Was er Lilo verschwieg: Theo machte sich gegenüber Paddy natürlich bemerkbar und auf sein Zeichen hin trafen sich beide auf der Toilette und heckten einen Plan aus.
Es kam zu einer Übergabe.
Theo schwenkte das Bier im Glas, um zu sehen, ob es noch schäumte. Es schwappte über, der Rest blieb schal. Theo leckte sich die Lippen und trank es trotzdem achselzuckend aus. „Hast Du Probleme mit ihm?“
„Wie kommst Du darauf?“
„Nur so.“ Ein boshaftes Grinsen lag auf seinem Gesicht.
Mit einem lauten Seufzen atmete sie aus. „Ich spiele in seinem Leben nicht mehr die erste Geige.“
Es schien sie sehr zu beschäftigen.
„Und das soll ich ändern? Was erwartest Du von mir?“
Die Frage, mit so sanfter Stimme vorgebracht, ließ Lilo verstummen. Sie mochte es gar nicht, wie er ihr zu Leibe rückte, doch dann besann sie sich auf ihr Anliegen. Ihr Blick wanderte zur Eingangstür. Es vergingen ein paar Sekunden. Als sie wieder sprach klang ihre Stimme etwas weicher, leise und schläfrig, als ob sie in Trance wäre.
„Ein paar delikate Fotos den entsprechenden Leuten zugespielt – und ich könnte die Scheidung einreichen.“ Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. Es war eine kalte, einstudierte Geste. Sie blieb ernst und angespannt. „Du weißt, dass ich lange gebraucht habe, um das zu erreichen und deshalb bin ich wachsam.“ Sie warf ihm einen flehentlichen Blick zu. Sie wusste, dass sie mit Hilfe eines kleinen Flirts und indem sie die naive Unschuldige spielte, dass von ihm bekommen würde, was sie wollte.
„So, so.“ Insgeheim machte Theo sich über ihren Plan hämisch lachend lustig. < So tief bist Du also gesunken um auf ein solches lächerliches Mittel zurückzugreifen. Das ist einfach nur billig! > Theo ließ es dabei bewenden. „Männer sind immer auf der Pirsch nach der idealen Frau – vor allem nach der Hochzeit. Treue ist nicht immer eine Frage des Charakters. Es ist eine Frage der Gelegenheit.“
„Du sprichst von Dir?“, gab sie mit einem ironischen Grinsen zurück und zog dabei die Augenbrauen hoch.
Theo blieb ihr abermals eine Antwort schuldig. Er ließ den Kopf gramerfüllt hängen und sah verdrießlich auf sein Glas, seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst. Sie betrieb psychologische Spielchen. Ein eindeutiges Zeichen für Wut und Hass. Sie war bösartig!
Lilo hatte jetzt Sicherheit. Mehr als andere. Und mehr als andere musste sie darüber wachen, jeden Augenblick.
„Am Samstag findet im Schloss eine Hochzeit statt. Paddy hat den Ballsaal im Erdgeschoss freigeben ...“. Lilo rang mühsam um Fassung. < Reiß dich zusammen! > befahl sie sich wütend, als ihr die Tränen in die Augen stiegen.
Da ihr Wehklagen leider keinen Heilbalsam aufs geschundene Herz träufelte, schluckte sie die Tränen herunter bevor sie verebbten.
Theo erwiderte nichts und keine Miene seines unbewegten Gesichts verriet seine Gedanken.
< Wir hatten einst eine schöne Zeit – leider nur viel zu kurz >, dachte er. < Du geldgeiles Miststück! >
Lilo hatte keine bösen Träume mehr, so etwas Ähnliches hatte sie gesagt. Sie waren nur in ihrem Kopf und somit hatte sie von ihnen nichts zu befürchten. Sie hatte gelernt, erhobenen Hauptes durch ihre Albträume zu wandeln und sich von ihnen keinen Schrecken mehr einjagen zu lassen.
Nun hatte sie zwar keine Angst mehr, aber noch immer keine Macht über ihre Träume. So gelang es ihr zum Beispiel nicht, ungebetene Gäste fernzuhalten. Immer wieder suchten sie in ihren Träumen Fremde heim, die nicht die Absicht hatten, zu ihrer Unterhalten beizutragen. Sie lungerten faul und untätig herum, als sei Lilos Kopf ein Wartezimmer. Sie hatte nicht selten das Gefühl, dass ihre Träume hinter den Kulissen der Träume anderer abspielten. Aber die bei weitem kuriosesten Besucher ihres Unterbewusstseins waren die Toten.
Theo kannte Loreley vom Sehen. Ihr Ruf eilte ihr voraus. Sie hatte lange, fantastische Beine, eine schmale Taille, intensiv blaue Augen und einen schön geschwungenen Mund. Ihre hellbraunen Haare waren glatt und lang bis zum Po. Oft band sie sie zu einem smarten Pferdeschwanz zusammen. Dabei zog sie das Haar so straff nach hinten, dass es ihre Gesichtshaut wie ein Facelifting zu spannen schien.
Theo nahm sich vom Italiener an der Ecke eine Pizza mit und kramte zu Hause noch einen vergammelten Salatkopf aus dem Gemüsefach des Kühlschranks. Er zupfte die welken, braunen Blätter ab, bis er zu dem gerade noch essbaren Kern vorgedrungen war. Es war ein blasser und wenig appetitanregender Salat, den er mehr als Pflichtgefühl als aus Genuss verzehrte. Zum genießen fehlte im die Muse. Theo aß nur, um seinen Energiespeicher für sein Vorhaben aufzufüllen.
Nach ein paar Bissen schob er den Pappkarton von sich weg und stand auf.
Helens Augen waren grünlich und hatte eine gelb gesprenkelte, meergrüne Iris. Ihre Haare waren blond, dauergewellt und kurz geschnitten.
Im Gegensatz zu Lilo war sie an ihrer ersten großen Liebe klebengeblieben.
Theo, eine außergewöhnliche Persönlichkeit, war lustig, humorvoll, charmant, intelligent, ein guter Zuhörer und konnte bei Frauen eine unheimliche Faszination auslösen. Glücklicherweise besaß er Helen gegenüber ein umgängliches Naturell. Theo war großzügig und in seiner typischen Zurückhaltung vermied er es, sich zwischen Helen und ihre Freundinnen, die er, wenn überhaupt, kaum kannte, zu drängen. Er war ein wilder, gutaussehender, kultivierter Lebemann. Beherrscht, elegant. Und er gefiel nicht nur ihr.
Theo war offiziell ein geschätzter Fotograf, aber in der Realität war er ein gefürchteter Paparazzo. Für genügend Zaster hätte er seine eigene Großmutter verkauft. Auch ihm eilte sein Ruf, in gewissen Kreisen, voraus. Er war oft auf Reisen, eher selten Zuhause.
Helen war, was sie nach außen nie zeigen würde, eine zerbrechliche Frau. Sie konnte es immer schlechter ertragen, dass ihr Mann in allen Ecken und Enden der Welt unterwegs war und für ein Foto manchmal sein Leben aufs Spiel setzte. Theos Rücken und ein Teil seiner rechten Seite trugen Narben, die von einer leidenschaftlichen Umarmung mit dem Tod zeugten.
Aus diesem Grund schob sie es vor sich her, ein Kind zu bekommen. Jetzt war es zu spät. Sie hatte so jung geheiratet. Eine Zeitland war es Leidenschaft gewesen.
Sich zu betrinken was etwas für schwache Menschen, eine Krücke für diejenigen, die nicht genügend Kraft besaßen, ihr eigenes Leben zu leben, auf den eigenen Füßen zu stehen. Sich zu betrinken hieß, vor etwas davonzulaufen.
Helen selbst zählte sich nicht zu dieser Spezies.
Ihr Bett stand am Fenster. Sie wechselte die Plätze, wo sie den Alkohol versteckte. Der Bettkasten war eine gute Stelle, um mit der Suche zu beginnen.
Er hatte ihr Zimmer lange nicht mehr betreten. Der Anblick war ein ziemlicher Schock. Überall Nippes. Sie war morgens immer in Eile und es musste schwer sein aufzustehen, nach einem Abend mit der Flasche, jeden Tag sich wieder neu aufzuraffen. Duschen, anziehen, frühstücken.
So sah der Raum auch aus. Nach einem schnellen Aufbruch. Halboffene Schranktüren und Schubladen, die Kleider auf dem Bett, die sie herausgenommen, aber nicht angezogen hatte. Auf dem Fußboden lag ihr noch feuchter Bademantel. Theo hängte ihn auf einen Kleiderbügel.
Auf einer Kommode, neben einem Kerzenständer, stand ein Kristallglas. Sie goss es sich im Wohnzimmer immer voll, das letzte, was sie jeden Abend tat, ehe sie sich hierher zurückzog. Das letzte Glas von vielen, aber das Wichtigste, um ihr in den Schlaf zu helfen.
Die Türen an den Seitenteilen ihrer Kommode waren verschlossen, der Schlüssel abgezogen, aber er wusste, wo er zu suchen hatte.
Eine Zeitlang hatte sie ihn einfach dadurch hinters Licht geführt, dass sie dreiviertel leere Flaschen offen herumstehen ließ. Die vollen Flaschen hatte sie verborgen, in Koffern und Stoffbeuteln, in denen sie ihre Schuhe und Handtaschen aufbewahrte.
Sie