Wenn man von dem eigentlichen Citybewohner, der Lloyds um fünf Uhr verläßt und nach Hackney, Clapton, Stamford-Hill, oder irgend einem andern Orte nach Hause fährt, je sagen kann, daß er außer seinem Mittagsessen noch irgend eine andere tägliche Erholung habe, so ist es sein Garten. Zwar arbeitet er in diesem nie etwas mit eigener Hand; dennoch setzt er seinen größten Stolze in denselben; und wer etwa einer seiner jüngern Töchter die Cour machen will, darf unter keiner Bedingung versäumen, über jede Blume, über jeden Strauch seines Gartens in Entzücken zu gerathen. Kommt man in den Fall, zwischen seinem Weine und seinem Garten eine Wahl zu bestimmen, und versteht es nicht, beide in gleichem Grade zu würdigen, so können wir unbedingt empfehlen, dem letztern den Vorzug vor jenem zu geben. Jeden Morgen macht er, ehe er sich in die City begibt, einen Spaziergang durch seinen Garten und trägt besonders dafür Sorge, daß der Fischbehälter ausnehmend reinlich gehalten wird. Besucht man ihn des Sonntags, etwa eine Stunde vor dem Mittagessen, so wird man ihn auf dem Grasplatze hinter seinem Hause, den Strohhut auf dem Kopfe und ein Sonntagsblatt in der Hand, in seinem Lehnstuhle sitzend treffen. In geringer Entfernung von ihm wird man, eher als nicht, einen hübschen Papagei in einem großen Messingkäfig bemerken. Zehn gegen Eins ist zu wetten, daß seine beiden ältesten Töchter, von ein paar jungen Leuten begleitet, welche Sonnenschirme über ihnen tragen – natürlich nur, um die Sonne abzuhalten – auf einem der Seitengänge lustwandeln, während die jüngern Kinder, unter Aufsicht der zweiten Kindsmagd, sich sorglos im Schatten herumtummeln. Außer dergleichen Veranlassungen scheint das Vergnügen an seinem Garten mehr aus dem Bewußtsein, ihn zu besitzen, als aus dem wirklichen Genuß, den er von demselben hat, zu entspringen. Wird man von ihm an einem Wochentage zum Mittagsessen mit nach Hause genommen, so findet man ihn von seinen Morgengeschäften ziemlich angegriffen und obendrein etwas verdrießlich; sobald aber der Tisch abgedeckt ist und er drei bis vier Gläser von seinem Lieblingswein getrunken hat, so läßt er die Jalousien in seinem Speisezimmer öffnen (dessen Fenster, wie sich von selbst versteht, nach dem Garten hingehen), legt ein seidenes Taschentuch über seinen Kopf, lehnt sich in seinem Armsessel zurück, und verbreitet sich mit unendlicher Weitläufigkeit über die Pracht seines Gartens und über die Kosten, welche seine Unterhaltung erfordert. Dieß geschieht natürlich nur, um seinem Gaste – einem jungen Freunde seiner Familie – einen richtigen Begriff von der Vortrefflichkeit seines Gartens und von dem Reichthume des Besitzers einzuprägen. Wenn er diesen Gegenstand hinlänglich erschöpft hat, so schläft er ein.
Es gibt aber auch noch eine andere, von der eben geschilderten sehr verschiedene Menschenrasse, deren Hauptvergnügen gleichfalls ihr Garten ist. Ein Individuum dieser Art wohnt in geringer Entfernung von der Stadt – etwa in Hampstead-Road, oder in Kilburn-Road, oder in irgend einer andern Straße, deren Häuser klein und niedlich sind, und Hintergärtchen haben. Er und seine Frau – ein eben so niedliches und compactes Persönchen, wie er selbst – bewohnen dasselbe Haus schon seit zwanzig Jahren, seit er sich nämlich von den Geschäften zurückgezogen. Sie haben keine Kinder – einst hatten sie wohl einen Sohn; er starb aber, als er kaum fünf Jahre alt war. Sein Porträt hängt über dem Kamingesims im schönsten Zimmer, und ein kleines Wägelchen, das er zu ziehen pflegte, wird sorgfältig als Reliquie aufbewahrt.
Bei schönem Wetter hält sich der alte Herr fast beständig in seinem Gärtchen auf, und wenn es zu naß ist, um in dasselbe gehen zu können, so sieht er stundenlang zum Fenster nach ihm hinaus. Er hat immer etwas darin zu thun, und man wird ihn ohne Unterlaß mit augenscheinlichem Behagen darin graben und hacken, schaufeln und pflanzen sehen. Zur Frühlingszeit nimmt das Säen und Einstecken kleiner Holzpflöckchen mit kleinen Papierstreifen, die sich über den beerdigten Sämereien gleich Epitaphien ausnehmen, kein Ende, und des Abends, wenn die Sonne untergegangen, ist es wahrhaft zum Erstaunen, mit welcher Beharrlichkeit er große Gießkannen voll Wasser herbeischleppt, um die neue Saat zu begießen. Seine einzige sonstige Unterhaltung sind Zeitungen, die er jeden Tag von Anfang bis zu Ende durchblättert, und woraus er beim Frühstücke seiner Gattin die interessantesten Neuigkeiten vorliest. Die alte Frau ist, wie die Hyacinthengläser im Wohnzimmer und die Geranientöpfe im kleinen Vorderhofe beweisen, eine große Blumenfreundin. Auch ist sie nicht wenig stolz auf ihren Garten, und wenn einer der vier Stachelbeerstöcke eine größere Frucht trägt, als gewöhnlich, so wird diese sorgfältig unter einem Weinglase auf einem Wandtischchen aufbewahrt, um die Besuche von dem Wunder zu überzeugen; indem man sie auf's Genaueste unterrichtet, daß Herr So und So, den Stock, der die Frucht erzeugt, mit eigenen Händen gepflanzt habe. An einem Sommerabend, wenn die große Gießkanne ungefähr vierzehnmal gefüllt und eben so oft ausgegossen worden ist, und das alte Paar sich durch Hin- und Hertrippeln erschöpft hat, kann man sie ganz glücklich bei einander in ihrem Gartenhäuschen sitzen sehen, an der Ruhe und dem Frieden des Zwielichts sich erfreuend, und die auf den Garten niederfallenden Schatten betrachtend, wie sie allmälig immer größer und ihre Umrisse düsterer werden, und den Farbenschimmer ihrer Lieblingspflanzen verdunkeln – kein übles Sinnbild der Jahre, die geräuschlos über ihren Häuptern dahingerollt und in ihrem Laufe die glänzendsten Farben früherer Hoffnungen und Gefühle – die seitdem längst abgestorben – verdüstert haben. Dieß sind ihre einzigen Erholungen, und weitere verlangen sie nicht; sie tragen die Mittel zur Annehmlichkeit des Lebens und zur Zufriedenheit in sich selbst; ihre einzige Sorge ist, daß das Eine vor dem Andern sterben möchte.
Es ist dieß in der That keine ideale Skizze; nach dieser Zeichnung gab es sonst viele alte Leute, obgleich sich ihre Anzahl vermindert haben mag und vielleicht noch mehr abnehmen wird. Ob wohl die Richtung, welche die weibliche Erziehung heutzutage genommen, indem sie mehr nach schalen Frivolitäten und eiteln Nichtigkeiten haschen lehrt, ein Grund ist, warum unsere Weiber zu jenem stillen häuslichen Glücke, worin sie sich in weit größerem Glanze zeigen können, als in den geräuschvollsten Assembleen, unfähig sind? – Dieß ist eine Frage, die näher zu untersuchen wir keinen Beruf in uns fühlen: wir hoffen nicht.
Wir wollen uns nun zu einem anderen Theile der Londoner Bevölkerung wenden, deren Erholungen wieder eben so verschiedenartig sind, als man sie sich nur immer einbilden kann – wir meinen die Sonntagsfreuden; und somit bitten wir nun unsere Leser, sich einzubilden, als ob sie in einem wohlbekannten ländlichen »Theegarten« an unserer Seite ständen.
Die Hitze ist diesen Tag außerordentlich, und die Leute, die jeden Augenblick in großen Partien anlangen, sehen eben so erhitzt aus, als die frisch angestrichenen Tische, die ganz den Anschein haben, als ob sie rothglühend wären. Welcher Staub, welches Getümmel! Männer und Frauen, Knaben und Mädchen, liebendes und verheirathetes Volk – Püppchen auf dem Arme und Kinder in den Chaischen – Pfeifen und Krabben, Cigarren und Austern – Thee und Tabak! Dort gehen drei Gentlemen in schreienden Westen, mit stählernen Uhrketten Arm in Arm auf und ab spazieren, geben sich ein erstaunliches Air (oder, wie der Gentleman in der nächsten Hütte witzig bemerkt, »treten ungewöhnlich dick auf!«) – Damen, mit großen, langen, weißen Taschentüchern – von der Größe kleiner Tischtücher – in den Händen, jagen sich – in der Absicht, die Aufmerksamkeit vorerwähnter Herren zu erregen – auf das Possierlichste und Interessanteste in dem Grase umher. Ehemänner bestellen – in