Ich wagte einen vorsichtigen Blick aus dem Höhleneingang. Beinahe senkrecht ging es nach unten. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Noch immer hatte ich mich nicht an die Höhe der Berge gewöhnt, die jede Anstrengung verdoppelte, jedes zusätzliche Gewicht zu verzehnfachen schien.
Ich zwang mich zur Ruhe. Meine Möglichkeiten abwägend, durchmaß ich die Höhle, die nirgendwohin führte, aber wenigsten Schutz vor den eisigen Höhenwinden bot. Dann kam mir eine Idee. Was, wenn ich diesen Vogel hierher zitierte, indem ich ihn malte? Schon einmal war es mir gelungen, einen Sperling zu Papier zu bringen, der daraufhin aus dem Blatt heraus flatterte. Warum also nicht einen Garbet?
Da mir kein Papier zur Verfügung stand, musste ich improvisieren, indem ich mit dem Finger auf den Boden zeichnete. Ich kniete nieder, hielt die Augen geschlossen, um mich darauf zu konzentrieren, was ich über diesen Garbet wusste. Leider basierten diese Informationen nur auf mündliche Überlieferungen. Ich selbst hatte nie einen zu Gesicht bekommen. Und wenn ich mir etwas Falsches ausdachte? Denn, egal was ich abbildete, es wurde lebendig.
Blauschwarze Federn, sinnierte ich. Die Pfeile, die Skyler mir gegeben hatte, waren damit bestückt. Erst jetzt wurde mir bewusst, welch kostbares Geschenk er mir damit gemacht hatte. Augenblicklich verbannte ich die Gedanken an ihn, konzentrierte mich stattdessen auf den Vogel, den blauen Federn seiner Flügel, dem Symbol der dunklen Magier.
Mir schwirrte der Kopf. Unschlüssig sah ich nach draußen, als gelte es dort die Antwort zu finden. Der Sturm hatte sich inzwischen gelegt. Es herrschte eine geradezu gespenstische Ruhe. Plötzlich stand mein Entschluss fest: Ich würde den Garbet nicht zeichnen, würde das Böse nicht hierher zitieren – auch wenn ich mich damit LeFarkons Anweisung widersetzte.
Ich wagte den Abstieg und erreichte unbeschadet die Treppe. Erleichtert verspürte ich wieder festen Grund unter den Füßen.
„Du kommst ohne den Garbet zurück?“
Erschrocken fuhr ich herum, als die grau gekleidete Gestalt LeFarkons hinter mir auftauchte.
„Ich wollte keine dunklen Mächte in euer friedliches Kloster locken“, entgegnete ich mit einer Ruhe, wie ich sie selbst nicht empfand.
Lerne, dich zu beherrschen …
„Und was ist dann das hier?“ Er zog eine indigoblaue Feder aus den Falten seines Umhangs hervor, hielt sie mir wie einen Dolch entgegen.
„Keine Ahnung“, antwortete ich wahrheitsgetreu.
„Seltsam nur, dass du die Feder der dunklen Magier in deiner Reisekleidung versteckt hältst“, zischte er.
„Ich habe nichts zu verbergen. Wie kommen Sie überhaupt dazu, meine Sachen zu durchwühlen?“
„Skyler fand sie auf dem …“, er sah mich naserümpfend an „Nachtlager in der Höhle zum Tor von Merdoran.“
„Und wer sagt Ihnen, dass es meine Feder ist und nicht seine? Schließlich sind auch seine Pfeile mit den blauschwarzen Federn des Garbets bestückt.“
Wenn Skyler mich schon hereinreißen wollte, sollte er auch nicht unbeschadet davonkommen. LeFarkon brachte ein kaum merkliches Lächeln zustande.
„Nur eine Person ist im Besitz dieser Federn: Nubia, die Meisterin der dunklen Magierzunft – deine Mutter.“
Schmerzhaft fühlte ich mich an meine Herkunft erinnert. Wie konnte es sein, dass die Feder bei mir gefunden wurde? Dann blitzte eine Erinnerung in mir auf: Mein Vater, wie er bei meinem überstürzten Aufbruch, den Saum des Umhangs zu fassen bekam. Darin eine geheime Tasche eingenäht, die seitlich offen war.
„Wie ich sehe, erinnerst du dich.“
„Und warum gaben Sie mir dann den Auftrag, den Garbet heraufzubeschwören und zu töten?“, fragte ich.
„Weil du es kannst.“
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