Verstohlen schaute ich mal auf Skylers ausladende Schultern, mal erhaschte ich einen flüchtigen Seitenblick auf seine versteinerte Miene. Was mochte ihn nur derart verstimmt haben?
„Können wir wohl mal eine Pause einlegen?“
Wenn er schon auf mich keine Rücksicht nehmen wollte dann gegebenenfalls auf mein Pferd, das ob des unwegsamen Geländes bereits zu lahmen begann. Statt einer Antwort schweifte sein Blick über die uns umgebenden grauen Steilhänge, bevor er absaß.
„Höchstens eine halbe Stunde.“
„Sag das dem Pferd. Es lahmt. Ich hingegen kann natürlich tagelang ohne Nahrung auskommen, wenn es sein muss. Ich übe mich dann einfach in Meditation. Genug Ruhe dazu habe ich ja.“
Herausfordernd sah ich ihn an, kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, um seine Regungen besser wahrzunehmen. Er schien etwas erwidern zu wollen, verkniff es sich aber. Stattdessen nestelte er an den Vorräten herum und hielt mir ein Stück Brot hin.
„Herzlichen Dank. Ich werde es mir gut einteilen. Wer weiß wann ich wieder was …“
„Avery, bitte.“ Er griff sich in den Nacken, knetete die Muskulatur, als sei er darauf aus, sie herausreißen.
„W-a-s?“
„Ich – sehe mal nach deinem Pferd.“
Er wandte sich abrupt ab, als hätte ich ihm eine Ohrfeige verpasst. Unbändige Wut stieg in mir auf. War es das, was er bezweckte? Wollte er mich provozieren, damit die Funken aus meinem Zeigefinger unkontrolliert entweichen konnten? Nein. Ich würde ihm beweisen, dass ich meine Emotionen unter Kontrolle hatte.
Schwindel erfasste mich. Die Erschöpfung forderte ihren Tribut. Ich sank ein Stück weiter abseits auf einen Felsvorsprung nieder, atmete tief ein, bis mein Herz wieder ein gemächlicheres Tempo anschlug. Lustlos kaute ich auf der harten Brotkruste herum, mein erster Bissen für heute.
„Verdammt“, hörte ich Skyler leise fluchen, während er die Fesseln des Pferdes untersuchte. „So kommen wir nicht voran. Wir werden zu Fuß weitermüssen.“
Bald zeigte sich jedoch, dass auch dies nicht gelang. Der stetig ansteigende Pfad, dem wir folgten, stellte für die Tiere ein nicht kalkulierbares Risiko dar. Skyler schnallte ihnen daher das Gepäck ab, teilte es unter uns auf, wobei er sich selbst den größeren Teil auflud. Die Pferde überließ er einfach sich selbst, sie würden ihren Weg schon finden, meinte er.
Allmählich begann ich die Anstrengungen des Aufstiegs zu hassen. Jeder Schritt schmerzte. Lederriemen, an denen das Gewicht des Proviants zerrte, schnitten mir ins Fleisch. Doch ich wollte Skyler keinen Anlass zur Kritik geben. Das Atmen fiel mir angesichts der ungewohnten Höhe immer schwerer. Der Wind frischte auf und senkte die Temperatur empfindlich herab. Die Augen konzentriert auf den steinigen Untergrund gerichtet, achtete ich darauf, nicht zu straucheln. Seltsam geformte braune Anhäufungen, bepflasterten zeitweise den Pfad, machten es fast unmöglich ihnen auszuweichen.
„Nur noch ein kleines Stück, dann treffen wir auf eine Höhle, die uns Schutz für die Nacht bietet.“
Skylers Stimme, die ich seit Stunden nicht mehr gehört hatte, drang unnatürlich laut an mein Ohr.
„Wo willst du denn hier eine Höhle finden? Für mich sieht alles gleich aus“, maulte ich. Augenblicklich ließ ich das Gepäck zu Boden gleiten. Kraftlos gaben meine Knie nach.
„Es ist wirklich nicht mehr weit.“
Durchdringend sah er mich an. Irgendetwas an seinem Ausdruck versetzte mich in Alarmbereitschaft. Ich mobilisierte die letzten Kraftreserven, um hinter ihm herzustolpern.
„Ab hier müssen wir einzeln nach oben.“
„Einzeln nach oben? Wie stellst du dir das vor?“ Ich sah ausschließlich Grautöne in sämtlichen Schattierungen des Bergmassivs.
„Ich klettere voraus und sehe nach, ob die Höhle weiterhin unbewohnt ist, dann hole …“
„Klettern?“ Entgeistert sah ich ihn an.
„Du brauchst mir nicht alles nachzusprechen“, fuhr er mich gereizt an. „Wenn die Höhle gesichert ist, komme ich wieder herunter, nehme dir dein Gepäck ab, dann wird es für dich leichter.“
Ich wollte nachhaken, wann mit seiner Rückkehr zu rechnen sei, verkniff es mir jedoch. Wenn er in dieser Stimmung war, machte es keinen Sinn, ihn zu bedrängen. Also harrte ich aus, folgte seiner Silhouette mit müden Augen, bis er mit der Felsformation verschmolz und sich schließlich in Luft aufzulösen schien. Nur vereinzelt herabrollende Kiesel zeugten von seinem weiteren Aufstieg, der ansonsten völlig lautlos vonstattenging. Ich hoffte, dass er die Höhle bald fand und diese unbewohnt war. Dabei – wer sollte sich sonst in diese Abgeschiedenheit hineinwagen?
Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende geführt, da erhielt ich meine Antwort: Bernsteinfarbene Augen nahmen mich ins Visier, deren raubtierhafte Kälte mir die Härchen auf den Unterarmen aufstellten. Das beigebraune Fell einer Raubkatze, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte, mit unregelmäßigen Schattierungen, die ihr eine hervorragende Tarnung verliehen. Das blutverschmierte Maul leicht geöffnet, traten säbelgleiche Fangzähne zum Vorschein.
Eine Schrecksekunde fürchtete ich, Skyler könnte ihr beim Inspizieren der Höhle zum Opfer gefallen sein.
Die Raubkatze spannte die Muskeln und setzte zum Sprung an. Ich wusste es in dem Augenblick, da ihr Kopf sich minimal nach unten neigte. Reflexartig sprang ich zur Seite und richtete meinen Zeigefinger wie eine Waffe auf ihre Flanke. Ich ließ mein inneres Feuer entströmen, als gelte es eine feurige Schneise zu ziehen. Ein grausig heller Ton zerriss die Luft, gefolgt von Fauchen und Jaulen in einer Frequenz, die meine Ohren zum Klingeln brachte. Nachdem der massige Körper um Haaresbreite neben mir aufprallte, stand ich wie paralysiert da. Meine Hand gehorchte mir nicht mehr, war eiskalt, eine Kälte, die mir geradewegs ins Herz zu strahlen drohte. Meine Reaktionen wurden fahrig. Langsam rieb ich mir den eiskalten Arm, um die Blutzirkulation in Gang zu setzen. Umständlich schulterte ich den Bogen samt Pfeilköcher. Ich ließ das restliche Gepäck einfach zurück und begab mich in die Richtung an den Aufstieg, in die ich Skyler verschwinden glaubte.
Es kostete ungeheure Kraft, mich fortzubewegen. Auf der Suche nach Halt glitt ich mehrmals auf losen Steinen aus. Obwohl ein eisiger Wind an mir zerrte, stand mir der Schweiß auf der Stirn. Hoffnungslosigkeit griff mit unbarmherzigen Klauen nach mir. Wohin mochte Skyler verschwunden sein?
Meine Hände fassten ins Leere. Ein, zwei Meter fiel ich in die Tiefe, riss mir Fingernägel ab in dem verzweifelten Bemühen, Halt an dieser verdammten, scharfkantigen Wand zu finden. Der Schmerz brachte mich am Rande einer Ohnmacht. Ich blinzelte die Tränen weg, umschloss zitternd die geschundenen Finger mit den Lippen und konzentrierte mich auf die Heilung.
Bildfetzen blitzten plötzlich in meinem Kopf auf: Skyler wie er leblos mit verrenkten Gliedern in einer Felsspalte klemmte, dann verschwand die Vision wieder. Was war das? Spielte mir mein Verstand einen Streich?
Panisch begann ich nach Skyler zu rufen, ungeachtet dessen, ob sich Feinde in der Nähe aufhielten, sei es Mensch oder Tier. Meine eigene Stimme hallte als Echo von den Bergen wider, als wolle sie mich verspotten.
Da, ein leiser Ruf oder bildete ich mir das ein? Aus welcher Richtung? Ich lauschte angestrengt, wozu ich die Hand wölbte und hinters Ohr hielt. Rief, und diesmal erhielt ich eine Antwort.
„Skyler! Wo bist du? Sprich weiter, sonst finde ich dich ni …“
In letzter Sekunde stoppte ich. Nur knapp einen Schritt vor mir sah ich einen Spalt, halb verborgen hinter einem Felsplateau. Vorsichtig sah ich hinab.
„Ich bin hier unten, verdammt“, erklang ein Fluch aus der Tiefe, gefolgt von einem Stöhnen.
„Kannst du dich bewegen?“
„Wäre … wäre ich dann … hier unten?“, ätzte er.
„Was