„Du frierst ja.“
Tatsächlich bibberte ich vor Kälte.
„Komm her, Sabelanth-Eh.“
Sabelanth-Eh – Kriegerin – ein Wort aus der Sprache der Bowmen, die ich nur ansatzweise verstand und derer er sich äußerst selten bediente. Seine Hände rubbelten mir wärmend über Arme und Rücken, heiße Ströme auf meiner Haut hinterlassend.
„Warum nennst du mich so?“
„Warst du es denn nicht, die den Tschakor getötet hat? Und das mit bloßen Händen“, bemerkte er mit Blick auf meine Schusshand.
„Ein Taschkor soll das gewesen sein? Ich dachte, die leben nur im Dschungel Greenerdoors.“
„Nicht nur. Eine Unterart von ihnen hält sich in den Bergen auf.“
Er führte meine Hand an seine Lippen und hauchte einen Kuss darauf.
„Keine Angst, dass ich meine Emotionen nicht unter Kontrolle habe?“, fragte ich bemüht kühl. Ich hatte ihm seine Zurückweisung und das damit verbundene fadenscheinige Argument noch nicht verziehen.
„Im Moment möchte ich dir vertrauen.“
Er sah mich mit einer Intensität an, die mich an einen Punkt brachte, dem mein Herz nur zu bereit war nachzugeben. Doch wollte ich es ihm nicht zu leicht machen.
„Und im nächsten Augenblick wendest du dich dann wieder von mir ab?“
„Es wäre einen Versuch wert.“
„Du spielst mit mir. Außerdem will ich nicht dein Versuchsobjekt sein.“
Mit ungeheurer Willensstärke wand ich mich aus seinen Armen und kehrte ihm den Rücken zu. Erhobenen Hauptes schritt ich zu meinem Schlafplatz zurück. Skyler folgte mir wie ein Schatten. Ich ignorierte ihn, griff stattdessen die Decke, um mich wieder schlafenzulegen.
„So müde?“, versuchte seine Stimme mich zu umgarnen. Spielerisch nahm er mir die Decke ab.
„Es war ein langer, ereignisreicher Tag und schon bald bricht der nächste an.“ Ich gähnte demonstrativ, dabei hatte ich in dieser verflixten Höhle kein Gefühl für Zeit und Raum. Fürsorglich legte er mir die Decke um die kalten Schultern, schloss mich darin ein, wie in einem Kokon, bevor er mich näher zu sich heranzog.
„Ich kann dafür sorgen, dass du entspannt in den Schlaf findest.“
„Musst du nicht Wache halten?“, fragte ich spitz.
„Da der Tschakor tot ist, bist du und dein Temperament die einzige Gefahr.“
Er hauchte mir einen Kuss aufs Schlüsselbein. Seine Finger vergruben sich in meinem Haar. Ich stieß ihn von mir.
„Du redest den ganzen Tag kein Sterbenswort. Scheuchst mich den steilsten Berg rauf, dem ich je begegnet bin, und dann meinst du, nur Süßholz raspeln zu müssen, und ich zerfließe?“ Mein wildpochendes Herz strafte meine Worte Lügen. Der Verstand versuchte angestrengt, die Oberhand zu behalten. „Ich werde aus dir nicht schlau, Skyler.“
Er maß mich neugierig. Als seine Hand meinen Nacken umfasste, er mit den Fingerkuppen zwischen meinen Schulterblättern hinab wanderte, glaubte ich, von einer Ameisenarmee überrannt zu werden. Mit einer Hand zog er mich am Bund meiner Hose zu sich heran, bis kein Blatt Papier mehr zwischen uns passte. Ich spürte seinen Herzschlag ein Stück über meinem Herzen schlagen, das mir in unkontrollierten Sprüngen aus der Brust zu springen drohte.
„Vertrau mir – und gib acht auf deine Hand.“
Er brachte einen Handschuh hervor und streifte ihn über die Schusshand. Vorsichtig, als sei sie aus Glas.
„Glaubst du, damit aus der Gefahrenzone zu sein?“, fragte ich mit trockener Kehle.
„Gewissermaßen schon.“
Mit sanftem Druck bog er mir den Arm nach hinten auf den Rücken. Er vergrub sein Gesicht in meinen Haaren, als wolle er darin eintauchen. Meine Hand begann zu kribbeln. Würde ein simpler Handschuh ausreichen, vor unkontrolliert abgegebenen Feuersalven?
Skyler küsste meinen Nacken, streifte mir mein Hemd über den Kopf und führte mich auf die Decke zurück. Sein langes Haar kitzelte mir im Gesicht, strich mir über Brust und Bauch. Die Piercings an seinem Ohr spielten in meinen Händen ihre eigene Melodie dazu.
„Lerne, dich zu beherrschen, Avery“, flüsterte er zwischen Küssen, die mir schier den Verstand raubten. Seine Hände berührten mich in einer Art und Weise, dass ich glaubte, meine Haut brenne.
„Hier. Nimm eine von denen!“ Eine dunkle Kugel rollte auf seine ausgestreckte Hand. Ich machte sie flüchtig als die aus, die mir Jodee mitgegeben hatte. Hastig spülte ich sie mit ein paar Schlucken aus dem Wasserschlauch runter und verschluckte mich prompt.
„Na, na, na. Nicht so gierig!“, rügte er mich scherzhaft.
Wir prusteten beide los vor Lachen. Ein befreiendes Lachen, fern von Spott oder Zwängen. Er wartete, bis ich mich wieder gefangen hatte, bevor er sich für mein Empfinden unendlich langsam seiner Kleidung entledigte. Wie hypnotisiert starrte ich auf seine nackte Haut und das Schlangentattoo auf der Brust. Bei der spärlichen Beleuchtung und seinen rhythmischen Bewegungen wirkte es geradezu animalisch echt. Berauscht sog ich jeden seiner Küsse in mir auf, als müsse ich mich davon ernähren. Bald vergaß ich die seltsame Unterhaltung von soeben, wenn sie denn je stattfand …
Skylers Kopf ruhte auf meiner Brust. Sein Arm umschloss geradezu besitzergreifend meine Taille. Der leicht geöffnete Mund wehte mir eine sanfte Brise auf die Haut, ließ mich frösteln. Es war so verdammt kalt in dieser Höhle, doch wollte ich diesen friedlichen Moment nicht durch eine unbedachte Bewegung zerstören.
Wenn ich an die vergangene Nacht zurückdachte, stieg mir jetzt noch heiße Röte ins Gesicht. Warum konnten wir nicht einfach hierbleiben? Wozu zu den in Einsamkeit lebenden Javeérs?
Niemals zuvor fühlte ich mich derart lebendig, so ernstgenommen wie noch vor ein paar Stunden. Ein Seufzen entfuhr meinen Lippen. Kurz darauf räkelte sich Skyler neben mir und murmelte etwas das klang wie: „Ne-ma Labaschté“, und sah mich verschlafen von der Seite an.
„Was bedeuten diese Worte?“, fragte ich ihn interessiert.
Er grinste verwegen. „Das möchtest du nicht wissen.“
Er gab mir einen innigen Kuss, bevor er aufstand und nach seiner Kleidung griff. Kurz meinte ich, einen triumphalen Ausdruck in seinem Gesicht zu lesen, bevor sein Mienenspiel wieder undurchsichtig wurde. Arroganter Kerl.
Hatte ich geglaubt, nur durch das Tor von Merdoran spazieren zu müssen, um zum Kloster der Javeérs in Kadolonné zu gelangen, so irrte ich gewaltig. Wir durchliefen dieses Höhlensystem, in dem Skyler sich zurechtfand, als wäre es sein Zuhause. Stunden. Tagelang. Bei genauerem Hinsehen schien er zwar mysteriösen Zeichen an den Wänden zu folgen, doch sicher war ich mir nicht. Als ich schon nicht mehr damit rechnete, jemals wieder das Tageslicht zu erblicken, tat sich ein Lichtstreif in der Ferne auf, der tatsächlich einem Tor glich.
Kaum erreichten wir dieses Tor, stellte sich uns ein Mann in den Weg. An Größe zwar Skyler ebenbürtig, verschwand die asketisch aussehende Gestalt fast gänzlich unter einer grobgewebten, grauen Kutte, in den Farben der Ellar Hills.
„Peschterr LeAssenat“, brachte Skyler ihm seinen Gruß entgegen.
„Peschterr Skyler“, antwortete eine keinem Alter zuzuordnende Stimme. Das Gesicht des Sprechers blieb unter der Kapuze verborgen.
„Hier trennen sich unsere Wege, Avery“, wandte Skyler sich an mich. „LeAssenat wird dich zu den Javeérs nach Kadolonné führen“, wollte er sich zum Gehen wenden. Ohne eine Erklärung. Ohne ein Wort des Abschieds.
Brüsk bekam ich ihn am Arm zu fassen und funkelte ihn an. „Was hat das zu bedeuten, Skyler? Wo willst du hin?“
„Ich … habe andere Pläne, vorerst.“
Seine hypnotischen Augen, in denen ich mich sonst zu