Dann stirb doch selber. Dagmar Isabell Schmidbauer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dagmar Isabell Schmidbauer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746794990
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Chef überhaupt eine Geliebte haben?“

      „Weil ich ihm Karten für diese Sexmesse am kleinen Exerzierplatz samt Liveauftritten besorgen musste, und eines weiß ich ganz sicher, seine Frau würde da niemals mit ihm hingehen!“

      Mir gefiel der Gedanke, doch Jutta wechselte das Thema. „Hast du dir für morgen schon alles hergerichtet?“, fragte sie ungemütlich.

      „Für morgen?“

      „Die Beerdigung, du solltest für diesen Tag gut gerüstet sein!“

      Harrys Beerdigung. Ich versuchte nicht daran zu denken. Jutta meinte mit alles hergerichtet meine Kleidung, mein korrektes Auftreten sozusagen, als ob das jemand interessieren würde.

      „Du musst auf jeden Fall etwas Schwarzes mit einem möglichst langen Rock anziehen und einen Hut mit Schleier aufsetzen. Hast du so was?“

      Natürlich hatte ich schwarze Sachen, was für eine Frage, ich hatte alles, was schwarz, edel und schick war. Harry stand ja auf so was, und ein schwarzes Kostüm hatte ich natürlich auch, obwohl Harry mein schwarzes Kleid, in dem wir uns kennen gelernt hatten, sicher bevorzugen würde.

      „Was soll ich mit einem Hut, ich trage nie Hüte, sie passen nicht zu mir!“ Angestrengt versuchte ich mir dabei vorzustellen, dass es sich bei unserem Gespräch um so etwas wie die Reparatur der Gemeinschafts-Waschmaschine im Keller handelte.

      „Die schwarzen Sachen schützen dich vor dem Geist des Verstorbenen!“, erklärte Jutta feierlich.

      „Du meinst, Harry würde in mich fahren, wenn ich Weiß trage?“ Ich stellte mir das Ganze bildlich vor. Harry und ich in meinem Körper vereint. Nun ja, das wäre vielleicht ein bisschen eng, andererseits hätte ich ihn dann wenigstens bei mir und bräuchte den kratzigen, braunen Pulli nicht mehr.

      Dann erzählte sie mir, wieso man am Grab Kerzen aufstellt - sie sollten den Toten vor bösen Geistern schützen -, und dass es Sitte sei, einen Toten mit den Füßen voran aus dem Haus zu tragen, damit er nicht mehr zurückkomme. Ich überlegte angestrengt, ob mein Körper im Falle einer Geistereinnistung wohl männliche Züge annehmen würde und ob ich mich dann künftig rasieren müsste.

      27. Szene

      Klara

      Obermüller kam an diesem Tag etwas später zum Dienst, dafür sah er aber auch wieder besser aus. Vermutlich hatte er seine Betroffenheit im Hemingway´s ertränkt. „Ich nehme alles zurück, der Tote vom Freitag hatte genauso wenig Chancen zu bremsen wie der Junge gestern!“

      Verblüfft sah ich ihn an. Obermüller hatte es bisher noch nie geschafft, mich zu verblüffen. „Wie das?“

      Er wedelte mit dem Bericht vor meiner Nase herum und ließ ihn dann elegant auf meinen Schreibtisch gleiten.

      „Hier!“ Obermüller deutete auf eine Stelle, die gelb markiert war. „Der Kerl war randvoll mit Diazepam.“

      Im ersten Moment dachte ich, so einer war dieser Harry Kaufmann also, aber dann fiel mir ein, dass er ja zu einer Verabredung wollte. Obermüller sah, wie ich litt und lächelte schwach. „Du kannst ihn behalten, es ist eine Kopie!“

      Ich dankte ihm und begann von vorne zu lesen. Dann rief ich in der Gerichtsmedizin in München an und fragte, wie ich mir das alles vorzustellen hätte.

      „Kennen Sie Silvester Stallone?“, fragte der Doktor statt einer Antwort.

      „Ja, doch.“ Wer kannte den nicht?

      „In einem Interview sagte er einmal: mein Körper ist mein Tempel! Genau so müssen sie sich das bei unserem Freund vorstellen. Er war kerngesund und durchtrainiert, außen und innen ohne Makel!“

      „Sie meinen, er war nicht der Typ, der sich ruhig stellte?“

      „Zumindest habe ich dafür keinerlei Anhaltspunkte gefunden.“

      „Okay, das hab ich verstanden, aber wie ist das mit seinen Händen?“

      „Das ist eigentlich ganz einfach. Wir wissen, dass er der Fahrer war, aber seine Hände lagen ganz entspannt in seinem Schoß, als es krachte, und da er auch nicht angegurtet war, flog er ungebremst gegen das Lenkrad!“

      28. Szene

      Magdalena

      Die Angst vor der Einsamkeit ließ mich immer nur die Tischplatte anstarren und machte mich bewegungslos: später, später räume ich auf, wenn es gar nicht mehr zu ertragen ist. Doch plötzlich klingelte es an der Tür. Es war die Kommissarin. Sie fragte mich nach meinem Befinden, und als ich vorgab, es ginge schon, legte sie unverzüglich los.

      „Sie haben also keine Ahnung, wer die Freundin gewesen sein könnte?“

      „Harry hatte keine Freundin!“, antwortete ich fest.

      „Hören Sie, Ihr Freund wurde mit Diazepam, mit Valium, vollgepumpt und dann gegen einen Betonpfeiler gefahren, es ist sogar möglich, dass er zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr in der Lage war, selbst zu lenken. Und jetzt frage ich Sie, wer macht so was?“

      „Sicher niemand, der ihn liebt!“, antwortete ich kleinlaut und zog vorsichtig die Nase hoch.

      „Nein, aber leider haben wir auch sonst kein Motiv. Sie sagen, er hatte keine Freundin und auch keine Feinde. Erpresst wurde er sicher auch nicht?“

      Ich schüttelte den Kopf.

      „Vielleicht war alles doch nur ein dummer schrecklicher Unfall“, versuchte ich zu erklären und spürte, wie meine Stimme brach.

      „An solche Unfälle glaube ich schon lange nicht mehr. Zumal die einzige Zeugin auch noch verschwunden ist.“

      „Wie kommen Sie überhaupt darauf, dass Harry Beruhigungsmittel nahm? Harry war Sportler, für ihn gab es andere Möglichkeiten, sich zu beruhigen.“ Ich versuchte, meine Gefühle unter Kontrolle zu halten.

      „Das mag schon zutreffen, aber irgendwie scheint er doch nicht klargekommen zu sein. Laut Obduktionsbericht hat er mindestens zehn Tabletten genommen, haben Sie dafür auch eine harmlose Erklärung parat?“

      „Nein, nein...“ O Gott - Obduktionsbericht! Mir wurde ganz schlecht. Er lag nicht mehr in seiner Zinkwanne, sie haben ihn aufgeschnitten, ihn auseinandergenommen, wie ein Stück Vieh, ich musste mich setzen. „... was haben Sie gesagt, wie viel hat er getrunken?“

      „Mindestens zehn Tabletten Valium, aber ich habe nicht gesagt, er hat es getrunken!“ Sie sah mich an, und ich hatte das Gefühl, dass sie triumphierte.

      „Wissen Sie denn jetzt wenigstens, wo er hin wollte? Sie haben sich doch sicher Gedanken darüber gemacht!“

      29. Szene

      Klara

      Jetzt hat sie auch noch einen kleinen Altar aufgebaut, wie süß, mit Rose und einem Bild, so richtig zum Verlieben. Also, ein Hübscher war er ja schon, dieser Harry Kaufmann. Bei seinem Anblick wusste ich gleich, dass der keine Probleme hatte, sich eine Frau zu angeln.

      Dass Frau Morgenroth das nicht verstand, war klar, sie war immer noch blind vor Liebe und Trauer. Also lag es an mir, sie mit den Tatsachen zu konfrontieren. Dann tat es wenigstens nur einmal weh!

      Diazepam gab es nicht nur in Apotheken, sondern auch in Krankenhäusern. Im Auto saß eine blonde Frau, und ein aufgemotzter Sportwagen drängte sie beide von der Straße. Kaufmann war nicht angeschnallt und hatte die Hände nicht am Steuer. Das passte alles nicht zusammen.

      Nachdem ich schon einmal im Haus war, klingelte ich bei Frau Nigl. Sie war Krankenschwester und kannte sich mit Medikamenten aus. Ich dachte mir, wenn ich ihr erzähle, was mit ihrem Nachbarn wirklich passiert ist, erinnert sie sich vielleicht besser an die blonde Frau.

      Leider war sie nicht zu