Er fand den Schlüssel für das Möbelstück in der Tasche ihres Bademantels.
Mehrere Flaschen Wodka, davon eine noch offen, hatte sie im Schrank gebunkert.
Er nahm sie an sich. Einen silbernen Lippenstift, der sich nicht öffnen ließ, ließ er liegen. Dessen Inhalt: Vermutlich ihr Tabletten-Vorrat.
Er öffnete das Fenster bevor er den Raum verließ.
Die Glasscheibe hielt beides fest. Sein Gesicht und die Landschaft, wie eine doppelt belichtete Platte.
Theo wartete auf Helens Rückkehr.
Es schien ihm fast sinnlos zu warten und er überlegte, dass er einfach so gehen konnte, aber er fand, er war es ihr schuldig, nicht einfach nur einen Zettel zu hinterlassen. Sie hatte ein Anrecht darauf, es von ihm selbst zu hören, dass er sie verlassen würde. Es änderte nichts, aber ein Anrecht darauf hatte sie. Er hatte Helen schließlich von Anfang an belogen und betrogen, dass Pflaster der Verwundung nie abgerissen. Sein Herz hatte eine tiefe unsichtbare Narbe und als er Lilo sah begann es erneut zu schmerzen. Helen hatte nie eine Chance gehabt – gegen einen Traum kam niemand an. Es war unfair von ihm, unfair von Anfang an.
Theo war zum Sterben elend.
Das Problem war, dass sie in ihm etwas sah, was er nicht erfüllen konnte. Sie hatte ihn geliebt und er hatte sie gemocht und Menschen die Helen liebte, hatten besonders vollkommen zu sein. Sie durften keine Schwäche zeigen, keinen Irrtum begehen. Anderen hätte sie vielleicht noch verziehen, ihm nicht!
Die Haustür öffnete sich und Theo ging ihr entgegen. Helen wollte sich auf dem Absatz umdrehen, als Theo sie am Arm packte und versuchte, sie ins Wohnzimmer zu ziehen.
Helen zuckte zusammen, als hätte er ihr wehgetan. „Was soll das?“, sagte sie ungehalten in die Stille hinein. „Lass mich sofort los!“
„Entschuldigung.“ Er lockerte seinen Handgriff. „Ich möchte mich mit Dir unterhalten“. Besorgnis schwang in seiner Stimme mit. „Ich ...“
Sie schnitt ihm das Wort ab und schaffte es, ein Gesicht zu machen, als interessiere es sie wirklich. „Wozu? Was gibt es zu besprechen, was so relevant ist?“, erkundigte sie sich in Zeitlupe den Kopf schüttelnd. Diese Geste hatte sie sich bei älteren Männern abgeschaut und sie passte nicht zu ihr. „Ich bin müde und möchte mich hinlegen.“ Sie war nervöse und unruhig. Sie blickte auf die Tür ihres Zimmers. Es war nur diese Tür die sie von ihrer Flasche trennte.
„Ich möchte mit Dir sprechen.“ Schweiß brach ihm unter den Achselhöhlen aus, benässte das Hemd.
Sie gab noch nicht auf. „Ich zieh mich nur rasch um ...“, sagte sie mit kalter Schärfte.
„Bitte!“ Theo hielt sie am Arm zurück.
„Herr Gott, was ist denn so verdammt wichtig?“, fluchte sie nicht im geringsten eingeschüchtert.
Sie folgte ihm angespannt ins Wohnzimmer und blieb steif in der Nähe der Tür stehen. Helen schaute sich um.
„Willst Du Dich nicht setzen?“
„Sag was Du zu sagen hast, ich hatte einen anstrengenden Tag.“
Sie bemerkte die Flaschen auf dem Regal und wurde zugänglicher Laune. Helen dachte Theo wäre wütend. Ihr Körper entspannte sich. Sie warf ihre Handtasche auf einen der Sessel und näherte sich dabei wie unbeabsichtigt dem Regal mit dem Wodka. Sie versuchte nicht dorthin zu sehen, aber es kostete sie große Beherrschung.
Theo glaubte zu bemerken, dass Helen schwerer atmete.
Als sie Theos verzweifelte Miene sah versuchte sie zu lächeln, ein leicht erschrecktes verquere Lächeln, das sie immer dann aufsetzte, wenn es darum ging, sich einem zu entziehen. Sie hätte ihn gerne am Hals gepackt und geschüttelt, damit er endlich zum Wesentlichen kam.
Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie alles so ruhig hinnehmen würde und dieses bezaubernde Lächeln überraschte ihn noch mehr.
„Ich hatte meine Chance“, sagte sie halsstarrig und schüttelte ihr Haupt, wie über etwas, das ihr Kopfzerbrechen machte.
Der nächste Auftrag
Einen Fuß nach hinten gegen eine Hauswand abgestützt, die Zigarette im Mundwinkel hängend, den Blick auf eine Zeitung gerichtet, wartete er auf den passenden Zeitpunkt um die Bank zu betreten.
Ein Mann hatte eine Leiter gegen eine Litfaßsäule gelehnt und fuhr mit einem Leim-Besen über die Plakatfläche, war dabei, eine Reklame zu überkleben.
Sie ging voraus. Die Treppe hinunter, die zum Tresorraum der Bank führte und öffnete die Tür. Sie knarrte.
Beide traten ein. Sie standen vor einer Wand mit vielen Fächern. Der Raum war hoch und der Lack um die Schlüssellöcher herum abgekratzt.
Sie öffnete mit einem Schlüssel den gewünschten Safe, trat ein paar Schritte zurück, wartete, bis er den Seinen hervorholte.
„Ihren Schlüssel“, wiederholte sie, wie ein Papagei, bereits zum zweiten mal.
Er hatte ihn die ganze Zeit über in seiner rechten Hand. Schweißperlen traten ihm, trotz der Kühle die hier herrschte, auf die Stirn, die er mit einem Taschentuch wegwischte.
Dann steckte er seinen Schlüssel ein, verwundert, dass er tatsächlich passte und sich drehen ließ. Die Tür öffnete sich, die Klappe schwang zur Seite und er zog einen matt glänzenden Metallkasten heraus. Er trug ihn zu einem Tisch.
Die Bankangestellte verließ den Raum, ließ ihn mit dem Inhalt allein. Der Geruch ihres Parfüms, das er nicht kannte, verschwand mit ihr.
Er blieb allein zurück, in einem Raum, der wie eine Grabkammer roch. Was für ein verrücktes Spiel.
Er bekam Zweifel, dass das Geld wirklich da war, dass die Kassette, wenn er sie öffnete, leer sei.
In zwanghafter Berechnung, unangenehm wie ein Traum, überschlug er die Zeit, die ihm bis zum Attentat noch zur Verfügung stand. Ein unvorstellbarer Ozean an Zeit? Jeder falsche Schritt konnte fatal sein.
Er öffnete den Deckel.
In der Mitte lag, ein in einem Tuch eingeschlagen, eine Waffe, darunter das Geld, die Anzahlung für … einen Freundschaftsdienst.
Er starrte auf die gebündelten Banknoten, aber er verspürte nicht die erwartete Freude. Er nahm eines der Päckchen heraus. Es fühlte sich nicht wie Geld an. Er zog einzelne Scheine heraus. Sie waren kalt und glatt und ohne Leben. Neue Scheine! Er begann die Banknoten zu zählen. Schein für Schein. Dann gab er auf, versuchte sie wieder in die Banderole zu stecken, sie passten nicht mehr in den schmalen Streifen.
Es war an der Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass das Geld ihm gehören könnte, wenn er seinen Auftrag erfüllte.
Die Waffe war viel zu gewaltig, für den Zweck, einen einzigen Schuss aus nächster Nähe abzufeuern. Er wog die Walter P38 in der Hand und verspürte leichte Übelkeit. Schweiß brach ihm unter den Achselhöhlen aus, benässte das Hemd.
Plötzlich fühlte er etwas, was in dieser Klarheit nicht dagewesen war. Es war Hass, der alles andere auslöschte, purer, plötzlich zutage tretender reiner Hass, eine Flamme, die ihre Nahrung in sich selbst fand.
Die Stahlkammer glich mehr denn je einer Gruft. Er fühlte sich unbehaglich.
Als er die Bank verließ, zündete er sich mit einem Sturmfeuerzeug eine Zigarette an.
Die Muse
Aus reiner Neugier hatte Eddie, trotz Ablehnung des Auftrags, heimlich mehrere Kameras in Paddys Atelier, von seinem technisch hochbegabten Praktikanten Kevin, installieren lassen.
Dieser hatte ein einwöchiges Seminar, für viel Geld, direkt