Dann stirb doch selber. Dagmar Isabell Schmidbauer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dagmar Isabell Schmidbauer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746794990
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um, lächelte belustigt und sank hinein. Er schien sichtlich entspannt. Schweigend setzte ich mich ihm gegenüber, musterte sein Gesicht, und erneut fiel mir auf, wie wenig sich die Brüder ähnelten. Bernhard holte tief Luft, betrachtete die Bücherregale und den alten Sekretär und sah mich dann an.

      „So hat er also gelebt.“ An die Stelle seines Lächelns trat ein Anflug von Spott und ich wusste nicht, was ich erwidern sollte.

      „Möchtest du vielleicht was trinken?“, fragte ich schnell und sprang auf. Vor lauter Verwunderung hatte ich doch glatt meine guten Manieren vergessen.

      „Hmm“, antwortete er unschlüssig und ich zählte ihm schnell die verschiedenen Getränke auf, die ich im Kühlschrank hatte. „Oder möchtest du lieber Whiskey oder so was?“

      „Trank Harry Whiskey?“, fragte er interessiert zurück.

      „Hin und wieder einen Bourbon mit Eis.“ Ich stand auf, um Flasche und Gläser zu holen, aber er wehrte ab.

      „Nein, lass mal, ich möchte doch lieber etwas Alkoholfreies! Ich habe gleich noch einen Termin.“

      33. Szene

      Klara

      Das war keine schlechte Vorstellung, die Kirche besetzt bis auf den letzten Platz und alle traurig und ehrfurchtsvoll ergriffen. Wir hatten gemeinsam für einen Mann, den ich nicht einmal kannte, gebetet und dem Pfarrer auf seinen Sprechgesang geantwortet, und auf einmal fühlte ich mich nicht mehr so allein in dieser neuen Stadt, und ich dachte, vielleicht sollte ich öfter mal zum lieben Gott beten, einfach so. Damals bei meiner Hochzeit machten sie auch so viel Aufhebens, aber gehalten hat es trotzdem nicht, resümierte ich traurig.

      „Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld!“ Nur, wer war es wirklich? Natürlich gab es haufenweise blonde Frauen. Echte und falsche, und Männer hatten auch viele und ich hätte schwören können, dass ein Großteil sie heftig betrog.

      Einen grünen Sportwagen sah ich nicht, rund um das Friedhofsgelände und am Grab fand ich eigentlich nur Frau Morgenroth so richtig überzeugend. Irgendwie tat sie mir leid. Sie dachte immer noch, er hätte es verdient, so betrauert zu werden. Ich hielt mich hinter den Büschen verborgen und knipste alles, was mir vor die Linse kam. So blieb mir zumindest noch eine Hoffnung.

      34. Szene

      Magdalena

      „Fühlst du dich eigentlich wohl in dieser Wohnung?“, fragte Bernhard auf einmal und stellte sein Glas auf den kleinen Tisch neben seinem Sessel.

      „Ja natürlich, wir haben sie zusammen eingerichtet!“

      „Es sieht ein bisschen wie in einer Räuberhöhle aus“, sagte er und lächelte. War das nett gemeint?

      „Findest du?“ Rasch schaute ich mich um, was sollte dieser Vergleich?

      „Hat Harry eigentlich ein Testament gemacht?“

      Ich schüttelte den Kopf, wir waren jung, und wenn man jung ist, dann sterben immer nur die anderen.

      „Ich werde mich darum kümmern, dass du alles behalten kannst“, versprach er und richtete sich auf.

      „Na ja, also das wäre wirklich nett“, versicherte ich ihm und fühlte mich dennoch unwohl dabei.

      Am Himmel hatten sich die Schäfchenwolken vermehrt und die Sonne verdeckt, darum stand ich auf und schaltete sämtliche Lampen an. Von wegen Räuberhöhle. Fünfundzwanzig Birnchen erstrahlten, keine aufdringlich, jede bewusst platziert. Bernhard staunte nicht schlecht, stand ebenfalls auf und durchschritt die ganze Wohnung. Vor den Tigersesseln hielt er erneut inne. „Glaubst du, sie würden zu mir passen?“

      Ich wollte sie ihm auf keinen Fall überlassen, aber sein spitzbübisches Lächeln verunsicherte mich. Bernhard lächelte nur selten so.

      Vielleicht war es doch noch nicht zu spät für ihn, dachte ich, vielleicht wurde doch noch ein richtig sympathischer Mensch aus ihm, wenn der Wahlkampf erst einmal hinter ihm lag und er Landrat war.

      Endlich schüttelte ich den Kopf. „Aber wenn du jemals Sehnsucht nach ihnen hast, dann komm doch einfach vorbei!“

      Und dann kam vom Hof das Zeichen zum Aufbruch. Ich hätte ihn gern noch gefragt, ob das erforderlich sei, aber in dem Moment sagte er mit kalter, entschlossener Stimme: „Ich hoffe, das ist nicht nötig!“

      35. Szene

      Klara

      Zuerst war Obermüller ziemlich ungehalten über meine Bitte. Er sagte, das wäre ja das dämlichste, was er je gehört habe. Eine ganze Trauergesellschaft zu checken. Aber dann ließ er sich doch locken. Frischen Cappuccino gab es nicht alle Tage und einen halben Kuchen hatte ich auch noch für ihn besorgt.

      Einen Teil der Bilder konnte selbst ich zuordnen: die Nachbarinnen, den Bruder, seine Frau und die Mutter - die Ärmste. Obermüller stellte mir die wichtigsten Obrigkeiten vor und wunderte sich hin und wieder über das Partei übergreifende Interesse. Bei manchen Bildern musste er passen, nahm sie aber an sich und versprach, sich darum zu kümmern. Sicher rechnete er beim Abschluss seiner Recherchen mit einer ebenso freundlichen Bewirtung.

      Nachdem ich also auf diese Art noch nicht weitergekommen war, machte ich einen Spaziergang, vorbei an der Neuen Bischöflichen Residenz, in der der Domschatz ruhte, und lief dann ziellos über den Vorplatz des Stephansdoms. Als ich das große Tor erreichte, blies mir ein heftiger Wind ins Gesicht. Schnell drehte ich um. Zum Abschluss des Tages wollte ich noch zu Bernhard Kaufmann. Mal sehen, was der gestresste Bruder zu unseren Ermittlungen zu sagen hatte.

      36. Szene

      Klara

      Warum freuen sich die Menschen eigentlich so selten, wenn sie mich sehen? Bernhard Kaufmann ging es wie den meisten. Er wirkte abweisend, blies die Backen auf, grummelte und schmatzte. Doch wirklich - aber es half ihm nichts, ich wollte hinein und das schaffte ich auch.

      Das Haus lag in der Ilzstadt, hatte einen gepflegten Vorgarten und eine eindrucksvoll gestaltete Hausnummer. Eine Doppelgarage und ein Springbrunnen gehörten zur Vorderansicht, und obwohl hier zwei Kinder zu Hause sein mussten, war das Haus penibel aufgeräumt. Im Arbeitszimmer durfte ich mich auf einen Besucherstuhl setzen und dem Besitzer ein paar Fragen stellen.

      Mein Gott, was für ein Unterschied. Wenn Harry Kaufmanns Körper ein Tempel war, dann war sein Bruder eine Ruine, zumindest sein Gesicht. Den Rest verbarg er geschickt in einem maßgeschneiderten Anzug. Ich fragte ihn nach seinem Wahlkampf und ob das alles nicht sehr anstrengend wäre. Dann erst schwenkte ich zum eigentlichen Thema um. Sein Bruder und er hätten kaum Kontakt gehabt, sagte er und wahrscheinlich war das noch untertrieben. Bei einem solchen Unterschied musste es einfach Spannungen geben. Ich wollte auch keine Schwester, die aussah wie Sandra Bullock. Bernhard Kaufmann war sehr schweigsam an diesem Abend, ganz anders als in seinen Wahlkampfreden.

      Zum Sprechen bringen wollte ich ihn, erwähnte das Diazepam und den grünen Sportwagen, aber natürlich hatte er keine Ahnung, wo er doch so mit seinem Wahlkampf beschäftigt war. „Er war schon als Kind nicht ganz einfach, aber deshalb wurde er ja wohl nicht umgebracht!“

      Als ich vor die Haustür trat, begann der Regen gerade die Luft zu reinigen. Es tat gut, obwohl er meine Frisur ruinierte. Bevor ich ins Auto stieg, warf ich noch schnell einen Blick zurück. Im offenen Garagentor erkannte ich die dunkle Limousine und einen mittelblauen Zweitwagen für die Ehefrau. Grün gab es auch hier nicht und ein aufgemotzter Sportwagen hätte im Grunde ja auch gar nicht zu ihm gepasst.

      37. Szene

      Magdalena

      Lange noch nachdem Bernhard weggefahren war, saß ich im Sessel und dachte über die beiden Brüder nach. Die Wolkenfront hatte sich verdichtet und die ersten Blitze schossen mit lautem Donner