit,